Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

Spenden Sie dem Förderverein Göttinger Predigten im Internet e.V.
für die Fortführung seiner Arbeit!

Trinitatis, 11. Juni 2006
Predigt zu Epheser 1, 3-14, verfasst von Andreas Pawlas
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. Denn
in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir, heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit. Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist. In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens; damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben.
In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit - in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist, welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.

Liebe Gemeinde!

Das kann doch jeder verstehen! Was? Nein, gerade nicht unser Bibelwort, sondern dass man sich durch diese langen Wortketten, durch diese Sätze oder gar Satzungetüme, die da mit einem Mal durch dieses Apostelwort über unseren Köpfen schweben, schlicht überfordert fühlen kann. Denn dem kann man doch so schnell gar nicht folgen. Das kann man doch alles so unvermittelt überhaupt nicht begreifen.

Aber möglicherweise hilft uns hier ein Vergleich: Denn wir kennen das doch oder haben es sogar schon einmal selbst erlebt, wann mit einem Male selbst der nüchternste Buchhalter poetisch wird. Und zwar wann? Doch wenn er verliebt ist. Denn dann fallen ihm doch mit einem Male für seinen Liebling und seine Verehrte die allerlieblichsten Ausdrücke ein: „Mein Schnuckelchen, mein Schatz, meine Maus mein Liebchen, meine Herz, mein Ein und Alles. Und wie würdet Ihr jüngeren Leute heute sagen? Etwa „my baby“, “my heart” oder „my love“. Jedenfalls kommen so bei Verliebten ganz leicht so manche Wortketten oder Satzungetüme zu Stande und können überhaupt kein Ende finden. Und am besten singt man dann das alles auch noch. Ich weiß, dass das manchmal für Außenstehende schwer auszuhalten ist, aber für den, der wirklich liebt, geht das gar nicht anders und ist es einfach wunderbar.

Warum ich das jetzt erzähle? Weil das in anderer Weise der eigentliche Hintergrund unseres heutigen Gotteswortes ist. Denn da ist jemand von der Liebe angerührt, nämlich der Hl. Apostel. Der ist einfach ergriffen von dem Geist, der von Pfingsten ausgeht und der belebt, tröstet und heilt. Der Hl. Apostel hat wirklich verspürt, wie ihn Gottes unendliche Liebe durch Jesus Christus umschlossen hat, und ihn wunderbar durchdringt und verwandelt. Und von dieser Erfahrung muss er dann einfach stammeln, sagen und singen.

Ja, ein solches Lied, ein solcher Hymnus, ist also unser Bibelwort. Eigentlich kann es darum nur gesungen werden. Nun sind uns dabei leider nicht die Noten überliefert worden. Aber immerhin: wenn man genauer hinschaut, kann man sogar entdecken, dass dieses Lied des Apostels drei Strophen hat.

Aber jetzt könnte man diese drei Strophen einmal oder noch einmal singen. Und bestimmt würde allein das unserer Seele schon gut tun. Ja, das haben wir doch sicherlich schon erlebt, dass wir oder andere Menschen wirklich durch ein schönes Lied gestärkt und getröstet werden konnten.

Allerdings kennen wir das auch, dass es manchmal Momente gibt, in denen wir es einfach nicht ertragen können, dass jemand ein Lied singt. Ja, es kann einen auch Kummer, Leid oder Krankheit dazu bringen, dass einem nicht mehr zum Singen zu Mute ist, dass einem die Kehle wie zugeschnürt ist.

Und da kommt mir das Märchen, von diesem reichen Jüngling in Erinnerung, der so schön und so vollkommen war, dass er von niemand zu übertreffen war. Und er lebte in einem großartigen Haus und sah jeden Morgen erneut in seinem prächtigen Spiegel wie herrlich und vollkommen er war. So war er im Grunde völlig in sich selbst verliebt, weshalb er auch den ganzen Tag voller Entzücken sang. Und die Leute draußen vor dem Haus die konnten das schon von weitem hören.

