Göttinger
Predigten im Internet, hg. von Ulrich
Nembach und Johannes Neukirch
Reminiscere
Datum: 28.02.1999
Predigttext: Matthäus 12, 28-32
Verfasser: Heinz Behrends
Predigt zum Sonntag Reminiscere am 28.2.99 über Matth. 12, 28-32,
gehalten von Pfarrer Behrends
Exegetische und homiletische Überlegungen
Die Forderung nach Zeichen lehnt Jesus als distanziert und
überflüssig ab, denn er hat genug der Zeichen getan. Jetzt ist dran,
seine Botschaft aufzunehmen und zu leben. Die beiden Beispiele aus der
Tradition des Volkes kennen seine Zuhörer: die Aufmerksamkeit für das
Wort Gottes in Ninive und den ganzen Einsatz der Königin des Südens
für die Weisheit, wobei Jesus das Beispiel der Buße Ninives
stärker zu betonen scheint. Der Prediger heute kann nicht davon ausgehen,
daß die Zuhörer die Beispiele Jesu kennen. Deshalb muß er sie
in die Predigt aufnehmen. Ich nutze die Reime von K.P. Herztsch, um die
Nacherzählung interessant zu gestalten. Jesus lehnt die Forderung nach
Zeichen ab.
Nur, Zeichen sind gut für die Verständigung unter Menschen. Aber es
gibt Zeiten, wo Zeit ist, das Wort zu leben. Deshalb ist innere Einkehr
nötig, die aber immer auf Zukunft ausgerichtet sein muß. Die
Passionszeit versteht sich als solche Zeit der inneren Konzentration,
vielleicht sogar der äußeren durch Fasten und Verzichten. Der Text
für die Predigt am 2.Sonntag in der Passionszeit scheint zu beabsichtigen,
zu dieser inneren Konzentration zu ermutigen, wenn nicht sogar anzuleiten.
"Kein anderes Zeichen wird es geben als das des Propheten Jona. Um die
Zuspitzung Jesu in dieser Antwort an die Schriftgelehrten zu verstehen,
muß ich mich bemühen, daß wir alle auf demselben Wissenstand
sind. Und von Jona, dieser märchenhaften Prophetengestalt im Alten
Testament kann man auch mehrfach hören.
Jona empfängt von Gott den Auftrag, nach Ninive, der Stadt aller
Städte, zu ziehen, um den Bewohnern das Gericht Gottes anzukündigen.
Er verweigert sich und flieht auf ein Schiff, das ihn an das andere Ende der
Welt, nach Spanien, bringen soll. Das Schiff gerät in einem Sturm in
Seenot. In seinem schlechten Gewissen gibt Jona sich zu erkennen, und damit den
Seeleuten eine Erklärung für ihre aktuelle Bedrohung. Sie werfen ihn
über Bord, damit die Seegeister sich beruhigen. Jona landet im Bauch eines
Walfisch, dem die schwere Kost Jona aber nicht behagt und er spuckt ihn just an
der Küste Ninives wieder aus. Nun gibt es kein Entrinnen mehr für den
Propheten. Den Fortgang der Geschichte hat Klaus Peter Hertzsch, ein Theologe
aus Jena, einmal seinen Kindern in Balladenform erzählt:
"Da ging er los und floh nicht mehr.
Viel Tag und Nächte wandert er.
Er kam ans Tor und ging hinein.
Die Stadt war groß, er war allein.
Und trotzdem faßte er sich Mut,
hielt seine Predigt, kurz und gut,
und rief auf Plätzen und auf Straßen,
wo Leute standen oder saßen:
"Noch vierzig Tage,spricht der Herr,
dann gibt es Ninive nicht mehr.
Die Stadt ist groß. Die Stadt ist schön.
Was böse ist, muß untergehn.
Die Leute, wie man denken kann,
die hörten das mit Schrecken an.
Sie hatten nie daran gedacht
und schliefen nicht die nächste Nacht.
