Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres (Volkstrauertag), 19. November 2006
Predigt zur Offenbarung des Johannes, 2, 8-11, verfaßt von Sibylle Reh
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Anmerkung zum Predigttext:
Die Wahl der Übersetzung fällt schwer, die Lutherübersetzung hat den Vorteil ihrer vertrauten, poetischen Formulierungen, andererseits ist es auch gut, eine Übersetzung zu wählen, die den Ausdruck „Synagoge des Satans“ etwas freier übersetzt,(z. B. Hoffnung für alle) denn die Formulierung klingt ja zunächst in den Ohren einer heutigen deutschen Gemeinde anders, als im noch Judenchristlich geprägten Umfeld der kleinasiatischen Gemeinden zur Zeit der Abfassung der Offenbarung.

Liebe Gemeinde,
Ein Trost -Text. Ein Trost Text für diese verregneten Novembertage, ein Trosttext für die stillen Traurigen Feiertage, die wir zur Zeit begehen: Das Gedenken für die Toten der Kriege an diesem Sonntag und das Gedenken für die Toten der Gemeinde am nächsten Sonntag.
Ein Trosttext für alle, die leiden.
Haben sie schon einmal gedacht, die ganze Welt steht gegen sie, alles hat sich gegen sie verschworen. Oder kennen sie jemanden, der gerade ganz schwer zu kämpfen hat? In solchen Situationen ist dieser Text ein guter Text, ein wohltuender Text. Balsam für alle Mobbingopfer.
Mir ist auch nicht entgangen, wie bösartig euch die Leute verleumden, die sich für fromm halten, in Wirklichkeit aber Gehilfen des Satans sind. (Offenbarung 2, 9b, Hoffnung für Alle)
Am Ende wird sich zeigen, wer Recht hatte, es gibt so etwas wie eine ausgleichende Gerechtigkeit nach dem Tode.
Bekannter und beliebter ist der Text noch als Beerdigungstext, ein Text für Trauernde: der zweite, ewige Tod wird uns nichts anhaben können, wenn wir an Jesus Christus glauben.

Die Gemeinde im Smyrna war in so großer Bedrängnis, einmal durch das Heidentum und den römischen Staat, die Möglichkeit lokaler Christenverfolgungen. Dann gab aber auch Konflikte von der anderen Seite , von innen, Konflikte mit Menschen aus der jüdischen Gemeinde, der sie sich noch immer zugehörig fühlten.. Einige in der jüdischen Gemeinde, wollten aber anscheinend von mit ihnen nicht mehr viel zu tun haben, sie aus der Synagoge ausschließen. Das schmerzte doppelt: einerseits fühlten sie sich noch als Juden, als Juden, die Christus als Messias verehrten, deren heilige Schrift aber nach wie vor die Heilige Schrift der Juden war (das neue Testament gab es noch nicht). Auch verloren sie ganz konkret ohne die Anerkennung der Juden den Schutz vor staatlicher Verfolgung, den das Judentum war eine im römischen Reich erlaubte Religion, Juden waren vor dem Zwang zur Anbetung des Kaisers befreit. Christen waren vor dem Gesetz gar nichts.
Christen waren also bedroht, an Seele und Leib in Smyrna. Sie brauchten die Aufmunterung zum durchhalten.
Darum, diese Aufmunterung, die der Seher Johannes diktiert bekommt.
Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. (Offenbarung 2, 10 Luther 1984)
Zwei Fragen drängenmir als modernen Menschen auf:
Bin ich wirklich immer auf der richtigen Seite, gebe ich auch nicht immer zu schnell nach? Überhaupt: ich sehe nicht immer die ganze Welt als feindlich an.
Und zweitens: ist mir die ausgleichende Gerechtigkeit nach dem Tode nicht viel zu lange hin. Ich will hier und jetzt Gerechtigkeit.

Viele Menschen erleben die Zeit im November mit kürzeren Tagen, die dann voll grauem Regenwetter sind als die Zeit der Traurigkeit: Winterdepression.
Die Geschäfte versuchen und aufzuheitern, in dem sie Unmassen von Weihnachtsdekoration zum Verkauf anbieten. Umsonst, denn zumindest hier in Hildesheim weiß man noch: erst müssen die „stillen Feiertage“, Volkstrauertag und Totensonntag vergehen, bevor man Häuser und Straßen für die Advents und Weihnachtszeit vorbereiten kann.
Die Trauer, um das, was gewesen ist, muss Zeit und Raum einnehmen können, nur dann ist es möglich sich freuen zu können.