Aber an einem Tage da hörten die Leute, wie sein Gesang jäh abbrach. In dem Märchen wird berichtet, dass er plötzlich zu singen aufhörte, als er an seinem Körper mit einem Male – Aussatz entdeckte, also Lepra. Durch diese schlimme Krankheit war mit einem Male seine ganze schöne, heile und vollkommene Welt zerbrochen. Alle Herrlichkeit und Harmonie war zerstört. Da konnte er mit einem Male nicht mehr sich selbst und die Welt lieben. Da war ihm sein Lied im Halse stecken geblieben. Kennen wir das vielleicht?

Aber schauen wir doch jetzt einmal wieder zurück auf den Hl. Apostel. Lobt der nun etwa unseren Gott deshalb, weil er so schön und so perfekt ist, wie dieser Jüngling? Aber nein, es ist doch alles völlig anders. Denn wie viele Krankheiten hatte der Apostel durchzustehen, er hatte Schuld auf sich geladen und hatte Schiffbruch erlebt und hatte auch im Gefängnis gesessen. Und trotzdem singt er diesen Hymnus, den wir heute Morgen als Bibelwort hören. Wer kann das begreifen? Und vor allem: woher hat er dazu nur die Kraft?

Aber genau deshalb kommen wir jetzt zur ersten Strophe dieses Hymnus. Und da heißt es ja, dass Gott uns erwählt hat, ehe der Welt Grund gelegt war. Das ist eine gewaltigeAussage -, die aber leider so manches Mal unserem Lebensgefühl widerspricht. Denn wie häufig überschwemmt uns in Leid und Demütigung das Gefühl, einfach so ins Dasein hineingeworfen zu sein – einfach so und nach dem Zufallsprinzip und so ganz und gar nicht erwählt. Ja, mancher fühlt sich häufig mehr als ein Staubkörnchen im Mahlwerk der Zeit - unbedeutend, aufgerieben und ohne Perspektive. Denn niemand interessiert sich für mich und was ich mich abmühe und abrackere. Genauso wenig mag irgendjemand hören, was ich denke, fühle, hoffe, und wie mir alle diese Missachtung weh tut. Aber genau so soll es nach Gottes Willen nicht sein! Nein, wir dürfen uns darauf verlassen, nicht verlassen zu sein, sondern eben erwählt zu sein vor aller Zeit, ja, genau Du und ich und wir alle.

Woher wir das wissen können? Weil uns doch unser Vater im Himmel das Liebste und Teuerste gesandt hat, was es für ihn gibt, seinen einzigen Sohn, genau für Dich und mich und sein ganzes Volk. - Jedoch wie soll man das alles richtig begreifen können.

Aber der Hymnus geht ja noch weiter. Und da heißt es nicht nur, dass Gott uns erwählt hat, sondern dass Gott uns auch das Geheimnis seines Willens hat wissen lassen. Ja, das ist wirklich so, dass wir uns darauf verlassen können, dass wir eingebettet sind in Gottes Willen. Vom Anfang bis zum Ende, von Taufe bis zum Tod und vor allem bis zur Auferstehung!

Wie das gehen kann? Das sagt uns doch die zweite Strophe, nämlich dass wir in Christus die Erlösung haben durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit.

Aber kann man das eigentlich so sagen? Denn wo ist hier irgendetwas weise und klug? Wir haben doch jetzt eher Probleme mit diesen langen Sätzen. Und um weise und klug zu sein, muss man doch üblicherweise so und so viele Prüfungen abgelegt, Examina und Diplome gemacht haben. Dann erst weiß man doch, wo es lang geht. Oder stimmt das alles gar nicht? Hat dieses Geheimnis hier mit ganz anderen, viel grundsätzlicheren Fragen unseres Lebens zu tun, mit der Weisheit und Klugheit, wie unser ganzes Leben gelingen kann? Dabei kann man manchmal ganz Entscheidendes von der Weisheit und Klugheit Gottes aufblitzen sehen, und noch nicht einmal als verborgenes Geheimnis, sondern so, dass es eigentlich jeder einsehen kann: Denn wenn mich Panik oder Sorge überfällt Schande und Elend droht, und ich eigentlich gar nicht mehr weiß, wo oben und unten ist, dann muss doch tatsächlich ganz von selbst wieder Gelassenheit in meine Seele einziehen, wenn ich endlich ernst nehme, dass ich bereits erlöst bin, dass Christus tatsächlich für mich bereits alles Schlimme getragen und ertragen hat und mich am Ende zum Ziel bringt.

