Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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6. Sonntag nach Trinitatis, 23. Juli 2006
Predigt zu Apostelgeschichte 8, 26-39, verfasst von Hans Uwe Hüllweg
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Predigt für einen Taufgottesdienst, in dem Säuglinge, Kleinkinder und Erwachsene getauft werden.

Liebe Gemeinde,

so schnell ist selten jemand getauft worden. Ohne große Vorbereitung. Der Kämmerer, der Finanzminister des Königreichs Äthiopien, war unvorbereitet. Nach einem kurzen Gespräch mit Philippus, diesem Wegelagerer Gottes, fragt er auch schon: "Was hindert‘s mich, dass ich mich taufen lasse?"

Bekehrung im Eiltempo. Ohne weiter in die biblischen Lehren einzudringen, ohne Abfrage, ohne ein Minimum an christlichen Lehrsätzen zu diktieren, tauft Philippus den Kämmerer. Er braucht nicht einmal, nachzuweisen, dass er das Glaubensbekenntnis, die Zehn Gebote und das Vaterunser auswendig kann. Unsere Konfirmanden wissen, was gemeint ist! Ohne jede Kontrolle, so einfach, weil es der Kämmerer will, tauft ihn Philippus. Ich muss schon sagen, ein Presbyter von heute würde sicherlich mit Recht fragend die Augenbrauen hochziehen, und bei weniger Gleichmut der Leute, die zu bestimmen haben, würde sich Philippus sicher ein Disziplinarverfahren eingehandelt haben.

Aber er tauft so einfach. Diese Geschichte schildert eine so ganz andere Praxis, als wir sie haben. An drei Gesichtspunkten will ich das deutlich machen:

1. Der Kämmerer wird getauft ohne Vorbedingungen, ohne dass geprüft wird, ob er würdig ist, ob er ehrlich genug ist, ob er sich einer christlichen Gemeinde anschließen wird. ohne Tauf- und Konfirmationsunterricht. Unseren erwachsenen Täuflingen ging es da nicht so gut! Sie sind acht Wochen lang ins Gemeindehaus gekommen, um etwas über die Hauptthemen unseres Glaubens zu erfahren und mussten sogar das Glaubensbekenntnis auswendig lernen. Und die getauften Kinder werden später im Kirchlichen Unterricht erwartet, wo alles noch viel mehr wird.

Hat der Kämmerer überhaupt schon den Glauben mitbekommen, den Glauben an Jesus Christus, unseren Heiland? Schon früh kamen an dieser Stelle Zweifel auf. Deswegen wurde, etwa 100 Jahre später in diese Geschichte, noch ein Vers eingefügt. Da wird dem Kämmerer ein formuliertes Glaubensbekenntnis abverlangt, wird das Versäumte nachgeholt. Dann ist alles in Ordnung.

Doch Lukas, der Evangelist selbst, hielt das wohl noch nicht für nötig. Er ist nicht so ängstlich, da wird eben einer getauft, der diesen Wunsch hat. Er vertraut darauf, dass die Frage aufrichtig gemeint ist, und er vertraut noch mehr auf Gott, dem dieser Mensch nun besonders anvertraut ist.

Darum ist auch der hier und da immer wieder geführte Streit über die Taufe eigentlich umsonst: Muss man nicht, statt kleiner Kinder, die Erwachsenen taufen, weil die eine klare Antwort auf die Bekenntnisfrage geben können? Weil die den christlichen Glauben aktiv bejahen können? Weil die Vorbedingungen erfüllen können?

Nun ist das alles nicht falsch, eine aktive Bejahung des christlichen Glaubens schon gar nicht, sonst könnten wir ja heute auch nicht zwei Erwachsene taufen. Aber im Grundsatz ist auch richtig: Gott nimmt jeden, wie er ist, mit Fehlern und Sünden, mit starken oder schwachem Glauben, mit guten oder schlechten Leistungen. Jeder, der es nur will, kann bei Gott zu Hause sein.

2. Warum musste der Kämmerer überhaupt noch getauft werden? Er ist in seinem Gespräch mit Philippus auf Jesus Christus gestoßen. Er hat ihn für sich als Orientierung anerkannt. Musste er da noch extra getauft werden? Zweifellos steht Gott über der Taufe, das heißt, will für jeden Menschen ohne Ausnahme da sein, ob nun getauft oder nicht.

Aber wir sind ja nun mal Menschen, die nicht nur Geist sondern auch Leib sind, die darum auch leibliche Zeichen brauchen. Wenn einer zu seiner Freundin sagt: "Ich liebe dich", so wird sie darüber sehr glücklich sein, aber der Kuss muss auch dazu kommen. Darum schenken wir uns ja gegenseitig auch etwas zum Geburtstag oder zu Weihnachten, um zu zeigen, dass man sich gern hat, dass einem der andere lieb und teuer ist; dazu sind keine teuren Geschenke nötig! Die Liebe wird durch Schenken nicht größer, aber sie wird fassbar. Wir Menschen leben eben nicht nur von schönen Worten. Mögen Worte noch so schön, so groß, so edel sein - sie suchen immer nach Bestätigung, nach Unterstreichung in sichtbaren Handlungen, nach Zeichen für ihre Wahrhaftigkeit.

