Predigttext:
"Im übrigen meine Brüder, ermahne ich euch und
fordere euch im Auftrag des Herrn Jesus auf, nach den Weisungen zu
leben, die ihr von mir empfangen habt. Ihr wißt, wie ihr leben
sollt, um Gott zu gefallen, und tut es ja auch. Aber es ist gut, wenn
ihr darin weiterkommt. Ihr kennt ja die Regeln, die ich euch gab und
die ihr im Grunde nicht von mir habt, sondern von Jesus, dem Herrn
selbst. Denn das will Gott, daß ihr heilig werdet. Was das im
einzelnen bedeutet? Ihr sollt euch fernhalten von der Unzucht. Jeder
soll mit seiner eigenen Frau verkehren und mit ihr nach Gottes Ordnung
und in Ehren leben. Laßt euch nicht von Leidenschaften treiben
wie die anderen Menschen draußen, die von Gott nichts wissen.
Ihr sollt euch im Geschäftsleben nicht über euren Bruder
hinwegsetzen oder ihn im Handel betrügen, denn Gott wacht über
all dem und wird Gerechtigkeit schaffen. Ich habe es euch damals mit
allem Nachdruck gesagt. Denn Gott hat uns nicht zu seinen Kindern
gemacht, damit wir danach unsauber, sondern damit wir heilig leben.
Wer nun meint, er sei erhaben über alle diese einfachen Regeln,
der verachtet damit nicht so sehr die Menschen, die sich daran halten,
sondern Gott, der sie gab und dessen heiligen Geist ihr empfangt."
(Übertragung von Jörg Zink)
Liebe Gemeinde,
als die Berliner Kirche vor einiger Zeit aus finanziellen Gründen
einer Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern "betriebsbedingte"
Kündigungen aussprechen mußte, gab es ein großes Echo
in den Medien. Daß zur gleichen Zeit große Konzerne
Tausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entließen, um die
Bilanzen für Aktionäre attraktiver zu machen, war dagegen
kaum ein großes öffentliches Thema. Von der Kirche
erwartete man allerdings etwas anderes. Nicht nur, weil sie gerade ein
Sozialwort veröffentlicht hatte und damit anderen ins Gewissen
reden wollte, nein, auch und vielleicht vor allem, weil man immer noch
von der Kirche ein anderes Handeln erwartet als von der Wirtschaft
oder von sich selbst. Mißt die Öffentlichkeit also mit
zweierlei Maß? In der Tat! Und zu Recht!
Kirche, Gemeinschaft derer, die leben, um Gott zu gefallen, hat
andere Lebensregeln. Christen unterscheiden sich von denen, die ohne
Gott ihr Leben zu gestalten versuchen. "Denn das will Gott, daß
ihr heilig werdet". Und genau das ist eben nicht jedermanns
Sache, darauf muß man sich schon sehr bewußt und sehr
konsequent einlassen.
Der Apostel Paulus war kurze Zeit in Thessaloniki und hatte dort,
als er die Stadt verlassen mußte, eine kleine Gemeinde zurückgelassen.
Er hatte also Menschen durch seine Predigt von Jesus Christus überzeugt,
Menschen, die nach dem Sinn ihres Lebens suchten und durch die Predigt
von der Liebe Gottes einen Weg gefunden hatten, ihr Leben sinnvoll zu
gestalten. In Dankbarkeit Gott gegenüber wollten sie jetzt ihm
durch ihre Lebensführung Ehre machen. Die Lebensregeln, die
Paulus ihnen im Namen Jesu mitgab, empfanden sie also nicht als einen
Zwang, der nun leider zum Glauben dazugehört, sondern als ein
Angebot, die innere Befreiung im alltäglichen Leben auszudrücken.
Offenbar kamen sie damit auch ganz gut zurecht. Paulus hat einigen
Grund, sie zu loben. Allerdings scheint es auch hier und da ganz
handfeste Probleme gegeben zu haben, denn zwei Bereiche, die in einer
Hafen- und Handelsstadt wie Thessaloniki sicherlich nicht unbedeutend
waren, greift er auf, um die Lebensregeln konkret zu machen: Die Frage
der ehelichen Treue und die Frage der geschäftlichen Redlichkeit.
Wenn ich nun diese Sätze z.B. meinen Schülern vorlese: "Ihr
sollt euch fernhalten von der Unzucht. Jeder sollt mit seiner eigenen
Frau verkehren und mit ihr nach Gottes Ordnung und in Ehren leben. Laßt
euch nicht von Leidenschaften treiben wie die anderen Menschen."
