Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Sonntag: 8. S. nach Trinitatis
Datum: 2.8.1998
Text: Epheser 5, 8b-14
Verfasser: Prof. Dr. Friedrich Wintzer


Vom lichtvollen Leben

Predigttext:

"Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. Das alles aber wird offenbar, wenn’s vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es:

Wach auf, der du schläfst,
und steh auf von den Toten,
so wird dich Christus erleuchten."

I.

Der heutige Sonntag hat als Thema die Ermutigung zum lichtvollen Leben. Das Motiv der Lesungen ist darum das Wandeln im Licht. In der alttestamentlichen Lesung aus dem 6. Kapitel des Jesajabuches heißt es: "Kommt, . . . laß uns wandeln im Licht des Herrn." Die Evangeliumlesung aus der Bergpredigt (Matth. 5, 13-16) nennt wahre Christen "das Licht der Welt". Sie sind Kinder des Lichts, weil sie in der Nachfolge Jesu Christi leben dürfen und können. Dieser hat von sich nach dem Johannes-Evangelium gesagt: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern das Licht des Lebens haben." (8, 12) Von einer Lebensbestimmung ist hier die Rede, symbolisiert in dem Bildwort vom lichtvollen Leben. - Wenn in der frühen Christenheit erwachsene Heiden sich dem christlichen Glauben zuwandten und sich taufen ließen, so war dieser Entschluß für sie eine Wende in ihrem Leben. Er beinhaltete eine Absage an die Angst vor den heidnischen Göttern mit ihrer Unberechenbarkeit. Er bedeutete meist auch eine sichtbare Trennung von den Werken der Finsternis, wie z.B. die Verleumdung von Mitmenschen, die Rachsucht gegenüber anderen, die Gedanken der Bosheit und des Neides gerade auch gegenüber Menschen, mit denen man zusammenlebt.

Wie war diese Wende im Leben begründet und wie wirkte sie sich aus? Es hat diese Wende immer wieder gegeben. Aus dem Christenverfolger Paulus wurde ein Verkündiger des christlichen Glaubens und auch ein Märtyrer. - Für die erwachsenen Christen, die im frühen Christentum sich in der Osternacht taufen ließen, war nach der finsteren Nacht das Licht des heraufdämmernden Tages ein Orientierungszeichen und auch ein Zeichen der Hoffnung. Der auferstandene Christus war für diese Christen das wahre Licht, weil Gott dem gekreuzigten Jesus Christus für sein Reden und Handeln und Leiden Recht gegeben hatte, indem er ihn nicht im Tode ließ, sondern die Finsternis des Todes durchbrach. Für die neu Getauften ging deshalb von Christus die Erleuchtung für ihr Leben und Tun aus. Sie priesen Gott als Geber des Lichts und wollten als die Kinder des Lichts leben. Die brennende Taufkerze, die die frühen Christen in der Osternacht erhielten, war das Zeichen dafür, daß sie sich Christus unterstellt und sein lebenschaffendes Licht empfangen hatten.

II.

Der Verfasser des Epheserbriefes zieht aus diesem Glauben an die Lichtträger-Existenz Konsequenzen. Als Kinder des Lichts können Christen keine Finsterlinge sein. Auch wenn Christen auf unterschiedliche Weise in ihren Tun und Denken noch manchen Gedanken der Finsternis anhängen mögen, so stimmt diese Ausrichtung des Lebens mit dem Christsein nicht überein. Sie widerspricht hier. Im Brief an die Epheser heißt es folgerichtig: "Nun aber seid ihr Licht durch Jesus Christus. Also lebt als Kinder des Lichts. Die Frucht des Lichts ist . . . Güte (Gutsein) und Gerechtigkeit und Wahrheit." Ich kenne Menschen, die von dieser Lebensorientierung ihres Glaubens etwas ausstrahlten in ihrer Zuwendung zu anderen Mitmenschen. In unserer Zeit war es Mutter Theresa, vor ein paar hundert Jahren war es die heilige Elisabeth, die auf ihr Vorrecht als thüringische Landgräfin verzichtete und in Marburg den Armen und Kranken half. In unserem Jahrhundert ist an das Beispiel von Dr. Albert Schweitzer zu erinnern, der seine Karriere als Professor abbrach und zu den unversorgten Kranken nach Lambarene in Afrika ging. "Urwalddoktor" hat man ihn darum genannt. Sie und viele andere hier nicht mit Namen Genannte haben als getaufte Christen gewußt und begriffen, daß sie von Gott zu einem Lebenswandel im Licht und nicht in der Finsternis berufen sind. Sie haben dieser befreienden Berufung zugestimmt. Sie haben als Christen erkannt: Gott mutet uns in unserem Verhalten etwas zu, weil wir ihm wichtig sind. Aber Gott mutet uns nicht mehr zu, als wir leisten können. Seine Anforderung an uns ist kein belastender Leistungsdruck, sondern die Einladung zu einem sachgerechten Leben als Kinder des Lichts. Als Menschen, die von Gott in Christus erleuchtet und erlöst sind, sollen wir von dieser Gabe etwas ausstrahlen. Gemeint ist die Güte und Nächstenliebe zu anderen, der Einsatz für die Gerechtigkeit, welche die Ungerechtigkeit nicht zuläßt; und schließlich die Verpflichtung gegenüber der Wahrheit, die uns ins Licht der von Gott gewollten Menschlichkeit führt. Diese hat ihren Lebensgrund in dem Glauben an den von Gott gesandten Jesus Christus.