Und morgens war die Lust dahin,
die schönen Kleider anzuziehn.
Sie zogen einfach Säcke über
und eine alte Schürze drüber.
Es sang kein Mensch ein frohes Lied mehr.
Sie hatten keinen Appetit mehr.
Sie aßen nicht. Sie tranken nicht.
Sie dachten nur ans Strafgericht.
Und als der König das erfuhr,
erschrak er auch und nickte nur.
Er zog den Purpurmantel aus
und schickte seinen Koch nach Haus.
Er nahm nicht Schuh noch Fingerring,
weil er im Sack und barfuß ging.
Sein Herold rief mit Hörnerklang:
"Befehl: Ihr sollt drei Tage lang
bedenken in der ganzen Stadt,
was Jona euch gepredigt hat,
was jeder Böses hat getan
und wie er`s besser machen kann.
Ihr sollte die Kleider und das Essen,
ja selbst einmal das Vieh vergessen.
Ihr sollt in Häusern und in Hütten
den Herrn um sein Erbarmen bitten.
Vielleicht ist es noch nicht zu spät,
daß unsre Stadt nicht untergeht."
Und Gott sah aus von seiner Höh
und sah auf die Stadt Ninive.
und sah die traurigsten Gestalten
und sprach: "Ich will die Stadt erhalten."
Da waren alle Leute froh und ihre Tiere ebenso."
Die Leute hören auf das Wort Jonas hin. Wenn selbst die Leute in der
"Stadt der Sünden" sich überzeugen lassen auf das Wort hin,
wenn selbst die schöne Königin vom Süden alle Reisestrapazen auf
sich nimmt, wer seid Ihr Schriftgelehrten , daß Ihr ein Zeichen fordert.
Das ist die Botschaft Jesu.
Zeig uns, was du kannst, zeig, daß du der Messias bist, fordern sie.
Dabei hatte er gerade seine Macht über die bösen Geister gezeigt.
Jesus ist die Frage nach dem Zeichen satt und er schimpft. "Ihr
abtrünniges Geschlecht." Ein Zeichen werdet Ihr sehen, ja, das eine,
das Jona erlebt hat. Die Leute von Ninive und die Königin von Saba werden
Euch am Jüngsten Tag nicht nur blamieren, sondern gegen Euch auftreten.
Jesus schimpft, denn es ist bitter für ihn, daß er sich noch
ausweisen soll.
(Ich zeige meinen Personal-Ausweis.) Was haben Sie zB davon, daß Sie
meinen Ausweis sehen. Über meine Identität wissen damit herzlich
wenig. Aber es scheint tief im Menschen drin zu stecken. Zeig Dich mir. Beweise
Dich mir.
Wenn Liebende sich gegenseitig Zeichen Ihrer Liebe und Zärtlichkeit geben,
dann ist das sehr gut. Wenn Liebende das voneinander fordern, ist die Beziehung
kurz vor dem Ende.
Darum schimpft Jesus, als sie von ihm Zeichen fordern. Wo Zeichen verlangt
werden, ist der Glaube am Ende.
Heute hat sich die Problematik allerdings umgekehrt. Da ist es noch gar nicht
lange her, daß Menschen auf das Ende der Schöpfung angesichts
ökologischer Untaten von Menschen hingewiesen haben. Da stecken wir mitten
drin in die unterschiedliche Deutung von Zeichen. Da reden die einen angesichts
der Stillegung von Kernkraftwerken vom "Anfang des Ausstiegs", der
Wirtschaftsminister schließt aber mit guten Absichten nicht aus,
daß "der Ausstieg der Anfang des Einstiegs" sein könnte.
Zeichen sehen sie und wissenschaftliche Beweise bringen sie alle bei.
