Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Heiliges Christfest I, 25. Dezember 2006
Predigt zu Lukas 2, 1-14, verfaßt von Erik Dybdal Møller (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Wenn man einmal davon absieht, dass die meisten Menschen sicher bestimmte Assoziationen haben, wenn sie das Weihnachtsevangelium, wie Lukas es schreibt, hören, Assoziationen an etwas, was irgendwie mit ewas Süßem zu tun hat, - davon einmal abgesehen ist die Erzählung im Grunde merkwürdig und voller Widersprüche. Selbstverständlich ist es doch so, dass niemand unter uns von dem, was wir im Zusammenhang mit Weihnachten gehört und erlebt haben, unbeeindruckt wäre.

Da ist die scheinbar enorme Macht des Kaisers, und dann ist da Gottes verborgene Allmacht. Da ist das triviale Leben der Hirten mit nächtlichen Wachen. Es ist bestimmt nicht das erste Mal, dass sie Wache halten. Und dann ist da die Erscheinung der Engel, mit einer Botschaft, die all das Triviale auf den Kopf stellt. Es geschieht etwas direkt, und es geschieht etwas im Verborgenen.

Alles ist in gewisser Weise beim Alten, und alles ist dennoch neu. Diesen Widerspruch wird niemand jemals wirklich verstehen, aber so ist es.

Eine große Freude, sagte der Engel zu den Hirten, wird allem Volk widerfahren. Alle ohne Ausnahme werden sich über den Heiland freuen, der geboren ist, – er, der Christus, der Herr ist. Und eine größere Freude gibt es nicht, selbstverständlich nicht, denn er, den Propheten geweissagt hatten, von dem weise Väter gesprochen hatten, der wunderbare König, auf den man so lange gewartet hatte, war gekommen. Und dass Gott ihn gesandt hat, bewirkt, dass die Worte ”allem Volk“ bedeuten: für die ganze Welt, für alle Menschen, die auf der Welt sind, weil die Welt alles ist, inwendig und auswendig, was Gott geschaffen hat. Für alles und alle wird die Freude sein. Und das sagt der Engel zu einer kleinen Gruppe von Hirten irgendwo in der Nähe von Bethlehem, von Hirten, die sich gewiss eher draußenvor als drinnen fühlen, jedenfalls im Verhältnis zu vielen anderen Menschen. Eine so große Botschaft an eine so kleine Schar! Und ein Zeichen für all diese Freude und Bedeutung werden die Hirten finden, ein Kind, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend. Von allen denkbaren Orten ist es ein Stall, in dem der Heiland liegt, über den alle Welt sich freuen wird, weil niemand Platz hatte, weder für das Kind noch für seine Eltern.

Und so sind mit der Geburt dieses Kindes Gottes Verheißungen an sein Volk in Erfüllung gegangen, Verheißungen der Freude und des Segens, von Zeiten, die kommen werden, wenn Gott seinen König sendet, der sein Reich verwirklichen wird. Und vorläufig gibt es nicht viele Menschen, die das wissen. Niemand von denen, die auch nur ein wenig Macht haben z.B. Und auch niemand von denen, die im Tempel die Verantwortung für die Rede von Gott haben. Da sind nur die Hirten auf dem Felde und Maria und Joseph. Und sie bedeuten so wenig, dass niemand ihnen einen Platz hat geben können. Fast ebenso wenig bedeuten sie wie die Hirten, von denen wir keinen einzigen mit Namen kennen. Und das ist voller Widersprüche!

Aber die Verheißungen Gottes erfüllen sich auf eine Art und Weise, mit der niemand gerechnet hatte. Nicht so, dass Stürme über die Länder fegten oder Paläste über den ungerechten Machthabern, die in ihnen wohnen, einstürzten. Nicht so, dass neue politische Systeme eingeführt oder neue Absprachen getroffen würden, jetzt, wo das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist. Gottes Verheißungen werden dadurch erfüllt, dass er selbst sich unter die Bedingungen von Menschen begibt, um in ihrer Nähe zu sein in ihrer Ausgesetztheit und Hilflosigkeit. Ein Säugling wurde der Herr des Himmels, so ein Kleiner, der nicht viele Stunden würde überleben können, wenn ihm nicht Wärme und Fürsorge gegeben würde. Jesus kommt in die Welt, wo es höchst ungelegen ist, wo es keinen Platz oder Bedarf für ihn gibt unter Menschen, die weder selbst gewählt haben, wo sie sein wollen, noch über sich selbst bestimmen können.

Die Widersprüche häufen sich. Jesus kommt in die Welt unter den denkbar schlechtesten Umständen, außerhalb der Gemeinschaft, von der wir in der Regel annehmen, sie sei der beste Rahmen für das Leben des Einzelnen wie der Familie oder des Geschlechts. Ein Kind, dessen Chancen, und wenn es nur ums Überleben ginge, sich von Anfang an äußerst gering ausnehmen. Von ihm wird gesagt, er sei der Erlöser der Welt, Christus, der Herr, der uns von der Macht des Todes und der Finsternis befreien und uns zu dem Leben zurückführen wird, das zu leben wir von Anfang an geschaffen waren. Seine Geburt ist die große Freude, die allem Volk widerfahren wird, und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.

