Predigt über Lukas 10, 38-42 - 14. Februar 1999
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Als sie aber weiterzogen, kam Jesus in ein Dorf. Da war
eine Frau mit Namen Martha, die nahm ihn auf in ihr Haus.
Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria, die setzte
sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu.
Martha aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen.
Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht
danach, dass mich meine Schwester lässt alleine dienen?
Sag ihr doch, dass sie mir zur Hand gehe.
Es antwortete ihr aber der Herr und sprach: Martha,
Martha, du sorgst dich und machst dir Unruhe um Vieles.
Eines aber ist not, Maria hat das gute Teil erwählt; das
wird nicht von ihr genommen werden. Luk 10,38-40
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1.
Jesus, der Wanderprediger, zieht mit Jüngerinnen und
Jüngern durchs jüdische Land. Sie kommen in ein Dorf.
Da nimmt eine Frau ihn als Gast auf in ihr Haus.
So erzählt der Evangelist Lukas. Und findet nichts
dabei. Sagt nicht, dass es deswegen Gerede gegeben hätte
im Dorf oder bei denen, die mit Jesus gekommen waren.
Warum auch sollte die Frau Jesus nicht einladen. Ins
Haus, in dem sie anscheinend allein mit ihrer Schwester
lebt. Sie kann das genau so tun wie die Männer, die dann
und wann Jesus zum Essen einladen.
Von den Jüngern ist in dieser Geschichte fortan nicht
mehr die Rede. Mit dem Evangelisten folge ich Jesus in
das Haus der Frau.
Sie heisst Martha und kennt Jesus wohl. Wahrscheinlich
ist Jesus auch schon eine hier und da in den Dörfern
bekannte Persönlichkeit. Sozusagen ein ehrenvoller
Besuch für Martha, die jetzt seine Gastgeberin geworden
ist.
Sie übernimmt diese Rolle - ohne jede Frage. Den geladen
Gast muss man bedienen. Erst recht einen so bekannten.
Komm, Herr Jesu, sei du unser Gast - wer das gesagt hat,
muss für die Folgen sorgen. Und Martha tut das. Sie geht
in die Küche. Wie käme auch sonst das Essen auf den
Tisch? All das versteht sich eigentlich von selbst.
Doch da ist noch Maria im Haus. Marthas Schwester. Die
hat mit Küchen- und Tischdienst nichts im Sinn.
Hat sich vielmehr in der guten Stube zu dem geladenen
Gast gesetzt. Wie Schüler damals einem Lehrer zu Füßen
saßen, sitzt sie bei dem bekanten Rabbi Jesus aus
Nazareth und hört auf seine Worte.
Warum sollen nur Männer einem berühmten Rabbi zuhören
, bei ihm lernen oder mit ihm diskutieren - und die
Frauen ab in die Küche?
Maria nimmt sich das auch als Frau heraus - in aller
Freiheit und Ruhe.
Und Martha arbeitet in der Küche. - Bis sie platzt.
All das Viele, was sie da macht, um den Gast gut zu
bewirten, zerrt an ihr.
Ich sehe sie mit umgebundener Schürze aus der Küche
laufen und vor die Beiden treten. Und höre, wie sie
ihrem Ärger Luft macht. Richtig aufgebracht ist sie und
in Wut. Keine graue Maus, die sich depressiv ihren Frust
in sich rein frisst. Beleidigt schmollt und dann mit
Märtyrermiene die Suppe bei Tisch serviert.
Nein - Martha platzt vorher und lautstark. Sie sorgt für
sich.
Sie wendet sich nicht an ihre Schwester, über die sie
sauer ist. Sondern an Jesus, den bekannten Rabbi, den sie
eingeladen hat. An ihm macht sich ihr Ärger fest.
Herr, liegt dir nichts daran, dass mich meine Schwester
alleine dienen lässt?
War es der Martha zu viel Arbeit? Ein Gast! - Das musste
eine erfahrene Hausfrau doch meistern.
Oder hatte sie sich für diesen Gast unter einen zu hohen
Druck gesetzt? Sich viel zu viel vorgenommen, um es
schön für ihn zu machen? Und all das zerrte nun an
ihren Nerven?
