Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Pfingstmontag, 5. Juni 2006
Predigt zu Epheser 4, 11-15, verfasst von Armin Kraft
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


„An Pfingsten, an Pfingsten, da sind die Geschenke am geringsten – zur Weihenacht, zur Weihenacht, da wurde mir noch was mitgebracht…“ Vielleicht hat deshalb Pfingsten auch so wenig Resonanz in unserer Bevölkerung, weil die Geschenke, die Äußerlichkeiten fehlen. Andererseits ist im Predigttext aus dem Epheserbrief sehr deutlich und sehr konkret von Geschenken die Rede. „und er hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten, einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer, damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi, damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Leere bewegen und umher treiben lassen, durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen. Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe in allen Stücken, zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am anderen hängt durch alle Gelenke, wodurch jedes Glied das andere unterstützt nach dem Maß seiner Kraft und Macht, das der Leib wächst und „sich selbst aufbaut in der Liebe“ (Epheser 4, 11-16)

Es mag sein, dass diese Geschenke eben zu schnell an Ihnen vorbeigerauscht sind, da Sie sie gar nicht wahrgenommen haben. Das Geschenk der Gemeinschaft steht in diesem Brief im Mittelpunkt. Christus bzw. der Glaube an ihn schafft eine lebendige Gemeinschaft. Er ist der „Lebensflüsterer“ der uns meistens sehr leise zusagt: Ich bin dein Erlöser, ich bin für dich da – aber nicht nur für dich, sondern auch für deinen nächsten. Wir gehören durch ihn zu einer weltweiten Gemeinschaft. Überall auf der Erde gibt es Christenmenschen! Wir sind zusammengefügt, Glieder einer Kette, eine Gemeinschaft mit besonderer Hoffnung, eine GmbH, die unabhängig von Hautfarbe und Herkunft mit besonderer Hoffnung zusammen gehalten wird. Eine Gemeinschaft in der Jede und Jeder wichtig ist. Jede und Jeder hat Gaben und Aufgaben. „Lasst uns wahrhaftig sein“.

Christus hat sich bei der Wahrheit behaften lassen. Er hat sich ans Kreuz haften lassen. Wir können wahrhaftig seine lösenden Worte und Taten auf uns beziehen und an andere weitergeben. Es sage keiner: „Mein Glaube ist zu schwach, ich zweifle zuviel!“ Nein der Apostel sagt, dass in dieser Gemeinschaft mit Christus Jede und Jeder wichtig ist. Die Heiligen sind diejenigen, die einen besonderen Auftrag haben zum „Werk des Dienstes“. Das ist eine schöne Sorge, die Fürsorge, das ist ein guter Dienst, in dem ich heute für einen Menschen da sein kann. Sie werden jetzt überlegen: Von wem habe ich lange nichts gehört? Wem bin ich etwas schuldig? Wir können mit den Geschenken des Geistes ausgestattet wahrhaftig sein, wahrnehmen, was heute wichtig ist. Auf diese Weise sind wir glaubwürdig und können beitragen zur Glaubensgemeinschaft, heute. (aktuelle Bezüge suchen zur Ortsgemeinde)

Pfingsten, 50 Tage nach Ostern – geht es um den Geburtstag der Kirche. Ich weis, dass diese Institution immer wieder angegriffen wird. Aber sie ist wie ein Glas, aus dem ich etwas trinke. Ja, wir trinken das Evangelium aus dem Glas der Institution Kirche. Deswegen ist sie wichtig und muss unterstützt werden – auch wenn es immer wieder in der Kirche „menschelt“, fragwürdig und ungerecht zugehen wird. Keiner von uns ist perfekt. Wer eine perfekte Kirche wollte, wäre selbst in ihr fehl am Platz, denn jeder von uns hat seine Ecken, Kanten und Fehler.

Aber wir werden gebraucht! Wir können den Mund aufmachen, wir brauchen nicht unmündig zu sein, wir müssen heute nicht das Hemd nach dem Winde hängen. Viele bekommen ihre Meinung, gerade auch über die Kirche, wie den Schnupfen, nämlich durch Ansteckung. Wir sollen stattdessen fragen: Woher hast du dein Urteil? Ist es etwa ein Vorurteil? Es kommt darauf an, dass wir selber „geistesgegenwärtig“ sind. Wenn mir einer sagt: „Ich glaube nur das was ich sehe“, dann antworte ich: „Dann glaube ich, dass Sie keinen Verstand haben, denn den kann ich nicht sehen. Mindestens nach Ihrer Theorie hätten Sie dann keinen“. Es geht also auch um eine offensive Wahrhaftigkeit. „Lasst uns wachsen in allen Stücken, zu dem hin der das Haupt ist, Christus“. Wir wachsen auch dadurch, dass wir nicht immer dasselbe sagen, nicht immer bei denselben Worten bleiben.

