Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Predigtreihe in der Evangelischen Schlosskirche der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn zum Thema "Weltmeisterschaft", 2006
Sonntag Palmarum, 9. April 2006
Predigt über Jesaja 50, 4, Reinhard Schmidt-Rost

(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Zur Einführung in das Thema der Reihe:

Die erfahrenen Schlosskirchen-Besucher wird das Thema ‚Weltmeisterschaft’ höchstens einen kleinen Augenblick überrascht haben; mit solch kräftigen, gelegentlich holzschnittartigen Bezügen auf die Gesellschaft kann, darf und muß man hier durchaus rechnen; das ist Absicht, dass die Begriffe und Vorstellungen des Alltags und der Öffentlichkeit durchsichtig werden für einen Doppel- und Hintersinn der Wirklichkeit des Evangeliums, dass die Welt des Glaubens die Alltagswelt transparent werden lässt, dass Immanenz und Transzendenz aufeinander bezogen werden und die kritische Kraft des christlichen Glaubens als Korrektiv der Welt- und Lebensauffassung gegenüber tritt.

Nun also ‚Weltmeisterschaft’, und das heißt in Deutschland vor allem: Fußball-Weltmeisterschaft. Das runde Leder gibt einen Anstoß, um den Gedanken einen weiten freien Raum zu eröffnen, sie weit ziehen zu lassen über die Welt, über die die Menschen Meister sein wollen,
auf diese oder jene Weise,
mit Geld oder Gunst,
als Held, mit Kunst,
Gedanken über die Welt, wie sie aussieht, wenn die Menschen sie beherrschen wollen, hin zu der Welt, wie sie Gott mit seinen gütigen und barmherzigen Gedanken ansieht, und wohl auch zu beherrschen vermag.

Es legt sich ja in diesen Tagen die Fülle der Eindrücke vom Sportevent ‚Fußball-Weltmeisterschaft’ wie eine Folie über das alltägliche Bedürfen und Streben, einige Bezirke im Freizeitbereich treten deutlicher hervor - bunt und laut und laut geredet, aber so ist Medienöffentlichkeit heute, wenn sie sich Menschen packt, ob Päpste oder Präsidenten oder Entertainer, ob große Brüder (Big brother) oder Fußballspieler, alles wird - abenteuerlich - eventlich – ausgestellt.

Wir sind gespannt, wie diese allgemeine Aufmerksamkeit dem Sport bekommt und was für die Menschen dabei herauskommt; wir wollen hier – in unserem Sprachlabor Schlosskirche – gelegentlich kräftige Kontrapunkte zum öffentlichen Hauptthema ausspielen und durchaus sympathisierend kontrastieren. Wir hoffen, damit niemand zu verletzen, - ich denke besonders an den kommenden Freitag – oder an einen Titel wie ‚Himmelfahrtskommando’, aber wir gehen dieses Risiko wohl ein.

Heute, wenn wir von der ’gelehrten Zunge’ hören, und von den ’Müden’, zu denen sie zur rechten Zeit spricht, denke ich z.B. weniger an die erschöpften Spieler, die ihr Trainer in der Halbzeit noch einmal aufrüttelt, sondern an die Geschlagenen und Verzweifelten, die zu solcher mehr oder weniger gesunden Körperertüchtigung gerade nicht mehr in der Lage sind, vielleicht an die Dauerverletzten und von der Jagd nach Erfolgen Deprimierten oder an die, die ihren Körper niemals in dieser „normalen“ und doch so wunderbaren Weise haben fühlen und bewegen können.

So lassen sie uns beginnen mit einem herzerfrischenden Morgenlied:

All morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu,
sie hat kein Ende den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag.


Predigt

Liebe Gemeinde,
schlagfertig heißen Menschen mit flotter Zunge, seit die Herren keine Degen mehr tragen und sich damit nicht mehr um ihre Ehre schlagen, - was selbst die schlagenden Verbindungen nur als – möglicherweise apotropäischen – Ritus gegen die Gewalt noch vollziehen, - seit den Tagen des blutigen Duells also, um schöne Frauen oder nur um die Ehre, seitdem ist die Schlagfertigkeit auf die Zunge gerutscht, der subtilsten unserer Waffen anheim gestellt oder anheimgefallen.

