1. Sonntag nach dem Christfest, 31. Dezember 2006 |
44 Jesus aber rief: Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat. An diesem Tag des Jahres blicken wir zurück auf das vergangene Jahr. Nur noch wenige Stunden bleiben uns im Jahr 2006. Jeder kann heute seine ganz persönliche Bilanz für dieses Jahr ziehen. In den letzten Tagen des Jahres wurden viele Jahresrückblicke im Fernsehen ausgestrahlt. In solchen Rückblicken wird nicht nur der Jahreshöhepunkt, die Fußball WM im eigenen Land erwähnt, sondern auch schlimme Ereignisse und Katastrophen gezeigt. Positive Meldungen können dann zurücktreten. Natürlich berühren uns die schlimmen Ereignisse besonders. Deshalb ist es auch verständlich, dass sie noch einmal erwähnt werden. Es kann aber leicht der Eindruck hängen bleiben, dass es wieder kein allzu gutes Jahr war. Wer in den letzten Tagen des Jahres gern Radio hört, erlebt etwas anderes. Egal ob wir FFH, HR 1, HR 3 oder HR 4 hören, ob englische oder deutsche Lieder gespielt werden. In den meisten Liedern geht es um Liebe. Vor allem die Weihnachtspop- und Schlagermusik ist voll davon. Während schlimme Ereignisse eher in Wort und Bild festgehalten werden und sich so einprägen, treibt die Liebe anscheinend eher zur Darstellung in harmonischen Klängen an. Sicherlich ist die Wahrnehmung über Bilder stärker. Doch es zeigt sich, dass das Hören genauso wichtig ist. Um das Hören geht es auch in unserem Predigttext. Jesus verschafft sich Gehör. Der Predigttext findet seinen Platz in der ausgehenden Weihnachtszeit, weil Jesus davon spricht, dass er in die Welt gekommen ist als ein Licht, damit die Menschen nicht in der Finsternis bleiben. An Weihnachten haben wir gefeiert, dass sich mit dem Kind in der Krippe etwas Besonderes ereignet hat, das in dem Licht besteht, das die Finsternis nicht mehr so finster erscheinen lässt. Worin besteht dieses Licht? Der Predigttext setzt die Botschaft von Weihnachten fort. Das Licht besteht in dem Gebot, das Jesus von seinem Vater empfangen hat. Das Gebot des Vaters erfüllt er, indem er darin redet und handelt. Jesus wurde deshalb vom Vater gesandt, damit er dieses Gebot in die Welt bringt. Er zeigt uns zwar dieses Gebot, aber es ist dennoch schwer danach zu leben. Wie schwer das für die Menschen ist, darum geht es im Roman „Simplicius Simplicissimus“ von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen. Er erzählt die abenteuerliche Geschichte ebenjenes Simplicius. Simplicius heißt übersetzt der Einfältige und so belächelt er auch selbst seine naive Sicht der Dinge. Als zehnjähriger Knabe erlebt er in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges einen Überfall auf den elterlichen Bauernhof im Spessart und flieht in den Wald, wo er Aufnahme bei einem alten Eremiten findet. Bei ihm lebt er zwei Jahre und wird gemäß der christlichen Lehre erzogen. Hier lernt er die 10 Gebote und das Gebot der Nächstenliebe kennen und übernimmt sie als Richtschnur für sein Leben. Als der Eremit stirbt, kommt er nach Hanau und wird Haushaltshilfe im Haus des Stadtkommandanten. Weil er in seiner Unschuld jedem die Wahrheit ohne Scheu sagt und die Verhältnisse an den erlernten Geboten misst, wird er mit einem Kalbsfell gekleidet und zum Narren erkoren. In der Welt muss er erkennen, dass die Menschen nicht nach Gottes Geboten leben. Vielmehr machen sie sich selbst Götter wie früher das Volk Israel in der Wüste, das von Gott abfiel und Götzen anbetete. Eigentlich sind die Gebote Gottes dafür gedacht, dass sie gelebt werden. Die zehn Gebote wurden erteilt, damit das Volk zu Gott zurückkehrt, sodass es nicht in der Wüste verbleibt, sondern seinen Weg ins gelobte Land findet. Nach Simplicius wären die zehn Gebote eigentlich gar nicht nötig, weil jeder, der den wahren Gott erkannt hat, ihn auch ehren und anbeten müsste. Aber er muss