Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Sonntag: Reformationstag
Datum: 31.10.1998
Text: Römer 3,21-28
Verfasser: Prof. Dr. Markku Heikkilä

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Liebe Gemeinde,

diese Perikope, besonders die Verse von 21 bis 22, wird in der evangelischen Tradition für die wesentliche Stelle im Römerbrief gehalten. Darin wird der Leitgedanke für die Botschaft des gesamten Briefes zum Ausdruck gebracht: die Gerechtigkeit wird allein durch Christus erlangt. Der Kerngehalt der Perikope besteht in der Gerechtigkeit.

Im alten Schriftfinnischen wird mit dem Begriff "Gerechtigkeit" Weisheit und Rechtschaffenheit, Weisheit auf gerechte Weise bezeichnet. "Der Gerechte lebt im Glauben" bedeutet, daß der auf gerechte Weise kluge Mensch sowohl in Zeit als auch in Ewigkeit im Glauben an Jesus lebt, im Glauben an die Erlösung durch Jesus Christus. Die Gerechtigkeit ist sowohl die Eigenschaft Gottes als auch ein Geschenk für den Menschen durch Jesus Christus (Röm. 1,18; 2,2.5; 3,24).

Gott nimmt denjenigen an, der die Gabe der Gerechtigkeit durch Jesus Christus erlangt hat, und erklärt ihn für gerecht, gibt ihm Anteil an der gerechten göttlichen Weisheit und ihn dadurch gott-gefällig. Nur ein solcher Mensch wird vor dem Gericht Gottes bestehen, wenn dessen Zorn vom Himmel fällt. Die Gerechtigkeit ist die Voraussetzung der Erlösung.

Nach den Versen 21 und 22 hat Gott seine Gerechtigkeit, also seine gerechte Weisheit, in Jesus Christus offenbart und erwiesen als die, die vom Gesetz und den Propheten bezeugt wurde. Der Mensch erlangt die Gerechtigkeit Jesu Christi geschenkweise ohne Bedingungen. Gott wartet nur, daß der Mensch das Geschenk im Glauben an die Gerechtigkeit Jesu Christi annimmt. Damit wird die Gerechtigkeit selbst zur Gerechtigkeit im Glauben, darauf wird auch im Alten Testament hingewiesen (Gen 15,6; Jes 53,11). Gott hat jetzt durch Jesus Christus seine Gerechtigkeit ohne Gesetz erwiesen, was ohne Gesetzeswerke bedeutet. Mit anderen Worten: es bricht eine Ära neuen Gesetzes an.

Nach den Versen 23 und 24 hat der Mensch im Glauben Teil an der Gerechtigkeit Gottes - also an der gerechten Weisheit durch die Taten Jesu Christi. Also der Mensch wird dadurch richtig weise, wenn er auf den Versöhnungstod und auf die Auferstehung Christi als die Voraussetzung seiner Erlösung vertraut. Das gilt für alle Menschen, denn sie alle haben gesündigt. Sie sind alle gleich sündig und verdammt vor Gott. Sündig sind nicht nur die Taten, sondern auch die Gedanken und Worte. Dasselbe gilt für das Geschenk Gottes für die Menschen. Er macht in Jesus Christus macht keinen Unterschied zwischen den Menschen; es gilt für alle, alle sind gleich und gleichwertig.

Laut der Verse 25 und 26 erläßt Gott die Sünden der Menschen aufgrund der Taten Jesu Christi, straft nicht, erweist er den Menschen seine göttliche Weisheit und spendet sie den Menschen, die an Jesus Christus glauben. Der Apostel Paulus benutzt in den Versen 23 bis 26 drei Bilder:

1) Gott ist die Gerechtigkeit selbst, und er hat seine Gerechtigkeit dadurch erwiesen, daß er alle diejenigen, die an Jesus Christus glauben, vor seinem Gericht freigesprochen hat. Die Gerechtigkeit oder gerechte Weisheit kostet nichts, sie ist bedingungslos, sie besteht nur in seiner Gnade, Anteil an der gerechten Weisheit, an der Gerechtigkeit Gottes.

2) Sklavenmarkt: Die Sklaven werden durch die Taten Jesu Christi losgekauft.

3) Im Tempel aller Heiligen bzw. vor dem Gnadenstuhl: Vor ihm geschieht die Versöhnung durch das Blut Jesu Christi. Der Blut bezeichnet den Tod und dadurch Opfer. Das Allerheiligste im Tempel wird mit Blut gestrichen.

Gleich dem Glaubensbekenntnis werden die Verse 23 bis 26 im evangelischen Glaubensverständnis für kristallisierte Grundlagen der Gerechtigkeit im Glauben gehalten. Mit ihnen steht und fällt die Lehre der Kirche. Sie ist die Lehre, aus der allein Gottes Gemeinde entstehen kann.

In den Versen 27 und 28 wird der Grundgehalt der vorangegangenen Verse wiederholt: wir können nicht mit unseren Taten und mit keinem Menschlichen prahlen, "Denn unser Urteil lautet: Der Mensch wird durch den Glauben gerecht, ohne Gesetzeswerke". Nach Luther will Gott uns nicht wegen der menschlichen Weisheit und der daraus entstehenden Taten erlösen, sondern durch seine eigene Weisheit und die dadurch bedingte Tat, durch Versöhnung Jesu Christi. Deswegen soll nur diese außerhalb des Menschen existierende, vom Himmel herabsteigende Weisheit gelehrt werden und die eigene Weisheit des Menschen mit seinen Werken ab-gewurzelt werden. Gottes Gerechtigkeit und die Erlösung offenbart sich in Wort und Sakrament. Die Gerechtigkeit wird in ihnen angeboten als dem Kern der Kirche nach evangelischer Glaubensauffassung.

Prof. Dr. Markku Heikkilä, E-Mail: <markku.heikkila@Helsinki.FI>


Liedvorschläge aus: Gottesdienst - Arbeitshilfe zur Erneuerten Agende, 5. Lieferung, 11. Jg., hrsg. von der Liturgischen Konferenz Niedersachsens e.V., Tel.: 0511-1241-486:

EG 351 (Ist Gott für mich, so trete)
EG 378 (Es mag sein, daß alles fällt)
EG 357 (Ich weiß, woran ich glaube)
EG 317, 4+5



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