Göttinger Predigten im Internet
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8. Sonntag nach Trinitatis, 6. August 2006
Predigt zu 1. Korinther 6, 9-20, verfasst von Jörg Egbert Vogel
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(Einheitsübersetzung)
9 Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder,
10 noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben.
11 Und solche gab es unter euch. Aber ihr seid reingewaschen, seid geheiligt, seid gerecht geworden im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unseres Gottes.
12«Alles ist mir erlaubt» - aber nicht alles nützt mir. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.
13 Die Speisen sind für den Bauch da und der Bauch für die Speisen; Gott wird beide vernichten. Der Leib ist aber nicht für die Unzucht da, sondern für den Herrn, und der Herr für den Leib.
14 Gott hat den Herrn auferweckt; er wird durch seine Macht auch uns auferwecken.
15 Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind? Darf ich nun die Glieder Christi nehmen und zu Gliedern einer Dirne machen? Auf keinen Fall!
16 Oder wisst ihr nicht: Wer sich an eine Dirne bindet, ist ein Leib mit ihr? Denn es heisst: Die zwei werden ein Fleisch sein.
17 Wer sich dagegen an den Herrn bindet, ist ein Geist mit ihm.
18 Hütet euch vor der Unzucht! Jede andere Sünde, die der Mensch tut, bleibt ausserhalb des Leibes. Wer aber Unzucht treibt, versündigt sich gegen den eigenen Leib.
19 Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst;
20 denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!

Liebe Gemeinde,
zu viele Gedanken stecken in diesem Text, als dass ich sie alle aufnehmen könnte.
Viele konkrete Beispiele ethischer Konkretionen des Glaubens in der Lebenswelt des antiken Korinth.
Um herauszufinden, welches der Hauptgedanke des Apostels ist, befreie ich den Text von den ethischen Verhaltenslisten, dann bleibt da:

Ihr seid reingewaschen, seid geheiligt, seid gerecht geworden im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unseres Gottes.
«Alles ist mir erlaubt» - aber nicht alles nützt mir. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.
Gott hat den Herrn auferweckt; er wird durch seine Macht auch uns auferwecken.
Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind?
Wer sich an den Herrn bindet, ist ein Geist mit ihm.
Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst;
denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!

Mit meinen Worten:
weil wir geheiligt sind durch Christus, sind wir frei von allen uns gefangen nehmenden Bindungen und werden wie Christus auferweckt werden.
Diese Freiheit von Bindungen ergibt sich jedoch aus der engen Verbindung mit dem Herrn.
Durch diese Verbindung sind wir Gottes Zeugen auf Erden.

Damit habe ich die Gedanken des Paulus zwar sehr reduziert, aber – wie ich hoffe – auf das Wesentliche.
Paulus geht es ja dort, wo er zu ethischen Themen Stellung bezieht, nie um eine sich selbst begründende Ethik, sondern um das Verhalten der Glaubenden, das sich aus ihrem Glauben, aus ihrer persönlichen Beziehung zu Gott ergibt.

Unser Verhalten als Christen, über das Paulus hier bezogen auf das Leben der damaligen Gemeinde in Korinth nachdenkt, resultiert für ihn nicht aus unserer Kraft und Anstrengung und unserem edlen Gemüt und führt auch nicht zu einer abstrakten Idealisierung einer bestimmten menschlicher Lebensweise, nämlich der des Christen, die dann Vorbild und nie zu erreichendes Ideal für alle wäre.
Vielmehr ist unser Verhalten für Paulus nur eine Randerscheinung eines grösseren spirituellen, bzw. heilsgeschichtlichen Zusammenhangs.
Es resultiert nämlich aus einer Tat Gottes, aus der Auferweckung Jesu Christi und unserer wiederum daraus resultierenden Heiligung. Weil wir mit dem Auferstandenen so leibhaft verbunden sind, wie beispielsweise ein Arm mit dem Körper, deshalb sind wir geheiligt, also in das Geschehen des Heils, das Jesus in der Auferstehung widerfahren ist, mit hinein genommen mit unserem Leben. Deshalb kann unser Leben als Glaubende nur in unsere eigene Auferweckung münden.

