Göttinger Predigten im Internet
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Erntedankfest, 1. Oktober 2006
Predigt zu 1. Timotheus 4, 4-5, verfaßt von Wolfgang Ebel
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(Hinweis: die Predigt ist für einen Gottesdienst in der Klinik geschrieben worden)

Liebe Gemeinde !

Heute wird in den Gemeinden unserer Region Erntedank gefeiert. Die Arbeit von Menschen bringt etwas ein. Sie zeitigt Ergebnisse, für die zu danken ist. Dazu gehören die Früchte und Erträge, die wenige Erwerbslandwirte einbringen genauso wie die Kürbisse, Äpfel und Kartoffeln im Kleingarten. Mit ihnen werden meistens noch die Altäre geschmückt. Es entspricht durchaus der Wirklichkeit unserer Lebenszusammenhänge, auch verarbeitete Produkte wie Konserven, technische Geräte, Bücher und DVDs als Produkte menschlicher Ideen und wissenschaftlicher Forschung und Kunst hinzuzufügen. Und in einem großen Klinikum, in dem Patienten behandelt und versorgt, medizinische Forschung betrieben und Nachwuchs für das Gesundheitswesen ausgebildet werden, kann man sich durchaus noch andere Dinge vorstellen, die auf oder vor den Tisch Gottes gehören. Alles, was menschliche Arbeit, menschliches Denken, menschliche Tatkraft und menschlicher Erfindungsgeist hervorbringen, ist Teil des geschaffenen Ganzen. Gott hat die Welt nicht einmal ins Leben gerufen – wie auch immer – und sich dann zurück gezogen. Die Schöpfung ist „geordnetes Hervorbringen, Scheiden und Herrschen, an dem die Geschöpfe in abgestufter Weise Anteil bekommen“ (1) – bis hin zu dem Auftrag an den Menschen, in Ehrfurcht vor dem Leben über die Vegetation und die Tierwelt zu herrschen. „Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“, heißt es zu Beginn – und nach einem jeden Schöpfungswerk heißt es: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte. Und siehe, es war sehr gut.“ Gott hat den Ruhetag, an dem er selbst von seiner Schöpfungsarbeit ruhte, begründet – für alles, was lebt. Der Ruhetag gehört zum Schaffen. Der Sonntag begründet und kräftigt den Alltag. Im Gottesdienst tanken wir den Geist auf, der unser Leben durchwirken will. Damit Menschen weiter arbeiten und gestalten können an dem, was Schöpfung auch bedeutet: Gegenwärtiges und Zukünftiges. Die Schöpfung Gottes geht weiter und wir Menschen haben die Würde und die Pflicht vor Gott, daran mit zu wirken – in Freiheit und Verantwortung.

Dank für alles, was menschliches Wirken und menschliche Arbeit einbringt. Die Ernte eines Jahres, eines Lebens, eines Projekts, einer Forschungsreihe, eines Entwicklungsprozesses – sie soll angeschaut und in Beziehung gebracht werden zu dem, von dem alles Gute ist. Das geschieht im Dank. Danken ist Erinnern. Wir nehmen Rückbezug auf die Macht allen Lebens, auf den, der alles in Gang gesetzt hat, der es gegeben hat und noch erhält, wie Martin Luther es in seinem Kleinen Katechismus sagt. Eucharistie – das griechisch-biblische Wort für Danksagung – meint leiblichen Dank. Der geht durch unseren Körper, berührt unser Innerstes und bringt Lob hervor: Lieder und Gesang, Musik und Tanz, Teilen und Gemeinschaft mit anderen als Resonanz darauf, dass wir geschaffen wurden und dass wir gerettet wurden.

Heute danken wir für alles, was durch menschliche Arbeit der Lebenserhaltung dient. Wir danken für den Segen, den Gott austeilt. Segen, der sich auswirkt durch Menschen, die etwas können und tun. Segen, der gegenwärtig ist in Sonne und Regen, in meinem ganz passiven Genießen dessen, dass mir jemand gut ist und mir Gutes tut. Es gibt also auch etwas, wofür wir nicht danken können. Alles, was das Leben gefährdet und zerstört, kann keinen Dank ernten. Deshalb ist Dank an den Schöpfer und Erhalter allen Lebens immer auch mit dem Denken verbunden, mit dem Andenken an die Opfer, die unser Lebenserhalt auf notwendige Weise und auf sinnlose Weise erfordert. Notwendig weil Not wendend sind Opfer, die gebracht werden müssen. Der Tod von Versuchstieren in der medizinisch – pharmazeutischen Forschung ist möglichst auszuschließen, aber nicht in jedem Fall vermeidbar. Eingriffe in die Natur verletzen diese und wir tun gut daran, das nicht als selbstverständliches Recht anzusehen. Geschaffenes Leben anzutasten ist immer ein Verstoß gegen heiliges Lebensrecht. Zugleich ist es unvermeidlich, wenn wir leben wollen. Erntedank ist immer auch ein Gedenken dieser Schuld und unserer Bedürftigkeit nach Vergebung. Sinnlos und gottlos sind Opfer, die aus Profitgier und Rücksichtslosigkeit in Kauf genommen werden. Geschundene Tiere, verwüstete Landschaften, verseuchte Luft, ausgebeutete und an den Rand gedrängte Menschen bei uns und weit entfernt sind an einem Tag des andenkenden Dankes zu beklagen. Schuldige sind zu benennen und ihnen muss gesagt werden, dass sie ihrer Verantwortung und dem Gericht Gottes nicht entgehen werden.

