Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

Spenden Sie dem Förderverein Göttinger Predigten im Internet e.V.
für die Fortführung seiner Arbeit!

Meditationen über Texte von Dietrich Bonhoeffer - 2006
Meditation über den Brief Dietrich Bonhoeffers an Eberhard Bethge
vom 30.4.44 ( WE 176-182)

Peter Grønlykke (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Nichtreligiöses Christentum: „Gott ist mitten in unserem Leben jenseitig.“ (WE 182)

„Da versteckten sich Adam und seine Frau vor dem Angesicht Gottes des Herrn unter den Bäumen im Garten,“ heißt es in Genesis 3,8. So war es ursprünglich. Der Mensch war es, der sich vor Gott verbarg. Seitdem hat der Mensch vergessen, wie es war. Menschen meinten, dass Gott es sei, der sich vor ihnen versteckt hätte.

Es ist schwer, der Mensch zu sein, der auf der Suche ist, wenn es eigentlich so ist, dass der Mensch sich versteckt hat und der gefunden werden und sich finden lassen soll. Das Versteck liegt offen zutage, und wir sind unser eigenes Versteck.

Vielleicht ist es nicht die Frau, die den verlorenen Groschen finden soll, sondern der Groschen, der sie finden soll. Oder nicht der Hirte, der das verlorene Schaf finden soll, sondern das verlorene Schaf, das den Hirten finden soll. Welch eine Umwendung! Welch eine befreiende Umendung!

Wir gehen suchend und verstecken uns. Wir tragen das Geheimnis mit uns, als wäre es Gottes Verborgenheit. „Gott, wo bist du?“

Es ist das Wesen des Menschen zu suchen. Nach Gott zu suchen, und die Spuren zu deuten, die in die rechte Richtung führen könnten. Still und leise im Gebet; lauter und durchdringender im Lobgesang und in der Anrufung: „Wie lange willst du dich verstecken, Herr? Wie lange verbirgst du dein Angesicht vor mir?“ (Ps. 13,2)

„Gott ist mitten in unserem Leben jenseitig,“ kann es bei Bonhoeffer heißen. Darin liegt Einsicht in ein Geheimnis, das ganz offenbar ist, aber das zu offenbaren und darzulegen nicht uns ansteht. Es verlangt unsere Behutsamkeit. Unsere Behutsamkeit gegenüber dem ganzen Acker des Lebens, worin der Schatz verborgen liegt. Denn den ganzen Acker muss man bekanntlich kaufen um des Reiches Gottes willen. Er enthält keinen privilegierten Platz und keine privilegierte Sprache, worin wir Gott enthüllen und finden könnten. Denn Gott ist mitten drin jenseitig.

Wir müssen suchen. Wir können nicht anders. Aber wir sind es, die im Geheimnis Gottes zu finden sind. Jenseits suchen wir Gott und er uns: aber mitten in unserem Leben findet er uns und wir ihn.

Denn Gott ist wie das verlorene Schaf, das seinen mündigen Hirten sucht; wie der Groschen, der seine Besitzerin sucht; ja, wie der verlorene Sohn, der die Liebe sucht und weckt, als er nach Hause kommt und seinen verlorenen Vater findet. Jenseits mitten im Leben.

Pastor Peter Grønlykke (E-mail: pegr@km.dk)

 


(zurück zum Seitenanfang)