Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Trinitatis, 11. Juni 2006
Predigt zu Epheser 1, 3-14, verfasst von Michael Plathow
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Texthinweise

Es handelt sich um die Eröffnungseulogie des Epheserbriefes.
Der “Sitz im Leben” ist die Taufe und die Vergewisserung des Liebesratschlusses Gottes in der Taufe.
Der Text ist trinitarisch durchwirkt: der liebende Vater hat “in Jesus Christus” (6 x) die glaubenden Getauften und den ganzen Kosmos erwählt zur Erlösung und zur einenden Erfüllung von Anfang und Ende, Himmel und Erde; durch das Angeld des heiligen Geistes hoffen die glaubenden Getauften schon voraus, was das Ziel des Liebesratschlusses Gottes (6 x) für sie in der Welt ist: ein Leben, das dem Willen Gottes entspricht und sein zum Lob der Herrlichkeit der Gnade Gottes (3 x) angesichts widergöttlicher Mächte und Gewalten.

Meditation

Staunend wird man sich diesem Predigttext nähern; im meditativen Hören wird man immer neue Aspekte über das Geheimnis Gottes und seines Handelns an den Glaubenden, an der Menschheit und im Kosmos wahrnehmen. Getaufte Christen sind es, die den Erfahrungen des Selbsterweises des dreieinen Gottes in ihrem Leben und im Leben des Kosmos in der Eröffnungseulogie des Epheserbriefes nachsinnen und dankbar loben und preisen als erfüllte Sehnsucht.

Die Preisungen Gottes nehmen die betend Betrachtenden in sich hinein, besser: der, der hier von der christlichen Gemeinde gepriesen wird, nimmt die meditativ Hörenden und betend Betrachtenden in sein heilvolles Handeln hinein, wie immer schon seine Gemeinde und den ganzen Kosmos in seinen gnadenvollen Liebesratschluss hineingenommen hat Die Eröffnungseulogie, eine Art Ouvertüre, ist der Lobpreis des dreieinen Gottes, der sich als Schöpfer, Erlöser und Neuschöpfer der Gemeinde “in Jesus Christus” erschlossen hat und durch den heiligen Geist “in Jesus Christus” erschließt nach dem Geheimnis seiner Erwählung. Anfang und Ende, Prota und Eschata werden in einem heilsgeschichtlichen Bogen verbunden und “in Jesus Christus” zur Einheit symphotisch verknüpft. Als immer schon von Gott Gelobte lobt die Gemeinde der Getauften den dreieinen Gott für seine “großen Taten”.

Es ist das sachgemäße Thema des Sonntags “Trinitatis”, in dem die Passions-/Oster-, Pfingst- und Weihnachtszeit sich heilsgeschichtlich verorten und kirchenjahresmäßig in der Liturgie dieses Sonntags - wie jeden Sonntags und besonders in der Taufe - seine doxologische Antwort erfährt.

Glaube an den dreieinen Gott und sein Handeln als erwählender Liebesratschluss - damit berühren wir nicht nur theologische Grenzaussagen, sondern überhaupt das Geheimnis göttlichen Wollens und Handelns in seiner Selbsterschließung “in Jesus Christus” - , sein Liebesratschluss zur Erlösung in der - wie M. Luther sagt - “am Kreuz geborenen Liebe des Kreuzes”, in der die “Fülle” des alles (ta panta) umfassenden Heils gründet.

Als Segnungen der Herrlichkeit, der Doxa, des Kabod wird die Selbsterschließung und Selbsmitteilung des dreieinen Gottes von den getauften Glaubenden und der Menschheit erfahren und findet im doxologischen Lobpreis, in Benediktionen und Eulogien der Herrlichkeit der Gnade Gottes Antwort: als volltönender Jubel im Händelschen Halleluja; als Lobpreis des “Gloria”, als doxologischer Schluß im Vaterunser-Gebet und im Psalmgebet; als meditative Andacht zur “Zeit der Stille”; als “unthematisches Wissen von Gott” im vorchristlichen Raum. Von sich selbst absehend wenden sich die preisend Rühmenden Gott zu, ihm und seinem gnadenvollen Handeln; Gottes Handeln und Gott selbst wird wunschlos und zweckfrei gerühmt und zugleich als Erfüllung der Sehnsucht nach Erlösung und Hoffnung - eine Zumutung in bedrängter Zeit oder in einer Zeit, die fragt: Was bringts ?, Was nützts?

Die Preisung des dreieinen Gottes in der Eröffnungseulogie des Epheserbriefes hat seinen Ort in der Gemeinde der Getauften als Vergewisserung der Gnadenwahl Gottes in der eigenen Taufe angesichts der Mächte und Gewalten des Unglaubens. Keine harmonische Alleinheitsvorstellung ist mit der Fokussierung der “Fülle” des Heils “in Jesus Christus” angesagt. Wer Gott preist, hebt nicht ab. Man weiß um die widergöttlichen, sich selbst verabsolutierenden, die Menschen beherrschenden und benutzenden Mächte und Gewalten: Unglaube, Megatrends des Zeitgeistes, die “Diana der Epheser” und der Fußballgott, ideologische Verkrümmungen wie Nationalismus, Ökonomismus, Mammonismus, Fundamentalismus, Relativismus u. a., aber ebenso Lebenssorge, Zukunftsangst , Leid-, Unrecht-, Schuld- und Toderfahrung.

