Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

Spenden Sie dem Förderverein Göttinger Predigten im Internet e.V.
für die Fortführung seiner Arbeit!

Christi Himmelfahrt, 25. Mai 2006
Predigt zu Offenbarung 1, 4-8, verfasst von Elisabeth Tobaben
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde!
Können Sie sich noch erinnern, was Sie letzte Nacht geträumt haben?
Manchmal geht es einem ja so, dass man morgens aufwacht und das noch ganz genau weiß und noch ganz konkrete Traumbilder, Traumszenen vor Augen hat.
Mitunter erkennt man vielleicht Ereignisse wieder vom Tag zuvor oder aus früherer Zeit, die eingeflossen sind in den Traum.
Manchmal aber machen sich diese Bilder auch selbständig, erscheinen mit einem mal ganz verzerrt und fremd oder nehmen märchenhafte Züge an.
Manchmal zeigt sich im Traum auch mit verblüffender Deutlichkeit die Lösung eines Problems.
Man wacht auf, und weiß plötzlich ganz genau, was man zu tun hat.
In der Bibel hören wir immer wieder von Menschen, denen im Traum gezeigt wird, wie es weitergehen kann.
Josef wird im Traum wird im Traum auf die Flucht nach Ägypten geschickt;
die Weisen aus dem Morgenland erhalten Weisung -im Traum!
Manchmal tauchen in unseren Träumen Bilder oder Motive auch häufiger auf;
solche, die vergleichbar sind, weil auch andere Menschen sie aus ihren Träumen kennen;
- man läuft z.B. und läuft und kommt nicht voran,
- man wird verfolgt.
- oder kann plötzlich fliegen,
Heute haben wir mit einem Text zu tun, der aus einem bibliischen Buch kommt, das eine Fülle solcher Bildern mit traumhaften Zügen bietet, Bilder aus einer Art Wachtraum, einer Audition und Vision, wie sie der Seher Johannes erlebt hat.
Im letztes Buch der Bibel werden sie geschildert, in der Offenbarung des Johannes.

Offenbarung 1, 4-8 (Textübertragung nach Jens:)
Johannes grüßt,
in der Landschaft Asien,
die sieben Gemeinden:
Gnade für Euch
und Friede von dem,
der da ist und war und kommen wird.
Gnade und Friede von denen,
die im Angesicht seines Thrones stehen,
die sieben freundlichen Geister.
Gnade und Friede von Jesus,
dem verläßlichen Zeugen,
der auferstanden ist
unter den Toten,
ER: ganz allein,
und über die Herren der Erde gebietet.
Ihm, der uns liebt
und uns erlöst hat,
mit seinem Blut,
von unsern Sünden,
ihm, dem Gesalbten,
der uns,
die Bürger seines Reichs,
zu Priestern gemacht hat
vor Gott, seinem Vater.
Ihm sei Ehre und Herrlichkeit
für alle Zeiten:
so soll es sein.

Schaut! Er kommt auf den Wolken!
Alle Augen sehen ihn,
und es starren ihn an
die Gesichter der Männer,
die ihn folterten.
Weh! Alle Völker der Welt
werden sich,
um seinetwillen
die Kleider zerreißen-
Ja, so wird es sein.
Ich bin das A und O,
spricht Gott, der Herr,
ich bin der Anfang,
und ich bin das Ende,
Gott, der ist und war und kommen wird,
der Herrscher über alle Könige.