Schlagfertig ist nicht mehr der Kombattant, sondern der Debattant, der sich weltmeisterliche Wortgefechte zu liefern vermag, der mit seiner spitzen Zunge die Argumente seiner Gegner zerlegt wie mit einem Seziermesser, der die durchsichtigen Angriffe seiner Gegner wortgewandt ins Leere laufen lässt, schlagfertig ist auch, wer seinem Gegner keine Luft zum Atmen, geschweige denn zum Sprechen lässt.

Solche zungenfertige Schlagfertigkeit wird in den Hallen der Wissenschaften durchaus bewundert und auch gepflegt, gelegentlich sogar prämiert (*) , denn die Lehrer der Wissenschaften schließen nicht ganz zu unrecht von der blitzenden Sprache auf blitzsaubere Gedanken.

Indessen meint der zweite Jesaja nicht vor allem Schlagfertigkeit und blitzende Gedanken, wenn er von sich selbst sagt:

„ Der Herr Herr hat mir eine gelehrte Zunge gegeben, dass ich wisse, mit den Müden zur rechten Zeit zu reden. Er weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr, dass ich höre, wie ein Jünger hört.“

Nicht den blitzenden Geist meint der Prophet, der zu seinem Volk im Exil redet, aber durchaus einen beweglichen Geist, der sein überaus anspruchsvolles Instrument, die Zunge, wirkungsvoll, angemessen zu spielen versteht.

Denn das ist sie wahrhaftig, die Zunge, ein hochsensibles Instrument des Geistes, ja sein ausdrucksstärkstes, nach außen wirksamstes Instrument. Nächst den Augenlidern ist sie sicher das meistbewegte Körperteil, unwillkürlich und willkürlich – und wir merken an ihr auch physische Probleme und Krankheiten sofort und sehr schmerzhaft, und sei es, wir hätten uns nur auf die Zunge gebissen, von der schrecklichen Krankheit des Zungenkrebses nicht zu reden.

Die Zunge ist ein mächtiges Instrument, man kann seiner Zunge regelrecht ausgeliefert sein, manche haben sich schon um Kopf und Kragen geredet, ihre Position verspielt, Freundschaften vergeben und vergiftet mit einem falschen Zungenschlag.
Die Zunge ist ein gefährliches Instrument – es kann Beziehungen zerstören – in einem Augenblick … wir brauchen Schutz für unsere Zunge und Übung, dieses Instrument zu spielen.

Deshalb ist sie auch ein beliebtes Bild der Alltagssprache, die scharfe Zunge, oder die Zunge, auf die man sich beißt, um nichts Falsches zu sagen …

Wir bewegen sie im Mund hin und her – und merken es kaum – zum Glück nicht, wenn wir es merken, ist schon ein Unglück geschehen, verletzt oder verletzend spürbar geworden.

Liebe Gemeinde,
anders als in der Instrumentalmusik spielen alle Menschen dieses Instrument, die Zunge, manche bringen es zu einer wunderbaren Meisterschaft, ihre Rede fließt zu aller Freude, sie sind die Mittelpunkte der Künstlerkreise, die Stars der Vortragsabende, oder auch die Magneten der kirchlichen Redekunst, - nicht von ungefähr heben wir in dieser Kirche in jedem Jahr hervorragende Prediger hervor; aber es gibt natürlich auch Menschen, die es zu einer geradezu schrecklichen, unmenschlichen Meisterschaft im Zungenspiel gebracht haben, Demagogie sagen wir dazu vornehm philosophisch … obwohl die politischen Folgen im Allgemeinen alles andere als vornehm sind.

Weil wir aber alle das Instrument der Zunge spielen, ist es keineswegs gleichgültig, wie Menschen zum Gebrauch dieses Instruments angeleitet werden. Ob sie lernen, die Modulationsfähigkeit der Zunge zu nutzen oder eher wie ein Soloinstrument zu spielen, ob sie ihren eigenen Stil entwickeln oder mit den anderen brüllen, wie die Menge an Karfreitag.