III.

Der Text aus dem Epheserbrief will also Christen zum lichtvollen Lebenswandel einladen. Er will keine belastende Moralpredigt sein. Er argumentiert mit den genannten Gründen. Der zweite Schritt in dieser Rede ist folgerichtig eine Mahnung der Lebensorientierung: Laßt uns immer wieder prüfen und beurteilen, was Gott wohlgefällig ist und vor ihm Bestand hat. Junge Christen, die darüber diskutierten, interpretierten das im Text genannte Gutsein als den Weg der Barmherzigkeit, der auch das Teilen von Nahrung, Freude und Geld mit einschließt. Das einfache Wort dafür lautet: Nächstenliebe. - Weiterhin haben in dem genannten Gespräch die jungen Christen die Verleumdung als besonders unchristlich beurteilt, obwohl dieses Verhalten in Politik und Gesellschaft immer wieder vorkommt. Der nächste Wahlkampf steht zudem auch vor der Tür. In der Arbeitswelt gibt es für dieses verleumderische Reden sogar ein neues Wort im Kampf um Arbeitsplätze. Es heißt "mobbing". Das Christentum hat für all dieses lichtmeidende Handeln immer den Ausdruck "Bosheit" gebraucht. Assoziationen fallen uns dazu genug ein. Das Prüfen dessen, was Gott wohlgefällig ist, hat aber noch einen anderen Aspekt. Er lautet, daß das Leben von uns Christen nicht nur im Arbeiten bestehen soll. Weil wir Gott als Schöpfer der Welt und des Lebens loben und preisen, benötigen wir auch Sonn- und Feiertage, an denen wir an Gottes schöpferisches Handeln denken, zur Ruhe kommen und Gott als Grund unseres Lebens ehren. Vielleicht haben wir dieses Prüfen unserer Lebenseinstellung heute besonders nötig. Es könnte uns wieder besser verstehen lassen, was im 17. Jahrhundert der Jurist, Minister und Dichter Christian Knorr von Rosenroth in einen Liedvers gefaßt hat, der das Morgenlicht begrüßt. Er lautet: "Gib, daß deiner Liebe Glut / unsre kalten Werke töte / und erweck uns Herz und Mut / bei entstandner Morgenröte, / daß wir, eh wir gar vergehn, / recht aufstehn." (EG 450, 3)

IV.

Der Text aus dem Epheserbrief endet mit einem kurzen Tauflied. Es ist ein Weckruf an die schon erwachsenen Taufbewerber, aus dem Schlaf des gottfernen Lebens aufzustehen und sich dem Licht zuzuwenden, das von Christus ausgeht und leuchtet. Der Weckruf lautet: "Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten." Wer das Licht empfängt, kann leben als ein Kind des Lichts; als ein erleuchteter Mensch, fern von den dunklen Gedanken der Unmenschlichkeit. Die Mitmenschen können dann sagen, daß sie etwas von dem Wort aus der Bergpredigt spüren. Denn wahre Christen sind Lichtträger in dieser Welt. Der Glaube an Gott und Christus hat sie verändert und verwandelt sie. Sie sind auch so etwas wie das Salz der Erde, das vor Fäulnis bewahrt. Dazu mahnt der Epheserbrief. - Der jüngst verstorbene Göttinger Dichter Rudolf Otto Wiemer hat den Anspruch der Worte vom Licht und Salz aus der Bergpredigt realistisch in Worte gefaßt und gedeutet.

Ihr seid das Salz der Erde,
vielleicht nur ein Korn,
aber das Korn, man wird es schmecken.
Ihr seid das Licht der Welt,
vielleicht nur ein Funke,
aber der Funke fällt auf den Weg.
Ihr seid die Stadt auf dem Berge,
vielleicht nur ein Haus,
aber das Haus lacht aus den Fenstern.
Ihr seid das Salz der Erde,
vielleicht nur eine Handvoll,
aber das Salz bewahrt vor Fäulnis.

Die Einladung zu einem lichtvollen Leben wird hier beschrieben. Ihre Kennzeichen sind Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.

Nachwort

Dieser Text aus Eph. 5, 8b-14 ist eine Mahnung an Christen, also an Menschen, die Christus angenommen haben als den, der sie aus dem Machtbereich der Finsternis hinausführt. Man könnte den christologischen Machtbereich des Lichts dem Machtbereich der Finsternis gegenüberstellen. Die Predigt hebt aber den positiven Aspekt besonders hervor. Sie beschreibt einladend den Wandel im Licht des Herrn. Mit dem Taufmotiv Eph. 5, 14 wird dieses Leben im Licht des Herrn anschaulich gemacht.

Prof. Dr. Friedrich Wintzer, Am Hof 1, 53113 Bonn


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