Der teure Preis, der für uns bezahlt wurde, ist Jesu Leben der Hingabe und ist deshalb nicht umsonst bezahlt, weil wir eben auch auferweckt werden.

Als solche, für die ein teurer Preis bezahlt wurde, verherrlichen wir nun in unserem Leben Gott in unserem Leib.
An uns soll also die Freude über die Liebe Gottes sichtbar werden
Wer oder was Gott für uns ist, sieht man an unserem Leben.

Was das konkret bedeutet, muss jede Zeit und jeder Glaubende jeweils ergründen. Paulus hat es beschrieben für seine Zeit.
Wir müssen es immer wieder neu in unserem Leben buchstabieren.
Dabei kann es hilfreich sein zu wissen, dass wir mit unserem Leben das Wesen Gottes unseren Mitmenschen nahe bringen sollen.
Gott, der Liebe ist und nichts als Liebe, kann niemals mit Raketen und Bomben verherrlicht werden, ganz gleich, welcher Glaube, welche Religion dahinter steht, aber sehr wohl durch Gesten der Versöhnung, des Kompromisses, des Friedens, des Verzichts auf Waffengewalt.

Wir verherrlichen Gott in unserem Leib, indem wir die engen Grenzen unseres Denkens überschreiten und auch in der Familie, in der Nachbarschaft, in der Firma keinen Streit anzetteln, sondern versuchen allen Menschen mit Verständnis zu begegnen.

Wir verherrlichen Gott in unserem Leben, indem wir nicht so tun, als wüssten wir immer, wer gut und wer böse, was falsch und was richtig, was schlecht und was in Ordnung ist, sondern indem wir vorurteilsfrei zuhören und andere mit ihrer Meinung, ihrer Erfahrung, ihrer Erkenntnis gelten lassen.

Bei all diesen Versuchen, heute für unser Leben zu buchstabieren, wie wir adäquat das Wesen Gottes darstellen, sind mir zwei Paulinische Gedanken wichtig:
Das dem Wesen Gottes entsprechende Verhalten resultiert nicht aus unserem Bemühen und unserer Anstrengung – wir wären ja hoffnungslos zum Scheitern verurteilt – , sondern aus unserer engen persönlichen Verbundenheit mit dem auferstandenen Christus.

Und Paulus schreibt: Alles ist mir erlaubt - aber nicht alles nützt mir. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.
Das heisst doch, meine Freiheit, die mir die lebenslange feste Verbindung mit Christus schenkt, wodurch ich von allen mich gefangen nehmenden Bindungen befreit bin, meine Freiheit darf nicht mir selbst und anderen zum Schaden gereichen.
Oder wie es Rosa Luxemburg ja sehr treffend gesagt hat: Freiheit ist die Freiheit des Andersdenkenden.

Unsere, durch den Glauben an den auferstandenen Christus entstandene unauflösliche Verbindung mit Gott führt uns konsequenterweise dazu, dass wir gar nicht anders können, als in Freiheit so zu leben, dass das Wesen Gottes durch unser Leben, vor allem auch durch unser Leben in der Gemeinschaft der Glaubenden, den Menschen bekannt gemacht wird, mit denen wir zusammenleben.

Ihr seid reingewaschen, seid geheiligt, seid gerecht geworden im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unseres Gottes.
«Alles ist mir erlaubt» - aber nicht alles nützt mir. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.
Gott hat den Herrn auferweckt; er wird durch seine Macht auch uns auferwecken.
Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind?
Wer sich an den Herrn bindet, ist ein Geist mit ihm.
Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst;
denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!

Jörg Egbert Vogel
j.e.vogel@gmx.ch


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