Es gibt heute zu viele „Plastikwörter“, die gehen glatt runter und auch an den Angeredeten vorbei. Glaube, Hoffnung, Liebe können durchaus in diesen Zusammenhang geraten, ebenso wie Gott, Christus oder Kirche. Es geht also darum, dass wir uns die Geistesgegenwart erbeten und erbitten. Gottes Geist ist ein vielfältig erlebbarer Geist, seine Befreiung bewirkt auch die Freiheit des anderen, der vielleicht ganz anderes glaubt und denkt als ich in dieser Gemeinde. Es kommt also darauf an, dass wir aufeinander zu gehen, das wir miteinander und nicht übereinander reden. Wer denkt und glaubt anders als Sie? An wen denken Sie jetzt?

Der Geist Gottes gesteht seinen Freunden reichlich Spielraum auch zu Missverständnis ein. Wir sind alle unterschiedlich in unserem Denken und Empfinden. Aber ist das wirklich so schlimm, wenn es wegen der Glaubwürdigkeit, wegen der Wahrhaftigkeit auch mal Auseinandersetzungen gibt? Wir können uns doch nach einem sinnvollen Streit gerne und fröhlich wieder zusammensetzen. Aber dann ist einiges geklärt worden. Der heilige Geist dient der Klarheit. Heucheln und Gerede bringen uns nicht weiter. Eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge! Also bleiben wir bei der ganzen Wahrheit und die heißt: Christus ist der Jenige, der uns voranbringt, im Leben und sogar im Sterben und darüber hinaus.

Wir Christen sind nicht besser als die anderen, aber wir sind besser dran – wir haben diesen Wegweiser, diesen Mutmacher zum Leben. Er ist für uns da, nicht nur bei schönem Wetter, sondern auch in dunklen Tagen unseres Lebens. Er kannte die Psalmen: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, - ich fürchte kein Unglück, denn du bist bei mir… Oder sogar: „ Mein Gott, mein Gott warum hast du mich verlassen?“ Er hat das Leben nicht nur gekannt, sondern auch bekannt und auf diese Weise ist er zum Löser, zum Erlöser geworden, weil er die menschliche Seite Gottes praktiziert – für uns. Heute, am Geburtstag der Kirche können wir dafür singend und betend dankbar sein. Wir sind nicht auf uns selbst angewiesen. Wir können uns nicht selbst erlösen. Wir sind doch nicht Münchhausen, oder ähnliche Witzfiguren! Zu Pfingsten singen wir vielstimmig, richtig und vielleicht auch manchmal ein wenig schräg, aber auch die Brummer hat Gott lieb, wenn wir nur wahrhaftig sind. Wir singen in der Gemeinde, zur eigenen Stärkung, im gemeindlichen Chor und immer wieder zur Ehre Gottes, er ist auch ein Tröster. Wir denken jetzt an die jenigen, die uns vorausgegangen sind. Was bleibt, wenn die oder der nicht mehr bei mir bleibt? Die ewige Bleibe bei Gott, die bleibt! Über den heiligen Geist lässt sich nicht reden, aber durch ihn. Und deswegen gehört das Gebet zu Pfingsten auch in unser Leben.

Es gibt soviel Hochmut und soviel falsche Demut in meinem Umkreis. Der Glaube aber gibt mir Mut, den Lebensweg zu wagen, auf dem ich mich an das Lebenswort halte, das Christus gebracht hat. Christus ist mein Herr, der mich nicht knechtet, sondern mich befreit. Als ein solcher „Freiherr“ befreit er mich von ungeistigen Gedanken, vom üblen Nachreden. Ich kann in seinem Geist auch das einbeziehen, was mir Angst macht. Ich kann z.B. den Tod mit bedenken. Ich habe in meiner Kindheit in der Kirche gelernt, dass ein Christ auch Angst haben und darüber reden darf. Ich werde ermutigt, das ausgeblendete, das nicht populäre, Verfehlungen und Bedrohungen einzubeziehen, in die Gesprächskontakte.