Ja, um dieses Geheimnis und um diese Weisheit und Klugheit geht es. Jedoch: Wie sollte man das immer sehen können? Wie können denn einem dazu die Augen geöffnet werden? Allerdings heißt es hier in dem Hymnus, dass wir nicht nur die Erwählten Gottes sind, sondern auch die Erleuchteten, also die, denen die Augen aufgetan wurden, um alles richtig zu erkennen und zu begreifen.

Und so kommen wir zur dritten Strophe. Da heißt es etwas langatmig, dass wir, als wir gläubig wurden, versiegelt worden sind mit dem Heiligen Geist, Und so ist ja auch jeder Getaufte versiegelt worden mit dem Heiligen Geist. Und deshalb darf er Gott beim Wort nehmen. Und deshalb darf ich selbst dann getrost bleiben, wenn ich momentan nicht verstehen kann, warum ich in meinem Leben so geführt werde, warum ich auch das Schlimme erleiden, oder warum ich Misserfolge und Schande erleben muss. Ja, so ist die Zusage verbrieft und versiegelt, dass mein himmlischer Vater mich bewahrt und dass ich das irgendwann alles durch den Hl. Geist verstehen werde. So wird durch den Hl. Geist unser Herz erleichtert und getröstet und diese Erleichterung und Tröstung gibt dann schon eine Ahnung von der Seligkeit, die uns im Reich Gottes versprochen ist.

Und zu der Seligkeit, zu der wir vorherbestimmt sind, gehört auch, dass wir zu Erben eingesetzt worden sind. So heißt das in diesem Hymnus. Und jetzt bitte nicht zu klein denken, denn damit ist doch nicht so eine Erbschaft gemeint, wie Tante Lisbeths alte Nickelbrille oder der wackelige Wandschrank von Onkel Hermann. Sondern der Hl. Apostel benutzt diesen Ausdruck hier, um ein richtigesgroßes Erbe anzusprechen, das einen plötzlich wie ein Glück überfällt und das einem unversehens ein sorgenfreies Leben ermöglicht. Denken wir doch einmal an ein paar Millionen Euro - steuerfrei. Ja, so eine richtige Erbschaft, die würde doch unser Leben verändern. Nie mehr knausern müssen. Sich gleich das eine oder andere wirklich Gute gönnen. Und dann auch gern großzügig und großherzig sein. Ja, das Kaliber ist meint der Hl. Apostel hier. So soll uns auch alles, was uns von Gott erfüllt, großzügig und großherzig machen und unendlich froh und dankbar! So viel Gutes, ja, Herrlichkeit, Seligkeit, soll uns von Gott her erfüllen. Davon ist hier die Rede und von nicht weniger. Um solche großartigen und unfassbar guten Dinge geht es hier dem Hl. Apostel.

Und wenn man so auch nur etwas davon begreift, dass man durch den dreieinigen Gott erwählt und erlöst, erleuchtet und reich beschenkt ist, kommt man dann nicht ganz von selbst zum Singen? Kann man dann nicht doch und ganz von selbst einstimmen mit Paulus in das Lob Gottes heute am Sonntag Trinitatis und ewig? Amen.

Pastor Dr. Andreas Pawlas
Ev.-luth. Kirchengemeinde Barmstedt
Erlenweg 2
25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop
Andreas.Pawlas@web.de


(zurück zum Seitenanfang)