Natürlich läuft das nicht so geregelt ab, denn auch jetzt, in de Stillen Zeit, gibt es Anlässe, zum Lachen, zum sich Freuen, und wer um den Verlust eines Menschen trauert, der wird auch noch Weihnachten traurig sein. Aber doch, diesem Ablauf an Gefühlen auch in unserem Leben Raum zu geben, Gutes und Böses aus dem Blick unseres Glaubens zu betrachten, hat sich bewährt.
Allerdings sollen diese stillen Tage nicht nur Leid wiedergeben, sondern Hoffnung. Wir singen Lieder, die beinahe schon Adventlich klingen. „Wir Warten dein o Gottes Sohn“
Warten und Hoffnung bestimmen diese Tage. Vordergründig warten darauf, dass wir endlich die Kartons mit Weihnachtssachen rausholen können, die Fenster beleuchten und die Räuchermännchen aufstellen können.
Warten auf Schnee, Christbaum und glänzende Kinderaugen.
Dahinter warten wir auf eine friedlichere Welt. Auf eine Welt, in der Gottes Gerechtigkeit regiert, nicht die Gewalt. Eine Welt, die von der Suche nach Gott bestimmt ist, nicht vom Streben nach Macht.
Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“
Warten heißt in der Bibel nicht Nichtstun.
Die Krone des Lebens ist der Preis für Treue, für Glauben, Vertrauen, darauf, dass es besser wird. Der Preis, dafür, dass wir dafür leben, dass es besser wird. Die frühen Christen waren sogar bereit, dafür zu sterben.
Liebe Gemeinde, warten, aushalten, sich darauf freuen, dass es besser wird, kann nicht heißen, es ist sowieso alles egal, die Welt vergeht, „lasst uns essen und trinken, den morgen sind wir Tod.“ (1 Kor 15,32b)
Es ist richtig, viele Dinge hat keiner von uns in der Hand. Es ist nicht mein Verdienst, dass ich hier in dem reichen Westeuropa geboren bin, mir um vieles Sorgen machen muss, aber zumindest nicht darum, dass ich Nahrung, Kleidung und Wohnung haben werde; dass ich gute Startchancen im leben hatte ist nicht mein Verdienst, es ist Glück.
Auch Schlechtes habe ich nicht in der Hand, Unfälle, Krankheiten, ich kann mich darum Bemühen, es zu vermeiden, verhindern kann ich es nicht.
Bei allem, was mir zustößt, Gute oder böses, ist es nicht egal, wie meine Einstellung ist.
Vertrauen ist wichtig.
Unicef hat kürzlich zusammen mit der Zeitschrift GeoLino eine Umfrage machen lassen, was Kindern zwischen 8 und 14 Jahren wichtig ist. Eigentlich überraschte nicht das Ergebnis, sondern die Deutlichkeit: Am wichtigsten für fast alle Kinder war Freundschaft. Dahinter kamen Vertrauen, Treue, Geborgenheit, Ehrlichkeit. Geld und Besitz rangiert bei deutschen Kindern erst auf Platz 15 von 20.
Der Psychologe Paul Watzlawick beschreibt es in seinem Buch „Anleitung zum Unglücklichsein.“, wie wichtig es ist, mit welcher Einstellung man in ein Gespräch geht. Allein durch die Einstellung kann man sich unglücklich machen. Er beschreibt einen Mann, der von seinem Nachbarn einen Hammer borgen möchte. Aber dann kommen ihm Zweifel: „Was ist, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht borgen will, er hat mich gestern nur so kurz gegrüßt. Vielleicht ist er ja böse auf mich.“ Und dann steigert sich der Mann so in die Vorstellung hinein, der Nachbar könnte ihm den Hammer nicht borgen, dass er schließlich hinübergeht, ihn, anschreit: „behalten sie ihren Hammer, sie Idiot.“
Wenn das Vertrauen so wichtig ist, schon für das Zusammenleben von Menschen, ist, dann denke ich, es ist genau so wichtig, Gott zu vertrauen.
Natürlich gibt es Situationen ,in denen ich Gott auch mal anschreien möchte, und ich kenne auch Menschen, die das regelmäßig tun.
Klagen ist auch eine Form des Betens. Aber Klage macht nur Sinn, wenn ich damit eine Beziehung suche, erwarte. Wenn ich letztlich Gott vertraue.
Bei aller Klage, ist es gut, wenn man nicht aufhört, letztlich zu vertrauen, darauf zu Hoffen, dass Gott seine Zusagen einhält.
Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.

Amen
 
Sibylle Reh
Schildweg 39
31139 Hildesheim
sreh@gmx.de


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