Da wird dennoch gepriesen, Gottes Gnadenwahl und Liebesratschluß “in Jesus Christus” gut geredet, gelobt und gepriesen - über Jammern und Klagen als “Lob aus der Tiefe” - “die frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen”, weil es keinen Bereich gibt, “in dem wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären” (Barmer Theologische Erklärung, These 2). Da ist die Zeit, zu und von Gott zu reden in einem Leben, das dem Willen Gottes entspricht.

“In Jesus Christus”, in dem der dreieine Gott seine unverfügbare, alles bestimmende Liebe offenbart hat, erfahren die glaubenden Getauften ihre Bestimmung als immer schon von Gott ewig Geliebte, die “durch den heiligen Geist” das Ziel ihrer Erwählung schon voraushoffen. Sie sind Kinder und Erben Gottes in der Spannung von “schon” und “noch nicht”. Als Erwählte Gottes hat ihr Leben Sinn und Ziel, “damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit seien, die wir Voraushoffende sind in Christus”: die ganze christliche Existenz in Gedanken, Worten und Taten ist auf die Verherrlichung Gottes ausgerichtet.

Für die Predigt am Sonntag “Trinitatis” ergibt sich damit folgende Gliederung:

Bestimmt sind wir als Getaufte zur Kindschaft Gottes,
durch die Erlösung in Jesus Christus, in dem “alles”, die Gemeinde, die Menschheit und der Kosmos, zusammengefasst ist,
als schon Voraushoffende durch den heiligen Geist, zum Lob der Herrlichkeit der Gnade Gottes zu leben.

 

Predigt

Liebe Gemeinde am Sonntag “Trinitatis”,

Zum Lob der Herrlichkeit der Gnade Gottes leben wir; das ist die Bestimmung unseres Lebens als getaufte Christen, ertönt - wie eine Ouvertüre - der Anfang des Epheserbriefes heute. Das klingt nicht nur steil, sondern abgehoben von den bedrängenden Erfahrungen und Problemen des Alltags.

Fragen wie: “Was gibt Sinn? , Was gilt?, Was ist die Bestimmung meines Lebens?” treiben die modernen Gralssucher um; sie treiben angesichts der Seufzer über tragisches Leid, schreiendes Unrecht, beherrschender Lebenssorge, und auch angesichts der Macht des Unglaubens und der Gewalten der Sünde, des Bösen und des Todes mit seinen großen und kleinen Geschwistern auch uns Christen in tiefe Anfechtung, in Jammern und Klagen. Sehnsüchte nach Erlösung und Befreiung, nach neuer Hoffnung und Gewissheit entbergen sie und lassen sie aufbrechen. Sie verdichten sich in der Frage: “Was ist die Bestimmung meines Lebens, meiner Kirche, dieser Welt?”

Die Ouvertüre des Epheserbriefes ist in preisender Rede gehalten. Die Gemeinde rühmt den dreieinen Gott und die großen Taten Gottes im persönlichen und kosmischen Leben. Preisende Rede ist volltönend. Der Lobpreis wendet sich ganz Gott zu. Er ist Rede zum dreieinen Gott, dem Schöpfer, Erlöser und Neuschöpfer, der uns mit unserem preisenden Beten in sein Wirken als Vater, Sohn und heiligem Geist hineinnimmt. Denn wie Jesus den Vater mit dem “Abba”- Ruf preist, so dürfen auch die Glaubenden durch den heiligen Geist den Vater anrufen und preisen. In seinem eingeborenen Sohn, unserem erstgeborenen Bruder, d. h. in stellvertretenden Leiden und Sterben Jesu Christi am Kreuz zur Erlösung von der Macht der Sünde, des Bösen und des Todes hat Gott seine Liebe erschlossen. Befreiung und Erlösung ist da und durch den heiligen Geist wird sie uns in der Taufe zugeeignet. Wir sind Kinder und Erben Gottes.

Schon von Anfang an hat der dreieine Gott uns in seine Liebe in Jesus Christus, in seinen Liebesratschluss hineingenommen. Ewig Geliebte und von Gott Erwählte sind wir in Jesus Christus. Als von Gott immer schon Gekannte, Anerkannte und Gelobte, loben wir den dreieinen Gott allein und in der Gemeinde.

Das ist die Verheißung der Taufe auf den Namen des dreieinen Gottes, dessen der Schreiber des Epheserbriefes die Gemeinde vergewissert: Ihr seid - nicht aus euch selbst, sondern durch die Gnade und Liebe Gottes in Jesus Christus - Kinder, Söhne und Töchter, Erben Gottes. Werdet, was ihr seid.

