Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Trinitatis, 11. Juni 2006
Predigt zu Matthäus 28, 18-20, verfasst von Arne Ørtved (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(Text der dänischen Perikopenordnung)

Es klingt wie eine Fanfare, die über die ganze Welt hin schallt. Gewiss steht Jesus auf einem Berg in dem Distrikt Samaria, mitten in Israel; und es sind nur 11 Zuhörer zur Stelle, nämlich die restlichen Jünger; nachdem der arme Judas sich das Leben genommen hat. Dennoch werden diese flotten Worte unbescheiden und mit großem Triumph ausgesprochen.

Niemand weiß so richtig, wie dieser Jesus an jenem Tag ausgesehen hat; aber wir bemerken, dass da nicht der historische Jesus auf jenem Berg steht. Es ist der Auferstandene. Wie sieht ein Mensch aus, der von den Toten auferstanden ist? Hat er eine Ausstrahlung und eine Autorität, die solche großen Worte glaubwürdig machen können? Das war jedenfalls solange unmöglich, als er in seiner irdischen Gestalt war. Da war er ein ganz gewöhnlicher Mensch von Nazareth. Auch wenn uns in den Evangelien keine Beschreibung seines Aussehens gegeben wird, so haben wir doch ein deutliches Gefühl, dass er nicht nach etwas Besonderem aussah. Vielleicht sogar eher ganz im Gegenteil: Ein mittelloser Umherreisender, bei dem man fast nur lächeln konnte, wenn jemand behauptete, er sei der Messias, der große Erlöser und Befreier des Volkes.

Aber es ist eben nicht der Zimmermannssohn, der hier mitteilt, dass er alle Macht im Himmel und auf Erden besitzt, und den Befehl erteilt, dass alle Menschen auf der Erde getauft werden sollen, um seine Jünger zu werden und seine Befehle kennen zu lernen. Hätte er das getan, dann hätten wohl sogar seine Jünger sich lustig gemacht.

Es ist der auferstandene Jesus, der hier spricht. Und das ist etwas völlig anderes. Wenn wir uns sein Äußeres vorstellen wollen, müssen wir ihn in einem ganz besonderen Licht beschreiben. Es ist also keine Frage der Größe oder des Aussehens, sondern der Ausstrahlung. So ist er auch oft auf Gemälden dargestellt. Entweder ist seine ganze Gestalt von Licht umgeben, oder es schwebt eine Glorie über seinem Haupt.

Was ist das für ein Licht? Es ist das Licht des Glaubens! Es ist nämlich nur der Glaube, der den auferstandenen Jesus sehen kann. Das bedeutet, dass der Glaube also nicht etwas ist, was der Mensch in sich hat, im Herzen oder im Gehirn. Der Glaube ist nicht etwas, womit der Mensch auf den Berg steigt oder in die Kirche kommt. Der Glaube ist sozusagen eine Angelegenheit zwischen dem Menschen und Christus. Er entsteht bei der Begegnung des Menschen mit dem Auferstandenen.

Es kann für uns Menschen schwer sein, das zu verstehen. Unser Ausgangspunkt sind immer die eigenen Fähigkeiten, Meinungen, Taten. Mit dem, was man in sich hat, begegnet man der Umwelt und versucht sie zu beeinflussen. Wir hören vielleicht auf einige Argumente oder nehmen gute Ratschläge an; dann bearbeiten wir sie in unserem eigenen Inneren, worauf wir Stellung beziehen und handeln.

Oft benutzen wir die Redewendung, dass die Gefühle mit jemandem durchgehen; das heißt soviel wie: sie hat also die betreffende Sache nicht hinreichend überlegt, und deshalb hat sie unzweckmäßig gehandelt. Dieser Kommentar deutet jedoch an, dass es offensichtlich etwas gibt, was mit uns durchgeht. Die Vernunft ist außer Kraft gesetzt, und die Gefühle können uns zu unberechenbaren Handlungen führen.

Das kennen wir auch vom Verliebtsein. Normale Alltagsmenschen müssen manchmal über verliebte Menschen den Kopf schütteln, weil sie sich so töricht benehmen. Teils holen sie oft alles aus sich heraus; und teils schieben sie jegliche Rücksicht auf die sie umgebende Welt beiseite: sie halten keine Verabredungen ein, schlafen des Nachts nicht, machen ihre Arbeit nicht ordentlich usw. Die Verliebten haben ungeahnte Kräfte, können Strapazen aushalten, werden erfinderisch, schön, entschlossen.

Das Wesentlich ist hier, dass sie von etwas getrieben werden, was Macht über sie hat, nämlich von ihrem Verliebtsein. Sie haben "nicht alle Tassen im Schrank", und das hat einen Dichter dazu veranlasst, Verliebtsein eine vorübergehende Geisteskrankheit zu nennen. Es wäre jedoch verkehrt, wenn man sagen wollte, die Gefühle gingen mit ihnen durch; denn dann wäre es ja, wie wenn das etwas in ihnen selbst wäre. Nein, es ist das Verliebtsein, das mit ihnen durchgeht.

