Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Sonntag: Laetare
Datum: 22.3.1998
Text: Epheser 5, 1-8a
Verfasserin: Hildegard Hamdorf-Ruddies


Predigttext:

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber geströstet werden von Gott. Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus.
Haben wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so geschieht es zu eurem Trost, der sich wriksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben.

Liebe Gemeinde,

Trost ist genauso lebenswichtig wie Brot. Wir sind eine Trostgemeinschaft, schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth, die davon lebt, von Gott Trost zu empfangen und andere zu trösten..Wie ein roter Faden durchzieht die Rede vom Trost diesen Abschnitt aus dem Anfang des 2. Briefes an die Gemeinde in Korinth .

Trost - das ist ein Wort, das in unsererAlltagssprache nicht häufig vorkommt. Und wo es vorkommt, hat es eher einen negativen Beigeschmack: Trostpreis - Trostpflaster trostlos- Vertröstung - nicht ganz bei Trost sein -sich über etwas hinwegtrösten. Als ginge es bei Trost und trösten darum, über etwas hinwegzugehen, was schmerzt, von Gefühlen wegzukommen, die unangenehm sind.

Wer ist schon gerne trostbedürftig? Können Sie sich erinnern, wann Sie zum letzten Mal den Wunsch verspürt haben, von jemandem getröstet zu werden? Erinnern Sie sich, ob Sie jemand getröstet hat? Fällt Ihnen eine Situation ein, in der Sie jemand getröstet haben? Können wir es uns leisten, nach Trost zu suchen? Können wir zugeben, nicht "bei Trost zu sein" sondern Trost zu brauchen?

Kinder können das gut. Wenn unsere sechsjährige Tochter sich wehgetan hat und sich nicht genügend verstanden fühlt in ihrem Schmerz, kann sie sehr heftig werden. "Du tröstest mich ja überhaupt nicht!" schimpft sie dann und klagt damit den Trost, den sie braucht, ein.

Aber wir Erwachsenen? Wir haben es sehr viel schwerer, uns und anderen einzugestehen, daß wir trostbedürftig sind. Wir tun uns schwer, anderen zu sagen, wenn es uns schlecht geht. Es ist fast peinlich, andere Menschen zu brauchen. Und so bleiben wir ungetröstet. Bleiben allein mit der ungestillten Sehnsucht, jemand möge uns zuhören, uns in den Arm nehmen, uns unsere Tränen abwischen. Bleiben trostlos allein mit unserem Kummer. Allein in unserer Trübsal.

Für Paulus ist es keine Frage, daß er und seine Weggenossen trostbedürftig sind und ebenso klar ist es, daß die Christen in Korinth, an die er schreibt, Trost nötig haben. Er schreibt: "Gelobt sei der Gott alles Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir trösten können, die da sind in allerlei Trübsal mit dem Trost, mit dem wir selbst getröstet werden von Gott.." Gott tröstet uns damit wir andere trösten können. Die Christen in Korinth das weiß er - mögen diese Töne nicht. Trübsal und Trostwaren sind für sie keine angenehmen Töne. Sie wollen eine strahlende, starke Religion, die in der Konkurrenz mit anderen Religionen gut dasteht. Sie wollen einen starken Apostel. Sie hätten ihren Paulus gern strahlender gehabt, nicht als jemand, der so offen von seinen Schwächen und seiner Trostbedürftigkeit spricht. Trübsal blasen, mögen sie nicht. Sie wollten lieber vom auferstandenen Christus hören als von seinen Leiden und seinem Kreuz. Sie möchten auch nicht an ihre eigenen Schwächen und Bedürftigkeiten, an ihre Trübsal erinnert werden.

An diesem Punkt setzt sich Paulus mit seinen Korinthern leidenschaftlich auseinander. Der ganze 2. Korintherbrief ist von dieser Auseinandersetzung geprägt. Der Trost, den wir nötig haben, Trost, der wirklich tröstet,- schreibt er - kommt nur von dem, der selbst durch Leiden und Tod hindurchgegangen ist. Trost ist billiger nicht zu haben: "Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus".