Dazu aber kam: Meine Schwester Maria sitzt bei ihm drin,
hört ihm zu, hilft kein bisschen mit. Die Zwei da im
Wohnzimmer merken anscheinend gar nicht, was ich für
eine Arbeit in der Küche habe.
Das Vergleichen macht Martha Frust.
Herr - sag ihr doch, dass sie mir zur Hand gehe.
Jesus soll's richten. Er soll nicht zu lassen, dass Maria
weiter untätig bei ihm rum sitzt. Vielleicht steckt die
bittere Frage dahinter: Warum lässt du dir das gefallen,
Jesus? Du begünstigst die Ungerechtigkeit auf meine
Kosten.
Jesus antwortet ihr. Er spricht sie zweimal mit ihrem
Namen an: Martha, Martha! Wohl um zu zeigen, dass er auf
sie eingeht, ihren Ärger ernst nimmt. Und ihr
Engagement. Und will sie doch zum Nachdenken bringen.
Martha, Martha, du sorgst dich und machst dir Unruhe um
Vieles.
Als wolle Jesus ihr sagen: Für wen tust du das? Oder:
Wem tust du damit etwas Gutes? Mir, dem Gast, wenn du
dich von deinem Bedienen so zuschütten lässt? Und
kriegst dann so einen Hals!
Bist du dann überhaupt noch da und offen für den Gast,
der in dein Haus gekommen ist?
Statt dem Vielen, das du besorgst, ist Eines not.
Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr
genommen werden.
Was hat Maria denn getan?
Nichts.
Oder viel: Sie hat auf Jesu Wort gehört. Sie hat den
Gast im Haus erzählen lassen - von dem, was ihm am
wichtigsten war. Von Gott. Sie hat ihm zugehört.
Vielleicht nachgefragt und weitergelernt.
Komm, Herr Jesu, sei du unser Gast...
hieß für Maria zuerst: Jesus zum Zuge kommen zu lassen.
Maria bedient Jesus nicht - wie Martha.
Umgekehrt: Maria lässt sich von Jesus bedienen.
Sie lässt sich von ihm das Beste geben, mit dem er sie
bedienen kann: mit seinem Wort von der Liebe Gottes.
Maria lässt sich's sagen.
Martha, Martha - warum lässt du dich so besetzen von
deiner Sorge und Unruhe? Warum lässt du den Dienst, den
du mir tun willst, so an dir zerren?
Ich glaube, Jesus will ihr zu verstehen geben: So -
Martha - tust du mir nichts Gutes. Und tust dir selbst
auch nichts Gutes.
Ich will doch nicht, dass du an deinem Sorgen für mich
erstickst. Ich bin doch dazu gekommen, dass die Beladenen
und Belasteten aufatmen und erquickt werden.
Bei dir aber läuft es jetzt gerade umgekehrt. Das Sorgen
erdrückt dich.
Du sorgst jetzt zwar in deinem Ärger auch für dich
selbst. Aber es wird für euch beide nicht gut, wenn
Maria es jetzt genauso machen soll wie du.
Jesus lädt vielmehr Martha ein, sich den Gast gefallen
zu lassen wie Maria. Die hat nämlich das gute Teil
erwählt - dabei soll es bleiben.
Und wenn Martha das verstanden hat - warum sollen sie
dann nicht auch miteinander essen und trinken.
Dann würde sich Jesus wohl gerne von Martha den Tisch
decken lassen oder von Maria und Martha. Auch wenn dann
statt einer raffinierten Speisenfolge nur Oliven serviert
würden und Fladenbrot mit Schafskäse und Wein.
Und beide Schwestern könnten sagen:
Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast und segne du uns und
was du uns bescheret hast.
Du bist unser Gast und wir lassen uns deinen Dinst
gefallen.
2.
Kann es sein, dass diese Geschichte gerade Frauen
anpricht?
Weil Frauen vielleicht besonders so eine Erfahrung machen
wie Martha. Da ist Besuch eingeladen und sie haben
gearbeitet und bedient - immer begleitet von der Sorge:
Ist es auch gut genug, gelingt es auch und reicht es? -
Und wenn dann alles auf dem Tisch oder aufgegessen ist,
ist die Kraft weg, die Menschen wahr zu nehmen, und keine
Reserve mehr, den Menschen gerecht zu werden, die als
Gäste gekommen sind.