Eigentlich wissen wir nichts darüber, welche Gedanken den Eltern oder den Hirten durch den Kopf gehen. Wir wissen nicht, ob sie von Freude überwältigt oder von Angst um des Kindes willen erfüllt sind, oder von Angst um ihrer selbst und der Zukunft willen. Aber es ist ganz deutlich, dass Lukas, der von dem Ereignis berichtet, seinerseits überzeugt ist, dass das, was da erzählt wird, die Verwirklichung des Willens Gottes ist. Andernfalls hätte er vielleicht mehr über die Gedanken der Hirten bei dem allen gesagt, oder darüber, was Maria und Joseph wohl zueinander gesagt haben mögen. Das ist dem Lukas so innerlich gleichgültig. Alles, was wichtig ist, ist in seiner Erzählung enthalten, und das ist die Geburt des Kindes. Alles dreht sich um den Erlöser in der Krippe, er ist der Mittelpunkt der Ereignisse. In ihm ist Gott selbst gegenwärtig in unserer Welt und mitten in unserer Ohnmacht und unserem Ausgeliefertsein. Wir sehen unsere eigenen Bedingungen im Eingang dieses Kindes in die Welt.

Und vor ihm liegt also nun das Leben, das Gott bestimmt hat. Es wird kein langes Leben sein, und in vieler Hinsicht auch kein gutes Leben. Aber es ist ein notwendiges Leben. Es gab eigentlich kaum jemanden, der sich zu ihm bekennen wollte, als er zur Welt kam, und fast gar niemanden, als ihm die Auslieferung zum Prozess bevorsteht. Die Widersprüche nehmen kein Ende. Er wandert durch Ablehnung und Einsamkeit. Und dabei ist es dieser Mann, der die Seligkeit aller Menschen in seinen Händen hält. Weil sein Leben, von Anfang bis Ende, von Gottes Wohlgefallen umschlossen ist. Zwar vermag niemand es recht zu sehen; aber überall befindet er sich in den schützenden Händen Gottes, auf dem ganzen Weg durch Tod und Finsternis zum Licht und zum Leben. Er kam mit dem Wohlgefallen Gottes und dem Frieden Gottes. So war es. Möglicherweise wäre es einfacher zu handhaben gewesen, wenn er gekommen wäre, um Wünsche nach einem passenden Wunschzettel zu erfüllen. Z.B. gute Wünsche nach einer Abschaffung von Krieg. Aber der Friede Gottes beseitigt nicht zu allererst die Unruhe und die Unsicherheit der Menschen; er besteht nicht darin, dass Menschen damit rechnen können, dass ihnen geschieht, wie sie es sich wünschen, und dann alle Sorgen weg sind. Der Friede Gottes besteht darin, dass Menschen sein Wohlgefallen haben, wo auch immer sie sich aufhalten und ohne Rücksicht darauf, ob sie sich dessen so ganz bewusst sind oder nicht. Und das kann wohl enttäuschend sein.

Hätte man Maria und Joseph gefragt, was sie sich wünschten, dann hätten sie sich sicherlich gewünscht, in Nazareth in gewohnter Umgebung bleiben zu können, so dass Marias Kind hätte zur Welt kommen können, umgeben nicht von fremden Hirten und Tieren des Stalls, sondern von Familie und Freunden. Und hätte man die Hirten gefragt, was sie sich wünschten, dann wäre es kaum ein Erlöser gewesen, der in der Gestalt eines kleinen Kindes bestimmt nicht so aussah, als könnte er irgend jemanden erlösen. Würden sie sich nicht etwas wünschen, was sie aus ihrer Armut befreien könnte, anstelle eines kleinen Kindes, das dort in der Krippe eher ihnen selbst glich in ihrer Ohnmacht und in ihrem Elend?

Die Widersprüche bestehen, aber trotzdem sind es die Hirten, die sich von allen anderen Menschen unterscheiden, von denen das Weihnachtsevangelium erzählt, denn die Hirten hörten laut und deutlich die Verkündigung, dass eine große Freude in ihr Leben kommen werde. Eine Botschaft, die man selbstverständlich als eine große Sinnlosigkeit betrachten kann, zumal die Freude gewiss nichts daran ändert, dass sie auch morgen hinaus auf das Feld gehen und Wache halten müssen; und trotzdem, die Worte, dass ein Heiland geboren ist, enthalten doch so viel Geborgenheit, weil sie zu ihm, von dem die Engel sangen, zu ihm, den sie dann in der Krippe sahen, der ihren eigenen Kindern zum Verwechseln ähnlich sah, den Hirtenkindern, die sich nicht selbst erlösen können, hingeleitet wurden. Und von dort gingen sie zurück ins Leben, dorthin, wo sie zu sein hatten, aber nicht ohne dass er mit ihnen gewesen wäre.

Wir haben keine Garantie dafür erhalten, dass wir für etwas geschont würden; aber wo immer wir sind, so ist er mit uns, und damit sind wir doch immer dort, wo wir sein sollen. Darin steckt Weihnachtsfreude, denn dann ist mein und dein Leben ja gut genug, so widerspruchsvoll es auch sein kann. Ob wir in der Burg oder in der Hütte sind, Gott ist bei uns. Darüber kann man sich nur freuen. Für den Rest müssen wir selbst sorgen.

Amen

Sognepræst Erik Dybdal Møller
Rungstedvej 9
DK-8000 Århus C
tel.: 86 14 71 15
e-mail: edm@km.dk

Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier

 


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