Paulus weiß um die Brüchigkeit des Lebens. Er hat selbst immer wieder bitter erfahren müssen, wie bedroht von außen und von innen sein Leben war. Er kennt die dunklen Abgründe, kennt Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Und jeder, der solche Situationen kennt, weiß, daß dann keine billigen Kopf-Hoch-Parolen helfen. Trösten kann dann nur, wer selbst um seine Trostbedürftigkeit weiß und sich trösten läßt.. Jemand, der weitergibt, was er selbst empfangen hat. Ein trostloser Tröster, wer versucht zu trösten, ohne selbst getröstet zu sein. Wer geben will ohne zu empfangen kann nicht wirklich trösten. Tröstlicher Trost geschieht, wo jemand etwas weitergibt, von dem er selbst lebt, was er selbst erlebt hat.

Ein tschechischer Journalist, der unter der kommunistischen Herrschaft jahrelang verfolgt und mit dem Tod bedroht war und heute ein führender Mann im Fernsehen der tschechischen Republik ist, hat auf einem internationalen Seminar für Seelsorge und Beratung in Prag 1994 gesagt: " Die schlimmsten Folgen jahrelanger Erniedrigung und Folter sind die Scham und das Verstummen der Opfer. Die einzige Möglichkeit aus diesem Gefängnis der Sprachlosigkeit herauszukommen ist, mit anderen Opfern ins Gespräch zu kommen und zu merken: Ich bin nicht allein mit meinen schlimmen Erfahrungen und vor allem: Ich kann mit meinen Leiden für andere hilfreich sein. Ich kann andere trösten, weil ich weiß, wovon ich rede."

Das setzt voraus, daß ich das eigene Leiden nicht verdränge. Daß ich vor meinen dunklen Seiten nicht davonlaufe sondern mich ihnen stelle. Daß ich Krisen auch als Chance begreifen kann, in denen mir Neues zuwächst. Trösten und getröstet werden. Verstehen und verstanden werden. Leid mitteilen und teilen. Wo das gelingt, werden Zeichen gesetzt. Kleine Zeichen manchmal, aber Zeichen, die Kraft haben und ausstrahlen. Wir brauchen diese Zeichen. Trost ist genauso lebenswichtig wie das tägliche Brot.

Die ursprüngliche Wortbedeutung des Wortes "Trost" meint etwas ganz Handfestes und Brauchbares: Festigkeit, Sicherheit, Vertrag, Bündnis, Treue. Trösten heißt soviel wie eine Bürgschaft leisten. Wer tröstet, stellt sich persönlich zur Verfügung. Er will ein zuverlässiger Partner sein in schweren Situationen. Und wer sagt, daß er Trost braucht, ruft nach jemandem, der ihm zuverlässig zur Seite steht.

Ich will dich trösten, wie einen seine Mutter tröstet - so verspricht es Gott . den Paulus den Gott allen Trostes nennt. Für mich ist das ein warmes, unmittelbar ansprechendes Bild. Es ruft alte Erfahrungen wach und weckt Sehnsucht Die Sehnsucht, nicht allein zu sein, die Sehnsucht, auch und gerade in schweren Zeiten einen Arm zu haben, in den ich mich flüchten kann. Der Gott alles Trostes verspricht, mitseinem Trost für uns da zu sein. Er ist der Vater Jesu Christi, der hat mit seinem Leiden und Sterben alle Tiefen der Trostlosigkeit durchlebt und durchlitten hat.

Kann es etwas Tröstlicheres geben als seine Einladung:und Zusage: " Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will Euch erquicken."?

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Hildegard Hamdorf-Ruddies Pastorin am Krankenhaus Neu-Bethlehem und im Stift am Klausberg, Göttingen
Telefon: 0551 - 79 10 30



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