Liebe Gemeinde,
wir sind, so wie wir hier zusammen sind und reden, singen und hören, Begabte – mit einer gelehrten Zunge, aber nicht nur beruflich gelehrt oder durch das Leben belehrt, sondern so, wie wir hier sitzen und hören und singen und dann auch wieder reden werden, sind wir Begabte und Beanspruchte, - natürlich auch vom Leben Beanspruchte, auch Belastete und Gebeutelte, aber vor allem sind wir beansprucht durch das Wort der Bibel, von Gott beansprucht und beauftragt, aufgerufen, herausgerufen, ausgezeichnet!! Ausgewählt!! Ob wir wollen oder nicht, wir haben es gehört und wir können es nicht mehr abschütteln: Es hat etwas mit uns gemacht, es hat unser Herz mit Beschlag belegt; und es ist nicht zum wenigsten das Gefühl, daß wir mit den Müden reden sollten zur rechten Zeit, und daß wir dazu die passende Zunge schon längst haben und gut belehrt worden sind ... dieses Gefühl hat sich, da bin ich sehr sicher, bei vielen von uns schon lange in ihren Herzen festgesetzt und breitet sich immer weiter aus, setzt sich unwiderstehlich durch – hat uns ganz mit Beschlag belegt. Manchmal packt uns dieses Gefühl so fest, dass wir des Guten fast zu viel tun wollen, und die Müden nicht auch einmal in ihrer Müdigkeit allein lassen können, am liebsten die ganze Welt mit unserem Engagement beglücken wollen. Aber das sind Ausnahmen, viel bestimmender ist der Eindruck, dass Sie, die Sie hier sitzen, sich haben ansprechen lassen, sich als Jünger haben rufen lassen, daß Sie solche Worte gehört haben – und etwas darauf geben ... auch wenn es Ihnen alles andere als leicht fallen sollte, dazu zu stehen: Wir sind belehrte Jünger, wir haben nicht nur eine Zunge, die wir so oder so einsetzen, sondern eine Zunge wie solche, die als Jünger ihres Meisters belehrt worden sind.

Liebe Gemeinde!
Es geht also nicht um die durchaus interessante Frage, wer in diesem Bibeltext redet, wer sich als Jünger versteht, als Knecht Gottes vielleicht, als der, der seinen Rücken den Schlägen und Schlägern hinhielt, ob der zweite Jesaja, ein Prophet der Exilszeit, oder ob er das ganze Volk Israel meint oder auf einen kommenden Heiland hofft; es geht, wenn wir dieses Bibelwort hören um uns, um uns, die wir beansprucht sind, durch unsere Zunge und dadurch, dass wir belehrt sind wie Jünger, zum rechten Reden zur rechten Zeit instruiert, belehrt nicht nur durch diesen einen Satz, sondern durch die vielen Sätze, mit denen uns die Bibel in Gottes Welt hineingeführt hat.

Denn dies ist die Art der Herrschaft, die auch mich hierher gebracht hat, für die ich mich einsetze, natürlich mit allen Schwestern und Brüdern im Glauben in einer eigenartigen, weltweiten Gemeinschaft, für die ich mich in meinem Beruf einsetze; sie besteht in Worten, diese Herrschaft, in Worten, die es zu hören, zu lesen, zu finden – und zu behalten gilt, Worte, die diese ganz bestimmte Art der Herrschaft über die Wirklichkeit abbilden, dieses, mit den Müden zur rechten Zeit zu reden, wirksam werden lassen.

Wenn wir solche Worte finden und die rechte Zeit sie auszusprechen, dann spüren wir Gott ganz nahe, den Gott, der sich in Christus den Müden und Beladenen zugewandt, der sich uns in Christus gezeigt hat.

Liebe Gemeinde,
ich habe vom vorgeschlagenen Text absichtlich nur den Anfang genommen, ich wollte nicht vom todesmutigen Gehorsam des Jüngers reden, das führt die Gedanken auf Abwege: Es wirkt nicht nur aufgesetzt bekennerhaft, als seien wir alle meisterhafte Jünger, die die Weisung Gottes gut verstanden haben und tapfer Gottes Welt in dieser Welt zur Geltung bringen. Es ist auch gar nicht unsere Situation:

Wir sind nicht der Gottesknecht persönlich und wir sind natürlich nicht Jesus Christus, obwohl manche Predigt über die ‚Nachfolge der Christen’ so klingt – und wie es ja wohl auch in den Ohren mancher Märtyrer geklungen hat, als sollten wir Christus im Leiden gleich werden.