An Pfingsten, an Pfingsten sind die Geschenke am geringsten? Keineswegs. Der Heilige Geist macht deutlich, dass wir in vielfacher Weise Beschenkte sind. Das beginnt bei den Naturgesetzen und endet beim Vertrauen. Ja, auch die von Luther oft zitierte Gottesfurcht, gehört dazu. Sie meint nämlich, dass ich aufpassen muss, dass ich fürchten muss, dass Gott mir nicht verloren geht. Die Vernunft vernimmt zu wenig. Der Heilige Geist weitet meine Gedanken: Gott soll bei mir nicht verloren gehen.

Wie schaffe ich das? Ich schaffe das nicht selbst. Ich lasse mir jetzt die Frage stellen: Was ist dir in deinem Leben alles geschenkt worden, gratis, aus Gnade? Ich gehöre als Beschenkter in eine Gemeinschaft mit besonderer Hoffnung. Am Geburtstag der Kirche weis ich, wo mein Platz ist in ihr. Der Kirche ist es aufgetragen, zu erhalten, zu verwalten und zu gestalten. Wir müssen nicht nur die Gebäude erhalten, sondern auch das, was ich mit Liturgie und Frömmigkeit zusammenfasse. Die Verwaltung ist ebenso wichtig, es geht auch um Geld, um Kirchensteuern. Dabei kommt es darauf an, dass wir immer wieder deutlich machen, wie es in diesem Text heißt: „dass wir zusammengefügt sind und ein Glied am anderen hängt, durch alle Gelenke, wodurch jedes Glied das andere unterstützt, nach dem Maß seiner Kraft und macht, dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe“. Ja, die Kirchensteuer macht deutlich, dass es eine Solidargemeinschaft gibt.

Wir tragen damit auch die Schwachen, die stumm gewordenen – wir denken weit über den Horizont Deutschlands hinaus. Wir wissen, wir gehören zu einer weltweiten Gemeinschaft. Mit unserem Geld können wir helfen. Ich weis, dass dieses Thema nicht populär ist. Aber die Frage sei erlaubt: Was macht das Geld mit uns? Als Christenmensch weis ich etwas vom Teilen und Abgeben. Für mich ist das Geld kein Götze, sondern durch den Heiligen Geist werde ich ermutigt, nach meinen Möglichkeiten anderen das Leben auch mit meinem Geld ein wenig leichter zu machen.

Wenn der Heilige Geist in uns eine „Wohnung beziehen will“, dann wird das unser Ich, nach innen und nach außen prägen. Der Zweifel wird sicher manchmal da sein! In ihm steckt die Zahl zwei! Wenn wir uns zwischen zwei Möglichkeiten für den christlichen Glauben entschieden haben, dann kommen wir miteinander weiter. Der heilige, der besondere Geist hilft mir, mein Leben im Werden und Vergehen wahrzunehmen. Er hilft mir aber auch, mein Ich neu zu erkennen. Ich muss nicht so bleiben wie ich bin.

Ich erinnere mich an das kurze Gebet: „Lieber Gott mach die bösen Mensch gut und die Guten etwas besser. Und fange bei mir an!“ Der Humor ist nämlich in einer christlichen Gemeinde auch wichtig. Es gibt hoffentlich Freudentränen im christlichen Miteinander, und wenn es um das Mitleiden geht, gibt’s die Tränen der Trauer. Der besondere Geist ist auch ein Tröster. Er traut uns zu, dass wir mit unseren Fähigkeiten die Möglichkeiten wahrnehmen, die er uns heute vor die Füße legt. Der heilige, der besondere Geist wirkt auch in unsere Vernunft hinein. So können wir im nüchternen Berufsleben das vernehmen, was dem wirksamen Zusammenleben dient.

An Pfingsten, an Pfingsten sind die Geschenke gerade nicht am geringsten. Der Heilige Geist begeistert diejenigen, die sich beschenken lassen wollen. Ich wünsche uns, dass wir dafür offen sind. Zum Geburtstag können wir uns doch meistens etwas wünschen. Jede und Jeder ist ein besonderer Gedanke Gottes, deshalb wünsche ich Iam Geburtstag der Kirche: „lasst uns wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken, zu dem hin, der das Haupt ist, Christus“.

Armin Kraft, Propst
E-Mail c/o labersweiler@propstei-braunschweig.de

 

 


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