So geschieht heute in der Taufe ja auch nichts, was nicht auch schon in den Worten von der Erlösung durch Jesus Christus gesagt wäre; die Worte werden nur umgesetzt in eine sichtbare zeichenhafte Handlung. Weil der Mensch nicht nur Verstand ist, im Gegenteil, und das ist jetzt gar nicht boshaft gemeint, aus Verstand besteht er nur zu einem kleinen Teil, weil er auch noch aus Fleisch, Sinnen, Empfindungen, Gefühlen besteht, die auch alle etwas abkriegen wollen von dem, was mich angeht, darum taufen wir.

Auch der Kämmerer war ein Mensch aus Kopf und Fleisch, Herz, Seele - wie immer wir es nennen wollen. Er brauchte einfach ein sichtbares Zeichen dafür, von Gott angenommen zu sein. Er wusste es, klar, aber die Worte des Philippus genügten eben nicht. Und darum sind wir alle getauft, darum taufen wir. Dieses Zeichen ist so beweiskräftig, dass es sogar eine Urkunde darüber gibt: "Ich bin getauft", mit Unterschrift und Siegel.

Das ist auch der Grund, warum wir in der Kirche das Abendmahl feiern: Das ist auch ein Zeichen für alle Sinne: Wir kauen und schlucken, riechen und sehen, schmecken und trinken, dass Gott für uns da ist. Auch ohne Abendmahl ist er da, aber so begreife ich es eben besser, und das ist ganz wörtlich gemeint mit dem Begreifen.

3. Das ist vielleicht das Schönste: "Er zog seine Straße fröhlich!" Der Kämmerer hatte Gott körperlich zu spüren bekommen. Er hat, als es ihm angeboten wurde, Gottes Zeichen ohne Umschweife angenommen. Und da packt ihn eine wie selbstverständliche Fröhlichkeit. Und diese Fröhlichkeit meint nicht das breite Grinsen der Besserwisser; meint auch nicht das Gelächter der Überlegenen; meint auch nicht das selige Lächeln von Leuten, die mit dieser Welt schon abgeschlossen haben; nein, es ist eine ganz eigene Art von Humor, eine innere Unbefangenheit, ein unumstößliches Vertrauen auf Gott.

Der 139. Psalm, den wir zu Beginn des Gottesdienstes gesprochen haben, ist so ein Beispiel für unbedingtes Gottvertrauen, das den Getauften versprochen ist. Ich lese ihn noch einmal, aber jetzt in der Fassung von Lothar Zenetti, den ich ja schon gelegentlich hier zitiert habe:

Herr, ja du kennst mich genau.
Du liebst mich und blickst zu mir hin,
wo ich auch bin.

Was ich auch denke, erkennst du,
wohin ich geh, was ich tu,
alles weißt du.

Steig ich zum höchsten der Himmel,
tief in der Erde, auch da
bist du mir nah.

Flög ich dem Morgenrot nach
über Meere nach Ost oder West,
du hältst mich fest.

Manchmal, da geh ich ins Dunkel,
verstecke im Finsteren mich,
doch du siehst mich.

Du hast mein Innres gebildet,
immer hast du mich gesehn
und kannst verstehn.

Du bist mein Atem, mein leben,
nichts ist verborgen vor dir,
du bist bei mir.

(Lothar Zenetti, Texte der Zuversicht, Verlag J. Pfeiffer München, 4. Aufl. 1979,S. 229)

Dass wir alle unsere Straße fröhlich ziehen, wenn wir die Kirche verlassen; dass im Gottesdienst solche Kraft spürbar wird, darum beten wir; dass Gott Ihnen und Ihren Kindern, den Eltern, Paten, Angehörigen, diese Fröhlichkeit schenkt, das wünschen wir.

Vom Kämmerer haben wir nie wieder etwas gehört. Aber was in seinem Leben auch geschehen sein mochte, ob er als Minister entlassen wurde, ob er Streit mit seiner Frau oder Sorgen mit seinen Kindern gehabt, ob er in Angst vor Krieg und Hungersnot gefallen oder diese Katastrophen sogar wirklich erlebt haben mochte - eins war ihm sicher: die Gewissheit: Gott ist bei mir. Das gilt auch für ..... [Namen der Täuflinge] und für uns alle.

Amen.

Hans Uwe Hüllweg, Münster
huh@citykom.net

 


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