einsehen, wie naiv sein Denken ist. Als er vom Eremitenleben in die Welt zurückkehrt, erkennt er: Wenn die Gebote nicht eingehalten werden, dann wird aber auch nicht mehr Gott geehrt. Deshalb stellt Simplicius weiter fest: Simplicius hält in seiner einfältigen Art den Menschen seiner Zeit und auch uns den Spiegel vor. Er sieht, dass Gottes Gebote missachtet werden. Lieber machen sich die Menschen ihre eigenen Götter. Vor allem in Familien sieht er viel Zwietracht, Hass, Missgunst und Streit. Gerade haben wir Weihnachten als Fest der Familie hinter uns gebracht. In vielen Familien gab es nicht nur Harmonie und Freude, sondern auch Zwietracht und Streit. Aus Streit kann Schlimmeres entstehen. Seinen traurigen Ausdruck fand das an Heiligabend in Erfurt, als eine Mutter ihr fünfjähriges Kind umgebracht hat. Der Tötung des Kindes war, wie die Polizei ermittelt hat, Streit zwischen den Eltern vorausgegangen. Und Streit in Familien ist wirklich nichts Seltenes. Wenn wir einsehen, wie schwer es ist, nach Gottes Geboten zu leben, zeigt das nur, wie sehr wir sie nötig hätten. Wie wertvoll und wichtig Gebote sind, das lässt sich vor allem in der Erziehung erkennen. Gebote sind nicht dazu da, dass Menschen Macht über andere Menschen haben. Vielmehr ermöglichen sie erst das Zusammenleben zwischen den Generationen. Kinder sollen sich an Regeln halten und genauso müssen sich auch Eltern an Regeln halten. Wenn das Zusammenleben zwischen den Generationen so schwierig geworden ist, dass das Zusammenleben kaum noch funktioniert und Kinder und Jugendliche als schwer erziehbar gelten, dann ist erst recht die Einhaltung von Regeln und Geboten entscheidend. Sozialarbeiter haben dann die Aufgabe, den Sinn der Einhaltung von Regeln und Geboten auf Seiten der Kinder und der Eltern deutlich zu machen. Wer das in jungen Jahren einsieht, wird später seinen Platz in der Gesellschaft finden und zufriedener leben können. Liebe Gemeinde! Gott versucht sich Gehör zu verschaffen, genauso wie es auch Eltern gegenüber ihren Kindern bei der Erziehung tun müssen. Mit dem Kommen von Jesus Christus erneuert Gott sein Gebot. Der Vater, der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben, was ich tun und reden soll. Und Jesus sagt an anderer Stelle: Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. (Joh 15,12) In diesem Gebot ist das Wesentliche des Christentums gesagt. Es wird von Jesus in unserem Predigttext fortgesetzt. Und ich weiß: sein Gebot ist das ewige Leben. Dieses Gebot gilt nicht nur in diesem Leben, sondern gilt vor Gott für immer. Wie gut ginge es uns Menschen im neuen Jahr, wenn wir es uns ganz zu Eigen machen könnten? Der einfache Simplicius hat uns den Spiegel vorgehalten. Wir Menschen machen uns gern unsere eigenen Götter. Es wäre heilsam, wenn uns das Gebot Gottes durch das neue Jahr begleiten würde. In wenigen Stunden geht das Jahr 2006 zu Ende. Jeder kann in den letzten Stunden das Jahr noch einmal Revue passieren lassen und ganz persönlich Bilanz ziehen. Ein neues Jahr fängt an. Es gab manche Dinge, die gut liefen und manche, die schlecht waren. Bei einem Jahresrückblick im Fernsehen bleiben leicht die negativen Ereignisse hängen. Wenn wir aber Radio hören, dann fällt auf, dass sich die Liebe eher in Liedern zum Ausdruck bringen lässt. Mit seinem Gebot zeigt uns Gott seine Liebe. Mit der Erfüllung seines Gebots sollten wir darauf antworten. Die Lieder, die wir im Gottesdienst singen, handeln von der Erfüllung seines Gebots. Wenn wir diese Lieder singen, antworten wir damit auch auf seine Liebe. Lassen Sie uns im neuen Jahr diese Lieder manchmal mitsummen. Dann geht vieles leichter. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. Lied nach der Predigt: So jemand spricht, EG 412,1-4 Pfarrer Dr. Frank Fuchs |
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