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Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Sonntag/Feiertag: 2. Sonntag nach Weihnachten
Datum: 4.1.1998
Text: Text: Jahreslosung 1998, Eph 5,2
Verfasser: Pastor Hellmut Mönnich, Göttingen


Vorbemerkung

Anregung zu diesem Entwurf: ZUM BEISPIEL. Zur Jahreslosung 1998 (Wischnath/ Schmeel) in: Zeitschrift für Gottesdienst und Praxis, 16. Jahrgang Heft 1, Gütersloh 1997

In der Friedenskirche werden die Predigten von P. Mönnich nicht vorgelesen, sondern auf der Grundlage des Entwurfs wird in mündlicher Rede frei gepredigt.

Predigt

Text: Jahreslosung 1998 "Lebt In der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat." (Eph 5,2)

"Ein schöner Wunsch" hat vielleicht eben jemand beim Vorlesen gedacht. Wenn er nicht gar gedacht hat: "ein frommer Wunsch!". Dazu paßt, daß mir eine ältere Frau beim Neujahrs-Empfang sagte als die Jahreslosungskarten verteilt worden waren: "So einfach ist das nicht." Nein. So einfach ist das wirklich nicht.

Ende des vergangenen Jahres hat das Institut für Demoskopie in Allensbach die Stimmung in Deutschland untersucht. Dabei kam heraus: Viele Deutsche haben Angst. Sie fürchten um ihren Arbeitsplatz, ihre soziale Sicherheit, halten die eigene Zukunft für nicht sicher. Als Grundstimmung wurde festgehalten: Die Deutschen wirken verzagt, wirken mutlos. Jeder zweite Befragte hält soziale Unruhen für möglich. Rund ein Drittel aller Bürger, vorwiegend Alte, Arbeitslose und einkommensschwache Menschen leben nicht mehr in materiell gesicherten Verhältnissen. Armut, die viele im Lande schon für überwunden hielten, ist wieder da und wird sichtbar und nagt am Konsens der Gesellschaft. Noch nie in 50 Jahren Bundesrepublik wurde die Kluft zwischen Arm und Reich als so ungerecht empfunden wie im abgelaufenen Jahr 1997: Die Zahl der Arbeitslosen nähert sich der Rekordmarke von 5 Millionen, die Löhne steigen langsamer als die Preise, und neben drückenden Sozialabgaben müssen die Arbeiter jetzt noch eine höhere Mehrwertsteuer verkraften. Parallel dazu explodieren die Aktienkurse, die Besserverdienenden heimsen an den Geldmärkten satte Gewinne ein, und ein kompletter Bankvorstand muß zurücktreten, weil die hochmögenden Herren - wie es die Süddeutsche Zeitung formulierte - im Verdacht stehen, im großen Stil Steuern hinterzogen zu haben.

Für diese Zeitsituation also ist die Losung ausgesucht worden "Lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat". Rührend harmlos? Nur eine andere Formulierung für "Seid nett zueinander"?

Im Brief an die Christen im Ephesus im neuen Testament endet der für die Losung herausgesuchte Satz mit einem Komma und geht dann so weiter: " und hat sich selbst für uns gegeben".

Damit kommt sein grausiger Kreuzigungstod ins Spiel. Und damit hat die Losung ihre Harmlosigkeit verloren. Jesus Christus zahlte für seine Art zu leben, zu reden und zu handeln mit seinem Leben. Und unter Lieben verstand er nicht einfach "nett sein". Was er darunter verstand, ist z.B. an Sätzen der Bergpredigt zu verstehen, wo selig - d.h. in Gottes Augen "richtig" - diejenigen genannt werden, die sanftmütig sind (ein Wort, das man heute kaum noch braucht); die barmherzig sind (nicht auf ihrem Recht beharren); die friedfertig sind (und nicht nur durchsetzungsbereit). Mit solchen Vorstellungen paßte Jesus so wenig in seine Zeit und ihre politische Situation wie sie in unsere Zeit zu passen scheinen. Er wurde umgebracht. Soll man sagen: als nicht passend aus dem Wege geräumt? Als dann die Anhänger Jesu ihn nach seinem Kreuzestod lebendig sahen und erlebten, wurden ihnen die Augen geöffnet: Dieses Leben Jesu ist nicht dem Tod und Vergessen verfallen. Nein: Gott zeigte, daß dieses Leben in seinen Augen das richtige ist. Ja, Gott liebt diese Welt gegen alle Hindernisse, trotz allem. Trotz allem Widerstand von uns Menschen.

Eine meiner Meinung nach unvergessliche Beschreibung Gottes und von uns Menschen steht im Ersten, im Alten Testament. Da heißt es im Prolog vor der Sintflut: "Als aber Gott sah, wie groß der Menschen Bosheit auf Erden war, und das jegliches Gebilde seiner Herzensgedanken - so kann man das übersetzen - nur noch böse war allezeit, da reute es Gott, daß er den Menschen auf Erden gemacht hatte, und er bekümmerte sich in seinem Herzen. Und Gott sprach: Ich will den Menschen, den ich geschaffen habe, vom Erdboden wegtilgen, vom Menschen bis zum Vieh, bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln des Himmels, denn es reut mich, daß ich sie gemacht habe. Noah aber fand Gnade vor den Augen Gottes." Und dann bringt Gott - so schildern es die Verfasser dieser Bilder-Geschichte (die ja nicht mit einer journalistischen, exakt recherchierten Reportage verwechselt werden will) - die Menschen um. Und dann läßt der Epilog Gott sprechen: "Da sprach Gott bei sich selbst: Ich will die Erde nicht noch einmal um des Menschen willen verfluchen, denn die Gebilde des menschlichen Herzens sind doch böse von Jugend an; so will ich nicht noch einmal alles Lebendige vernichten, wie ich getan habe. Hinfort, solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht."

Das soll doch heißen: Mit solchen mangelhaften Menschen - sind wir das nicht auch? Nämlich zu allem Guten und zu allem Furchtbaren in der Lage! - mit solchen mangelhaften Menschen bevölkert Gott seine, unsere Welt. Die er liebt.

In diese Welt hinein wurde Jesus geboren, der Stellvertreter Gottes. Der Mensch, an dem Gottes Freundlichkeit und Liebe anschaulich wurde, "Wort und Gestalt seiner Herrlichkeit, Abglanz und Gleichnis seiner Treue" wie es ein holländischer Katholik formulierte. Dafür steht für mich Jesus: für Liebe unter Einsatz des Lebens. Und wie am Ende der Flutgeschichte formuliert und wie am Leben und Sterben Jesu erkennbar geworden ist: Gott nimmt uns so, wie wir sind und traut uns zu, diese schreckliche und doch auch schöne Welt zu lieben entsprechend seiner Liebe. Gott traut uns das zu. Gott lädt uns dazu ein. Deshalb: "Lebt in der Liebe wie auch Christus uns geliebt hat." Und nun liegt es an uns, unseren Kopf, unsere Fantasie, unseren Mut und unseren Willen zu gebrauchen, um das zu versuchen, 1998, mitten in Deutschland. Als Christen.

Hellmut Mönnich, Burg Grona 53, 37079 Göttingen, Telefon 0551/61175 oder/68611


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