Unser Zeugenauftrag – unser Martyrium – ist von anderer Art, eben von dieser: Mit den Müden zur rechten Zeit reden; die Worte Gottes, die Worte des Evangeliums zu finden, die den Müden gut tun, das ist unser Auftrag, vielleicht sollte man sagen: Ein Teil unseres Auftrags, der diakonische Teil, neben dem ‚Lehren, taufen’ (...lehret und taufet, Mt. 28, 19) und dem ‚Erinnern’ (‚solches tut, so oft ihr’s trinket, zu meinem Gedächtnis’ ) Worte zu finden, die uns gegeben sind, die vorliegen, die wir aufgreifen können. Es ist keine Überforderung der Helfer im Amt oder Ehrenamt, wenn wir uns den Worten öffnen, die uns immer schon gegeben sind, um mit den Müden zur rechten Zeit zu reden. Wir brauchen auch nicht eigentlich tiefere psychologische oder psychotherapeutische Kenntnisse, wiewohl sie nicht unbedingt stören, wir müssen uns in die Worte einleben, die uns im Evangelium gegeben sind, das prägt unsere Person, dann werden wir auch die richtigen Worte zur rechten Zeit finden – und zur rechten Zeit zu schweigen wissen.

Ich lasse uns heute gerade deshalb das thematisch passende Lied von Jochen Klepper nicht singen, das diesen Bibelvers so treffend verdichtet „Er weckt mich alle morgen“; ich habe es auf zu vielen Pfarrkonventen gehört und mitgesungen, und immer wieder die Überforderung der versammelten Pfarrer herausgehört, deshalb meide ich diese schöne Dichtung mit der Vertonung, die man wie einen Walzer singen könnte … ein klassischer 3/4-Takt – wenn man sich nicht selbst zu müde fühlte, um noch gute Worte zu finden.

Denn das ist eines der Merkmale, an denen wir die Müden erkennen oder uns selbst als müde: Wenn uns die guten Worte Gottes keine Hoffnung mehr geben, wenn wir nicht mehr darauf hoffen, dass Gott unser Hirte ist und uns jenseits aller unserer Verdienste zu seinem Volk, zur Herde seiner Weide rechnet; wenn wir nicht mehr daran zu glauben vermögen, dass Christus die Welt überwunden hat – und damit auch unsere Angst, wenn wir jenes „ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“ nicht mehr in unserem Leben finden, weil es von so viel Geschäftigkeit verschüttet ist, müde, weil uns die Erzählung von der Nähe Gottes nicht mehr herausführt aus der Verzweiflung über die unendlichen Leistungsforderungen, die unser Leben bestimmen, wenn wir uns nicht mehr als die im Leben Verlorenen und doch bei Gott Geborgenen empfinden können.


Liebe Gemeinde,
Sie werden denken: nun sag’ uns doch endlich, wie das geht, mit den Müden zur rechten Zeit zu reden, drück Dich nicht darum herum. Um was geht es? Hast Du uns kein Seelsorge-Handbuch? Das ist doch Deine Aufgabe! Oder wenigstens ein paar Ratschläge?

Also gut, vier Hinweise – oder fünf, wenn Sie nicht vergessen, dass es wirklich vor allem um das Leben im Geist des Evangeliums geht, der aus seinen Worten quillt, ehe Du dich versiehst; wenn sie das nicht voraussetzen, dann nützen ihnen auch die Ratschläge nichts; es ist wie bei jeder Kunst oder jedem professionell betriebenen Sport, man muß es wie im Schlaf können, es muß in Fleisch und Blut übergehen.

Nun also fünf Beobachtungen für das Reden mit den Müden:

Mit den Müden redet man nicht laut – und von sich selbst nur ganz vorsichtig – und keinesfalls mit der Selbstgewissheit, die den Gesunden manchmal zu Gebote steht, aber die Sache der Müden nicht ist. Müde Menschen sind selten laut, allenfalls wenn sie sind wie übermüdete Kinder …Müde Menschen haben empfindliche Ohren, denen gute Ratschläge einfach weh tun.