Heute hat sich die Problematik verkehrt. Da werden keine Zeichen von Christus
gefordert, sondern von den Christen. Authentisch und glaubwürdig sollen
sie leben. Und ernsthafte Christen nehmen die Anfragen an und mühen sich
um eine Übereinstimmung von Wort und Tat, oft begleitet von der
depressiven Stimmung des Überfordert-Seins. Da fühlt sich jemand
verantwortlich für eine ganze Welt und müht sich mit besten Absichten
um die gute Tat, um Zeichen seiner glaubwürdigen Überzeugung. Oft
wenig überzeugend, weil verkrampft und gezwungen.
Dennoch, Zeichen sind hilfreich. Gäbe es keine Satzzeichen, wäre der
Sinn eines Satzes völlig unstrukturiert. Zeichen helfen zum Erkennen und
zum Akzentuieren des Anliegens.
Jesus lehnt die Zeichen ja auch nicht grundsätzlich ab. "Ihr werdet
ein Zeichen bekommen, nämlich das des Jona." Drei Tage wird er in der
Dunkelheit der Erde begraben liegen und dann auferstehen wie Jona aus dem
dunklen Bauch des Walfisches. Drei Tage wird er dem Chaos im Bauch des
Meeresungeheuers ausgesetzt sein, drei Tage wird Jesus leblos im Grab liegen.
Aber dann gibt es Leben für Jona und für Jesus.
Die Leute in der Wohlstandsgesellschaft von Ninive hat die Predigt des Jona
damals immerhin in einen heilsamen Schock versetzt und sie haben sofort
begriffen. Und sie haben Buße getan, sind in sich gegangen.Der
Erzähler Herztsch beschreibt so anschaulich, wie es ihnen auf den Magen
schlug, wie das Singen verklang und sie das Interesse an schönen Kleidern
für drei Tage verloren.
Die Hörer Jesu fordern Zeichen seiner Macht. Aber diese Zeit ist vorbei.
Jetzt ist dran, daß zur eigenen Erfahrung wird, was er da an anderen
getan hat und was er gesagt hat.
Die Kirche nach ihm versteht ihren Jahreslauf als den großen Wechsel von
Freude,Leben und Vorbereitung dieser Lebensfreude. Sieben Wochen sich
vorbereiten auf Ostern, auf Frühling und auf neues Leben. Zeit der
Konzentration. In manchen Kirchen verhängt man heute noch die Zeichen, die
Passionsaltarbilder, um zur Konzentration anzuleiten. Heute ist der zweite von
sechs Sonntagen vor Ostern, der zweite Sonntag in der Passionszeit, die sich
immer als Bußzeit verstanden hat.
Nun ist Buße zunächst negativ besetzt. Oder von anderen Religionen
und Ideologien entdeckt. Die Zeit des Zu-Sich-Findens, der Selbst-Besinnung,
der Prüfung eigener Wege und Wünsche. Das kann nur positiv sein. Denn
es geht ja in aller Buße nicht um Verbitterung und Verdammung der
Vergangenheit. Es geht um Zukunft. Was steht da alles noch aus an Zielen und
Wünschen! Was ist da noch für eine Sehnsucht nach einem Leben, das
nicht erreicht ist:
nach Liebe, Gerechtigkeit, Versöhnung, nach Mit-Sich-Eins-Sein. Oder sei
es auch nur, die vielen Brüche im eigenen Leben in einen Zusammenhang
einordnen zu können. So ist der Ruf Jesu in die Buße ein Lockruf zu
einem besseren Leben.
Die Forderung nach Zeichen haben wir dann weit hinter uns gelassen und als
distanziertes und oberflächliches Fragen entlarvt. Denn es geht ja um uns
selbst.
Darum schließe ich mit der Anregung: Suche heute in einer stillen Zeit
ein Ziel, das Du erreichen möchtest und das mit Dir und einem anderen
Menschen zu tun hat. Und überlege, wo Du Dich ändern mußt, um
Dich dem Ziel zu nähern. Du wirst immer nahe dran sein am Anliegen
Christi, weil es um den Menschen, um das Leben geht.
Heinz Behrends, In der Worth 7, 37077 Göttingen Tel/fax 0551/21222
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