So ist es auch mit dem Glauben: er ist etwas, was mit einem durchgeht. Nicht wie beim Verliebtsein, dass man völlig den Kopf verliert; sondern er ist nicht etwas, was man besäße oder wozu man gelangt wäre, indem man die Dinge in seinem Gehirn bearbeitet hätte. Der Glaube gewinnt Macht über einen Menschen, so dass er Dinge hören, sehen, verstehen kann, die er nicht verstehen konnte, bevor der Glaube kam, und die er nicht verstehen kann, wenn der Glaube verschwunden ist. Denn genau wie Verliebtsein etwas ist, was kommt und geht, so verhält es sich auch mit dem Glauben. Er ist nicht etwas, was man ununterbrochen besäße. Der Glaube kann vorbeigehen; und das kann sehr wohl ein Abstieg sein, weil man an seiner eigenen Urteilskraft zu zweifeln beginnt.

Aber die Fanfare schallt über die ganze Erde: Mir ist gegeben alle Gewalt! Gehet hin und machet sie zu meinen Jüngern! Taufet sie und lehret sie, meine Befehle zu halten! - allem Zweifel zum Trotz. Es erschallt in allen Winkeln. Der Ton durch-schneidet klar alle falschen Töne. Übertäubt allen Lärm und alle heiseren Schreie und Kommandos!

Es ist bald 2000 Jahre her, dass er auf dem Berg dort unten mitten in Israel stand und zu seinen 11 verzagten Jüngern redete. Wer konnte ahnen, dass die Fanfare tatsächlich in der ganzen Welt gehört werden konnte. Es sah bescheiden, ja fast ärmlich aus. Gleichwie Kinder, die Räuber und Gendarm spielen. Da kann man auch strenge Befehle erteilen und gewaltige Truppen kommandieren, obwohl es vielleicht nur 11 rotzige Schulkinder sind, die zuhören.

Ob die Jünger an jenem Tag auch so dagestanden haben mögen und glaubten, es sei eine Art Spiel, was Jesus da mit ihnen veranstaltete? Haben sie sich wohl vorstellen können, dass das bitterernst war? Er besaß wirklich alle Macht. Und alle Völker sollten wirklich seine Jünger werden. Sie kannten ja die Welt nicht, diese 11. Sie hatten sich nicht allzu weit über die Grenzen des eigenen Heimatlandes hinausbegeben. Eine Reise nach Libanon, ein Trip nach Syrien, ein einziger war vielleicht sogar ganz bis nach Ägypten gekommen. Aber sie wussten doch genau, dass es ferne Reiche gab: in Kleinasien, Griechenland und in Rom selbst, von wo aus die gesamte bekannte Welt regiert wurde. Es waren die Länder rund um das Mittelmeer. Sehr viel mehr kannten sie nicht.

Ich glaube nicht, dass sie da gestanden und über das alles spekuliert haben. Sie haben überhaupt nicht spekuliert an jenem Tag. Sie haben sich von der Begeisterung mitreißen lassen und zweifelten nicht daran, dass in Erfüllung gehen würde, was Jesus hier rief. Auf diese Weise klang die Fanfare auch in ihren Herzen. Und das brachte sie wahrlich auf Trab; so wirkte der Glaube auf sie. Wenige Jahre später waren die 11 zu 1100 geworden; kurz darauf zu 11.000; und es war überhaupt nicht mehr zu bremsen. 11 Millionen, Milliarden. Im Laufe der Jahrhunderte.

Heute sind wir es, die die Fanfare hören. Fast 2000 Jahre später und in einem Abstand von vielen Kilometern von hier. Aber die Jahre und der Abstand verschwinden. Es geschieht nämlich heute, dass Jesus uns diese Worte zuruft. Auf mancherlei Weise ähneln wir jenen elf armseligen Aposteln, jedenfalls was den Glauben betrifft. Aber wir wissen selbstverständlich etwas mehr über die Welt; und dann haben wir den großen Vorzug, dass wir wissen, dass die Worte in Erfüllung gingen und gehen. Es blieb nicht bei den 11. Massen von Völkern sind zu seinen Jüngern geworden.

Dieses Extrawissen müsste eigentlich unseren Appetit wecken, auf die Worte zu hören und sie mit uns durchgehen zu lassen. Und das ist denn auch in einem gewissen Sinne geschehen. Die Meisten von uns, die hier sitzen, sind vermutlich getauft, um ihm anzugehören.

Die Worte gehen mit uns durch. Das bedeutet nicht, dass wir aufspringen und Halleluja rufen und völlig außer uns sein sollen. Nein, wir sollen wir selbst sein; ganz ruhig, wie es nun einmal zu unserem Temperament passt und wie es auf diesen Breitengraden unsere Gewohnheit geworden ist. Unser ganzer Gottesdienst mit seinen Liedern und Gebeten und Ritualen ist durch die Jahrhunderte hindurch zu dem Rahmen geworden, in dem wir die Worte hören und von ihnen mitgerissen werden können. Und das bedeutet eben dies, dass wir an sein Wort zu uns zu glauben und darin zu leben wagen, in seinem Wort, dass, wenn wir auch immer wieder die Macht über unser eigenes Leben verlieren, dies nichts ausmacht, weil Er alle Macht im Himmel und auf Erden besitzt. Deshalb sind wir auch nie in und um unser Leben allein, sondern er ist mit uns alle Tage bis an der Welt Ende, so wie er es seinen verschüchterten Jüngern verhieß an jenem Tag auf dem Berg in Galiläa, und wie er es uns verheißen hat, damals als wir getauft wurden. Amen

Pastor Arne Ørtved
Birkebæk 8
DK-7330 Brande
Tlf.: ++ 45 - 97 18 10 98
E-mail: ortved@mail.dk  

Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier

 


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