Und sich selbst wird die erschöpfte Gatgeberin auch
nicht gerecht.
So will Jesus nicht unser Gast sein und von uns bedient
werden. Er ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse,
sondern dass er diene und gebe dafür sein Leben.
Ansprechend für Frauen kommt mir diese Geschichte vor,
weil sie eine Befreiungsgeschichte Jesu gerade für sie
ist. Eine Geschichte, die sie von dem Sorgen frei spricht
und ihnen Mut macht, all die Bedienungszwänge, unter
denen sie stöhnen, abzuwerfen und sich auf das Eine zu
konzentrieren, das not ist: Jesu Wort zu hören, das dem
Menschen gut tut - das Wort von der Liebe Gottes.
So sorgt zuletzt am besten für sich selbst, wer sich von
Jesus bedienen lässt. Und dieses gute Teil soll keiner
genommen werden.
3.
Zum Schluss stelle ich mir vor: Martha und Maria wären
Bilder für unsere Kirche. Wie sie ist - oder wie sie
sein könnte unsere Kirchengemeinde.
Da sehe ich vor mir die Martha-Kirche - die Kirche, die
die Menschen in vielerlei Hinsicht bedienen will und
meint so Jesus zu dienen. Die Kirche der Diakonie und der
Dienstleistungen, die möglichst viele Bedürfnisse der
Menschen bedriedigen will. Umfragen, Planungen,
Umstrukturierungen, Anpassungen, Aktivitäten ohne Ende
zerren an Haupt- und Ehrenamtlichen herum. In all dem
klagen zuletzt vielleicht die Eifrigsten: Jesus, liegt
dir gar nichts daran, dass wir uns hier allein kaputt
arbeiten?
Und Jesus antwortet unserer Kirche: Martha, Martha, hast
du in all deiner Diakonie und Dienstleistung nicht das
Eine außer Acht gelassen, auf das es ankommt und das not
ist:
Nichts zu tun - dich von mir bedienen zu lassen, zu
hören, was Gott dir zu sagen hat, von den
"Kraftströmen" (Josuttis) seiner Liebe zu
leben? Das schafft dir Luft. Tut dir gut. Lässt dich
menschlich leben.
Das heißt Gottesdienst - dass du dir von Gott dienen
lässt.
Jesus lädt unsere Gemeinde und Kirche ein, Maria-Kirche
zu werden.
Ihn zu Wort kommen zu lassen und drauf gefasst zu sein
sein: Hier gibt es "wirklich etwas zum Hören, wovon
man leben kann" (J.Ziemer).
Wenn die Menschen in unsrer Gesellschaft merkten: Darauf
ist die Kirche konzentriert!
Und wenn wir selber dann von seinem Dienst lebten
-freigesprochen von all den Bedienungszwängen - dienten
wir mit unsrer Freiheit Gott und den Menschen am besten.
Amen.
Anmerkungen zur Predigt:
Ich folge für die Anlage der Predigt dem Hinweis von
Francois Bovon auf die "narrative" Bedeutung
des Textes (F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas. EKK
III/2, Zürich, Düsseldorf, Neukirchen-Vluyn 1995,
z.St.)
Die "normative" Bedeutung des Textes (Bovon)
versuche ich in der befreienden Kraft dieser erzählten
Geschichte zu
ent-decken und heraus zu arbeiten.
Vgl. Jürgen Ziemer, Estomihi - 14.2.1999.
Lukas 10,38-42,in:GPM 53, 1998/4,128-135.
Das Frauenspezifische in dieser Geschichte betrachte ich
als konkrete Befreiungs-Adresse und als Hilfe zum
Verstehen für uns alle.
Zur Besinnung auf das, wovon die Kirche lebt als Gemeinde
der Heiligen vgl. Manfred Josuttis, >Unsere
Volkskirche< und die Gemeinde der Heiligen.
Erinnerungen an die Zukunft der Kirche, Gütersloh 1997
(für die Eiligen: Vorwort, S.9f).
Hans Theodor Goebel, Im Wasserblech 1c, 51107 Köln
Tel.: 0221/861135 - Fax 0221/ 9862409.
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