Es ist fast so, als würde gerade in diesem Moment der Himmel aufgehen und Johannes einen Blick „hinter die Kulissen“ gewähren.
Ich hatte kürzlich Gelegenheit, die Bühne eines großen Stadttheaters zu sehen mit all den Ebenen, die man gegeneinander verschieben kann, versenken, öffnen oder schließen,
So sieht Johannes plötzlich was sich abspielt vor Gottes Thron, auf einer ganz anderen Bühne.
Wie im Traum. Und nun beginnt Johannes seine Visionen und Hoffnungen zu beschreiben, seinen Glauben, der ihn trägt.
Adressaten sind offiziell „die sieben Gemeinden in der Landschaft Asien,“ es ist also so eine Art „Rundbrief“, was er da verfasst.
Vielleicht auch eher ein „offener Brief“ - wie man ihn vielleicht heute in der Zeitung lesen könnte oder im Internet;
Denn die Texte sind ja offenbar gesammelt worden, und später als Buch herausgegeben, weil sie für einen viel größeren Personenkreis interessant waren.
Johannes schreibt nicht nur aus eigenem Antrieb, etwa einen Erlebnisbericht aus den Ferien; nein, wir werden in den nächsten Versen erfahren, wie er dazu beauftragt wird.
Er erlebt eine richtige Berufung, ähnlich wie die Propheten im Alten Testament.
Hier haben wir noch den allerersten Anfang des Schreibens vor uns, eine etwas umfangreicher ausgefallene Anrede.
Was er schreibt, hat mit dem Blick in den offenen Himmel zu tun.
Johannes wird strahlende, kraftvolle Bilder gebrauchen, die sich deutlich ab setzen von der düsteren Situation, in der sich beide befinden, Johannes selbst wie auch die Gemeinden, an die er schreibt.
Es ist offenbar keine ganz einfache Zeit, es war gefährlich geworden, das Wort Gottes zu lehren, wie Johannes das getan hat;
Von den jungen christlichen und jüdischen Gemeinden wurde verlangt, sich anzupassen, den Kaiserkult mitzumachen, den Kaiser als Gott anzubeten.
Der Umgang mit dieser Forderung war nun allerdings sehr verschieden.
Manche sagten: „Och, nur ein kleiner Kniefall vor dem Standbild des Kaisers, was ist denn schon dabei? Wenn euch das doch rettet? macht das doch ruhig, wie es drinnen aussieht, braucht ja keiner zu wissen!“
Die Gemeinden aber, an die Johannes schreibt, sind standhaft geblieben, so wie er selbst. „Kommt gar nicht in Frage,“ hatten sie gesagt. „Der Herr ist nur einer, und daneben wird hier niemand angebetet, auch nicht der Kaiser! Lieber nehmen wir in Kauf, dass man uns auspeitscht, verbannt oder zu Sklaven macht...“
Ihre Hoffnung, dass Jesus bald wiederkommen würde, hatte sie aufrecht gehalten.
Johannes will sie nun ermutigen mit seinem Rundbrief;
‚Es lohnt sich, dabei zu bleiben,‘ sagt er ihnen.
Es wird so etwas geben wie einen „Tag der Erkenntnis“ oder eine „Stunde der Wahrheit“.
Da werden sie es alle merken!
Auch die, die ihn gefoltert und schließlich umgebracht haben, wie erstarrt werden sie stehen, wenn sie sehen, wen sie da gekreuzigt haben. Sie werden erkennen, dass sie auf den Falschen gesetzt haben. Die Kleider werden sie sich zerreißen als Zeichen der Buße und Reue; werden sich damit zu ihrem Irrtum bekennen.“
Ein bißchen klingt das nach trotzigem Thriumph, nach „ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt...“
Eines Tages werden wir auf der richtigen Seite stehen als „Bürger seines Reiches“, und es wird allen und überall klar und werden, dass er der „König aller Könige“ ist, kein anderer!
Nun war „König aller Könige“ aber der Titel, den die römischen Kaiser für sich in Anspruch nahmen, und dass das ungeheuer provozieren kann, wenn Johannes genau diesen Titel hier auf Christus anwendet, das glaube ich sofort!
Man vermutet, dass die Machthaber Johannes abgeschoben haben, verbannt auf die Insel Patmos, damit er kein Unheil mehr anrichten kann und die neue Lehre vom gekreuzigten und auferstandenen Christus immer noch weiter verbreiten.
Es könnte auch sein, das er sich selbst in Sicherheit gebracht hat und nun im Exil lebt auf der Insel.
Jedenfalls sitzt er jetzt auf der gut 34 km2 großen felsigen Insel Patmos, damals gut eine Tagereise vor der Küste der heutigen Türkei, wahrscheinlich konnte er sich wohl frei bewegen, weg konnte er ja nicht.
Johannes muß ein einflußreicher Mann gewesen sein und zudem hochgebildet.
Er macht in seinem Text immer wieder Anspielungen auf alttestamentliche Texte und auch auf außerbiblische jüdische Offenbarungsgeschichten bezieht er sich.
Besonders gut kennt er sich beim Propheten Jesaja aus, die sieben freundlichen Geister etwa findet man auch schon bei Jesaja (Jes. 11,2): der Geist des Herrn, der Weisheit, des Verstandes, des Rats und der Stärke, der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.
Doch all seine Bildung nützt ihm jetzt reichlich wenig, er sitzt dort auf der Insel, weit weg, einsam, in größter Sorge um die Menschen, die er zurücklassen mußte.
Er hat keine Ahnung, was aus ihnen geworden sein mag, ob es ihnen einigermaßen gut geht, oder ob sie vielleicht auch längst irgendwo interniert worden sind, gequält und gefoltert werden.
Eine Horrorvision, finde ich!
So spricht auch eine große Sehnsucht aus den Texten;
Die Sehnsucht danach, die ganz andere himmlische Wirklichkeit festzuhalten, einzutauchen in das Licht und den Glanz vor Gottes Thron.
Das ist eigentlich die alte Frage: „Wie kommt man denn in den Himmel?“
Vielleicht mit dem Hinergrund: Jesus ist fort, „aufgefahren in den Himmel“, wenn wir also sein ollen, wo er st, müssen wir doch ale Anstregungen unternehmen, auch dorthin zu kommen. Oder?
Und Johannes beantwortet die Frage ganz anders als erwartet und sagt: Es ist genau umgekehrt, nicht um eure Anstregung geht es, um euer korrektes der frommes Leben, sondern: der Himmel kommmt zu euch! Provokativ!
Eine interessante Gegenbewegung also!
Er kommt, der Himmel, mit dem und in dem, der da war, der ist und kommt, dem A und O, dem Anfang und dem Ende, dem König aller Könige.
Alles Beschreibungen, Titel, die die Bedeutung und Wichtigkeit Jesu herausstreichen sollen, eine ganz andere Wirklichkeit bricht mit ihm an.
„Jesus Christus herrscht als König“ dichtet Philipp Friedrich Hiller 1755, Jesus Christus und kein anderer, „alles wird ihm untertänig, allles legt ihm Gott zu Fuß. Aller Zunge soll bekennen, Jesus sei der Herr zu nennen, dem man Ehre geben muß.“
Amen.


Elisabeth Tobaben
Elisabeth.Tobaben@evlka.de



(zurück zum Seitenanfang)