Der dreieine Gott erschließt das Geheimnis seine Liebesratschlusses in Jesus Christus, u. zw. in seiner “am Kreuz geborenen Liebe des Kreuzes”, wie M. Luther einmal sagte, in seinem “Blut”, teuer erkauft. Hier öffnet Gott sein “Herz” als der Liebende zur Erlösung, d. h. zur Vergebung der Sünden, zur erneuerten Gemeinschaft mit Gott. Das bedeutet Leben und Seligkeit. Sie ist hineingenommen in die symphonischen Heilung des Kosmos mit der stöhnenden Schöpfung in Jesus Christus: in den “Lobgesang des Alls“ trotz der Seufzer, trotz des Stöhnens; “Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes des Vater” tönt da summend auch der vom Schöpfergeist durchhauchte Kosmos im Widerhall des Vogelgeschwitzers und im Spiegel der vom Segen durchfluteten blühenden und Frucht bringenden Pflanzen-, Tier- und Menschenwelt. Der Segen des dreieinen Gottes, mit dem die Gemeinde, die Menschheit, die Natur, der Kosmos gesegnet ist im gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus. “Alles”, Mächte und Gewalten, Ideologien und Geltungsansprüche - selbst die “große” Fruchtbarkeitsgöttin Diana und der populäre Gott Fußball sind Jesus Christus unterstellt. “Alles” ist in die Heilsgeschichte des dreieinen Gottes mit Anfang und Ende, Prota und Eschata, hineingenommen. Keine Alleinheitsvorstellung. Keine Überfliegerei. Die Erfahrung der leidvollen Diskrepanzen steht dahinter. Die Treue zur Erde, das Kreuz des Kreuzes, der teure Loskauf gilt. Zugleich aber wird von der Gemeinde gepriesen “die frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen”, weil es keine Bereiche gibt, “in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären” (Barmer Theologische Erklärung, These 2).

In Jesus Christus, in dem der dreieine Gott seine unverfügbare Liebe offenbart und mitgeteilt hat, erfahren die Glaubenden durch Anfechtungen hindurch ihre Bestimmung als immer schon Erkannte und Anerkannte, als “in Jesus Christus” ewig Geliebte und Gelobte von Gott. Durch die Gewissheit des heiligen Geistes als Geber und Gabe der Hoffnung hoffen sie schon jetzt das Ziel ihrer Bestimmung voraus: die Erfüllung des Liebesratschlusses Gottes für sie in einem Leben, das dem Willen Gottes entspricht als Leben zum Lob der Herrlichkeit der Gnade Gottes, als gelingendes Leben im Sog des ewigen Lebens.

Unser Leben aus und mit der Taufe hat somit Sinn und Ziel - “Sein zum Lob der Herrlichkeit der Gnade Gottes“, singt die Einführungspreisung des Epheserbriefes. Es ist der Lobpreis des dreieinen Gott und seiner Segnungen nicht nur an diesem Sonntag “Trinitatis”, sondern an jedem Sonntag und an jedem neuen Tag. Das geschieht durch den volltönenden Jubel des Händelschen Halleluja, durch das gesungene “Gloria” in diesem Gottesdienst, durch den preisenden Abschluss des Vaterunser-Gebet und der Psalmen-Gebete; im meditierenden Andenken und dankbaren Bestaunen des Handelns Gottes in unserem Leben, in unserer Kirche, in unserer Gesellschaft, in der Schöpfung; und im zweckfreien, unthematischen Ahnen von Gott dem Schöpfer, Erlöser und Neuschöpfer. Das geschieht aber auch im “Lob aus der Tiefe” nach oft langen Schweigen, Zagen und Klagen. Leben zum Lob der Herrlichkeit der Gnade Gottes geschieht ebenso im alltäglichen Tun vor Gott, das dem Liebeswillen Gottes entspricht.

In Gottes Liebesratschluß als immer schon Geliebte und Gelobte hineingenommen, geben wir empfangene Liebe weiter: immer schon wertvoll durch den Wert der Gnade Gottes, sind uns die nahen und fernen Nächsten der Liebe wert; als die, die das Ziel ihres Lebens voraushoffen, geben wir Rechenschaft von der Hoffnung, die in uns ist. So sind wir “zum Lob der Herrlichkeit des Gnade Gottes”.

Was gibt Sinn?, Was gilt?, Was ist die Bestimmung meines Lebens? Liebe Gemeinde, ich bin überzeugt, dass die preisende Vergewisserung des Lebens aus und mit der Taufe und unser Leben zum Lob der Herrlichkeit der Gnade Gottes in der Ouvertüre des Epheserbriefes Evangelium, frohe Botschaft, für uns heute ist. Ihr seid immer schon Geliebte und Gelobte Gottes. Lebt als Geliebte und Gelobte Gottes. “Lob, Ehe und Preis sei Gott, dem Vater und dem Sohne, und Gott dem heiligen Geist im höchsten Himmelsthrone, ihm, dem dreieinen Gott, wie es im Anfang war und ist du bleiben wird so jetzt und immerdar.” (EG 321, 3) Amen.

Michael Plathow
michael@plathow.de

 


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