Alles Geschaffene ist gut. Hat Gott Krankheit und Tod geschaffen? Wir müssen so fragen in einer Klinik. Wir danken für alle Hilfe, die uns in Krankheit widerfährt. Wir können nicht danken für medizinische Lebenserhaltung, die sich über die gottebenbildliche Würde, die ein jeder Mensch hat, hinweg setzt – sei es um der Forschung willen, sei es, weil man die Grenzen ärztlicher Kunst nicht zu ertragen bereit ist. Jesus hat den Seinen und der auferstandene Christus hat der ganzen Gemeinde schlicht aufgetragen: Heilt die Kranken ! Und wenn er heilte, dann durch die Kraft dessen, dem er unbedingt vertraute. Kranke heilen - auf Grund naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und mit medizintechnischen Methoden aber auch mit Heilkraft aus Glauben an den lebendigen Gott gehört zum Wirkungsfeld christlicher Gemeinden und Werke – schon von den ersten Christenmenschen her. Krankheit und Tod sind in der Welt und der Apostel Paulus weiß von dem Seufzen der ganzen Schöpfung, die sich nach Erlösung sehnt.

„Sei gepriesen, o Herr, für Tod und Leben“ - so konnte der Heilige Franziskus singen in seinem Sonnengesang. Kein Mensch kann dem leiblichen Tod lebendig entrinnen, heißt es darin. Wie alles Leben so gehört auch der Tod in Gottes All – Macht. Das Dasein ist größer als wir. Der heilige Gott ist Herr über Leben und Tod. Das Dasein ist in den Quellen der Lebensfreude größer als wir. Es ist auch als Todesmacht und Vergeltungsmacht größer als wir.

Alles, wofür wir heute Dank bringen soll in Kontakt, in Berührung kommen mit der Macht des Wortes Gottes und der Kraft des Betens. So wird alles Geschaffene geheiligt. Alles, was menschliche Arbeit, menschliches Wissen und menschliche Erfindungskraft hervor bringen, soll geheiligt werden durch das Wort Gottes und Gebet. Wenn Gottes Wortmacht und sein Machtwort in der Mitte der Gemeinde lebendig ist und gehört wird, kann man ermessen lernen, was von dem Schaffen der Menschen Gottes Schöpferwillen entspricht. Alles soll ins Gebet vor Gott gebracht werden. Nur dann, nach diesem Durchgang, ist es koscher und zugelassen. Dann muss man nicht darauf verzichten. Dann kann man es mit Freude genießen. Es muss seine Eigenmacht verlieren. Es muss von Gottes Macht und Kraft durchdrungen sein.

Das Brot auf dem Altar haben menschliche Hände zubereitet. Es ist Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. In diesem Brot und in dem gekelterten Traubensaft gibt uns Gott Leib und Blut seines Sohnes. Wir erfahren den Segen der Erde. Wir geraten in Berührung mit dem Heil der Geschichte Gottes mit uns Menschen. Wir sind gesegnet in der Schöpfung, die noch in den Schmerzen der Geburtswehen liegt die noch nicht zu Ende ist. Wir sind gerettet, auch wenn wir sterben müssen.

„Der Gott der Vögel unter dem Himmel und der Lilien auf dem Felde ist ein Gott der Gnade. Sie verkündigen es in ihrer Sprache, die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Felde. Mehr aber als an ihnen, eindeutiger und endgültiger noch macht er an seinem eigenen Sohn sichtbar: Dass er das Leben der Menschen will und nicht den Tod, dass selbst alles Sterben der Schöpfung ein Sterben ist in ihn hinein.“ (2)

Amen.

(1): J. Polkinghorne / M. Welker, An den lebendigen Gott glauben. Ein Gespräch, ) Gütersloh 2005)

(2): R. Riess, Der Gott der Lilien. Studien zu biblischen Texten und Themen, Göttingen 1981, 18

 

Als Evangeliumslesung: Mt. 6, 25 – 34
Lieder: EG Niedersachsen und Bremen
443, 1-2+4-5
502, 1-4
503, 12 – 15
217, 1-2

Auf dem Altar stehen diesmal statt der Oblaten ein Brot und Traubensaft.

Wolfgang Ebel
Pastor.Ebel@med.uni-goettingen.de

 

 


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