Wenn ich also diese Sätze irgendwo vorlese, dann muß ich
damit rechnen, daß man mir sofort vorhält: Die Kirche ist
leibfeindlich, lustfeindlich und frauenfeindlich. Das paßt nicht
in unsere Zeit, diese verklemmte Sexualmoral. Und ich muß diesen
Vorwürfen sogar teilweise zustimmen, besonders dann, wenn ich das
häßliche Wort sehe, daß Paulus in seiner griechischen
Sprache hier für das Wort "Frau" benutzt. "Gefäß",
"Topf" würde es wörtlich übersetzt heißen.
Das gehört wirklich nicht in unsere Zeit. Ich denke mir, Paulus
benutzt hier ein Wort aus dem zotigen Wortschatz der Hafenkneipen. Und
wenn ich mir das so überlege, sehen die Sätze des Apostels
Paulus plötzlich ganz anders aus. "Nach Gottes Ordnung und
in Ehren" soll ein Mann, der sich auf Jesus Christus beruft, mit
seiner Frau leben. Er soll sie also nicht mehr als "Gefäß",
als Gegenstand, den man auch wegwerfen kann, sehen. Sie selbst als
Mensch, als Partnerin, als Gegenüber verdient Ehre. Mir fällt
dazu auch das Wort "Treue" ein. Treue ist das, was die
jungen Menschen heutzutage in einer Partnerschaft als wichtigste
Voraussetzung sehen. Einen Partner als Gegenstand sehen, ihn nach
Belieben auszuwechseln, um einen anderen zu erobern - wie es offenbar
in der Hafenstadt Thessaloniki üblich war - ist für
jemanden, der vor Gott bestehen will (und damit auch vor den
Menschen), nicht möglich. "Gott ist Liebe". Nachfolge
heißt, diese Liebe an den anderen Menschen weiterzugeben, der
mit mir auf dem Wege ist, sich auf mich verläßt, mir
vertraut.
Und nun kann ich dem Vorwurf, Paulus sei hier verklemmt,
lustfeindlich oder ähnlich nicht mehr zustimmen. Ich denke, das,
was der Apostel hier an die Thessalonicher schreibt, ist auch mehr als
ein historischer Text, den nur die Geschichtsforscher noch interessant
finden können. Hier wird den Christen, die aus ihren herkömmlichen
Gewohnheiten und Denkformen noch nicht so ganz herausfinden, eine
Wegweisung gegeben, die auch uns keineswegs so ganz selbstverständlich
ist.
Und das trifft auch auf das zweite Beispiel mit der Ehrlichkeit beim
Handel zu. Eben nicht das Geschäft um jeden Preis ist einem
Christen möglich. Der Kunde hat seine Ehre und Würde. Wenn
die verletzt wird, wird Gott verletzt. Wer da den versteckten Fehler
beim Verkauf des alten Wagens verschweigt, um einen guten Preis zu
erzielen, mag zwar ein Schlitzohr sein und von seinen Stammtischbrüdern
bewundert werden. Einer, der sich dessen bewußt ist, daß
er nur dank der Liebe Gottes sinnvoll leben kann, ist er doch wohl
nicht.
Natürlich wird ein ehrlicher Geschäftsmann nicht so
schnell reich wie einer, der gelegentlich die Arglosigkeit seiner
Geschäftspartner ausnutzt. Aber erstens behält der ehrliche
Geschäftsmann seine Geschäftspartner und macht sie sich
nicht zu Geschäftsgegnern und zweitens - und für einen
Christen ist dies der wichtigste Grund für die Lebensregeln -
zweitens kann er sich in der Liebe Gottes geborgen fühlen. Er weiß:
Mein Leben hat seinen Sinn. Und dieser Sinn geht über den Tag
hinaus, reicht weit in die Zukunft. "Gott will, daß ihr
heilig werdet."
Heilig, das ist ein Zustand, der mit Reinheit, Klarheit,
Unantastbarkeit verbunden ist. Ein Zustand, dem wir uns annähern
können dadurch, daß wir unsere Lebensplanung nicht auf die
Scheinziele wie Lustgewinn oder Reichtum oder Macht ausrichten,
sondern nach dem Sinn unseres Lebens fragen, der uns auch trägt,
wenn Krankheit oder Todesgedanken alles, was wir leisten konnten,
fragwürdig werden lassen. Natürlich weiß jeder, der
sich in der Liebe Gottes geborgen sieht, der sein Leben als Christ
gestalten möchte, daß er die Ordnungen auch immer wieder
einmal vergißt. Er weiß aber auch, daß er in dem,
was Christen vor ihm gesagt und gedacht haben, Wegweisung finden kann,
daß er sich korrigieren kann und daß es das gibt, was die
Kirche seit alten Zeiten nennt, "den Tröster, den Heiligen
Geist". Diese Kraft hat Gott denen zugesagt, die ihre
Lebensplanung in seinem Namen wagen.
Amen
Pastor Richard Engelhardt, Göttingen |
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