Mit den Müden redet man nicht grundsätzlich, das ist ja auch nur eine andere Weise, laut zu reden; man hört mehr, als dass man redet, aber man weiß viel, man hofft viel und bittet viel für den Müden, aber die gelehrte Zunge behält es für sich, dass sie weiß, dass das Leben beschwerlich werden kann – und dennoch getragen ist. Und die Müden spüren diese Gewissheit – und lassen sich durch die Gegenwart oder die geschriebene Nähe trösten, so Gott will.

Nach Gottes Willen rechnet man mit der Kraft auch der Müden, schiebt sie nicht von vornherein diagnostisch ins Abseits; der kann nicht mehr, der ist fertig, der muß froh sein, wenn er sich an seinem Glauben noch halten kann. Man kann die Müden im Gespräch auch vom Platz stellen.

Ob man mit einem Müden zur rechten Zeit geredet habe, dass erfährt man allenfalls hinterher; es ist ein Reden, das sich vom Gedanken des Erfolgs völlig befreit hat – und trotzdem weiß, daß es besser oder schlechter wirken kann.

Und ein letztes: Das rechte Reden mit den Müden zur rechten Zeit erschöpft gerade nicht, sondern es führt an die Quelle und in die Fülle der guten Worte Gottes, die auch ein beschwertes, ein leidvolles Leben stärken können, das Leben des Müden, aber erst recht das Leben dessen, der wie ein Jünger zu reden versucht und dazu aus der Quelle der Worte Gottes schöpft.


Liebe Gemeinde,
wer nie müde gewesen ist, so dass er am Sinn seiner Arbeit und seiner Tage und an der quälenden Nähe seiner Nächsten schier verzweifelte, weil sie ihn drückte und an der heilsamen, weil er diese Nähe des lieben Nächsten nicht finden konnte, für den kommen solche Worte, mit denen Christus unter uns ist, vielleicht zur Unzeit, noch zu früh – und die Ratschläge nützen ihm überhaupt nichts, denn der kann sich nicht vorstellen, wie die tröstenden Worte der Bibel eine heilsame Meisterschaft über menschliches Leben begründen können; darum ist der Glaube schon eine Sache vor allem älterer Menschen. Aber die Schatten, die die sportlichen Ereignisse voraus werfen, zeigen, dass auch jüngere, auch sehr junge Menschen unter die Müden fallen können – und es gibt viele junge Menschen, die sich an die Trostworte halten:
„Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben …“, wem dieses Wort zu Herzen geht, der hadert vielleicht nicht mehr so sehr, wenn er fühlt, wie wenig er durch seinen Einsatz bewegen kann, und freut sich an der belebenden Wirkung, die er oder sie im Leben anderer ausüben kann, und sei es nur wie belebende – nicht betäubende – Früchte des Weinstocks – es ist die Frage, ob uns als Menschen mehr gegeben ist als dies, dass wir anderen zur Stärkung werden wie ein mäßiger Schluck Wein, wie im Abendmahl, - und so doch in der Nachfolge Christi.

Es ist gut, sich im Gegenüber zur Meisterschaft menschlicher Kraft immer wieder auf diese andere – keineswegs bescheidene, aber den Menschen beschiedene – Sicht der Wirklichkeit zu besinnen, die Gottes Wort vermittelt, das Wort, das sich um die Müden kümmert, aber nicht wie um kranke Kinder, die wieder gesund werden müssen und meist auch können, sondern als Zeugen der Verletzlichkeit, die zum menschlichen Wesen gehört, das nur in Gottes Wissen um unsere Schwäche rechten Schutz findet. Amen.

Als Lied vor der Predigt werden wir die Taizé-Gesänge ‚Bleibet hier und wachet mit mir’ und danach ‚Bleib mit Deiner Gnade bei uns’ singen (im Rhein. Regionalteil 585 und 586)

(*) Zwei Bonner Studenten wurden soeben Debattier-Europameister.

Universitätsprediger Prof. Dr. Reinhard Schmidt-Rost
r.schmidt-rost@ev-theol.uni-bonn.de

 


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