Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


7. Sonntag nach Trinitatis
18. Juli 1999
Predigttext: Johannes 6,30-36
Verfasser: Johannes Neukirch

Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Unsre Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht (Psalm 78,24): "Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen."

Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot.

Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten."

Liebe Gemeinde,

Leistung und Gegenleistung - nach diesem Schema funktioniert unsere Welt. Ich gebe, damit Du gibst. So ist das nun mal. Daß das in der Wirtschaft so läuft, das ist ja klar. Ich gebe Geld, ich gebe Waren, ich gebe Arbeitskraft und bekomme etwas dafür. Dieses Prinzip greift aber weit über die Welt der Wirtschaft hinaus. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie das bei uns zu Hause war: Da wurden Punkte vergeben, zum Beispiel für Einkaufen oder fürs Tischdecken. Und nach den Punkten wurden dann die Süßigkeiten verteilt. So oder ähnlich wird es auch noch heute in vielen Familien sein. Gibt es überhaupt etwas umsonst? Ich weiß nicht. Selbst wenn wir etwas umsonst tun, dann erwarten wir trotzdem etwas davon - zum Beispiel Anerkennung, vielleicht sogar Liebe, oder ein zufriedenes Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Ich gebe, damit du gibst - oder: Ich gebe, damit ich etwas davon habe, das muß nicht unbedingt ein materieller Vorteil sein. Die Frage aber "Was habe ich eigentlich davon?" - die steckt letztendlich hinter allem was wir tun.

Kein Wunder also, daß die Leute Jesus fragten: "Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du?" Sie fragen zu Recht: Wenn wir schon an dich glauben sollen, dann muß das doch irgendwie was bringen, dann müssen wir davon was haben. Und sie erinnern Jesus daran, daß ihre Vorfahren von ihrem Glauben wenigstens noch handfeste Vorteile gehabt haben: Als sie durch die Wüste zogen und Hunger hatten, ließ Gott das Manna vom Himmel regnen. Davon wurden sie satt, das hat tatsächlich was gebracht. Und was bringt Jesus? Er muß sich schon gut verkaufen, denn er steht keinesfalls konkurrenzlos da - ganz im Gegenteil! Damals wie heute das gleiche Bild: Es gibt sehr viele, die uns Versprechungen und Hoffnungen machen. Ob das nun Wunderheiler sind oder Astrologen, ob das ein Guru oder ein Sektenführer ist. Damals wie heute diesselbe Frage: "Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben?"

Nun ist es ja so: Jesus hat ja tatsächlich solche Zeichen getan. Kurz vor der Szene, die in unserem Predigttext geschildert wird, findet die berühmte "Speisung der Fünftausend" statt. Viele Leute waren zusammengekommen, um den Meister zu hören, es war aber kein Essen für sie da. Das Geld der Jünger reichte gerade für fünf Brote und zwei Fische. Und trotzdem reichen die Brote und Fische für alle. Da haben sie gesehen: Der kann was, von dem haben wir etwas. Von vielen anderen Wundern und Zeichen wird in den Evangelien berichtet - und davon, daß die Leute beeindruckt waren und ihm deshalb nachfolgten.

Aber Jesus wehrte sich gegen diese Art der Bewunderung. Er sagt seinen Jüngern auf den Kopf zu: "Ihr sucht mich, weil ihr von dem Brot gegessen habt und satt geworden seid" - und dann ermahnt er sie: "Schafft euch Speise, die nicht vergänglich ist, sondern die bleibt zum ewigen Leben."

Es ist ja nur gut, daß Jesus diese oberflächliche Art der Nachfolge und Bewunderung strikt ablehnt. Das ist ein gefährliches Spiel: Wenn ich an jemanden glaube und mich an ihn hänge, weil ich von ihm Vorteile erwarte, weil ich denke, daß er mir täglich den Tisch deckt, so daß ich mich sattessen kann. Das ist das ständige Spiel von Leistung und Gegenleistung. Und das endet doch meistens so: Entweder kann ich nicht mehr, dann kriege ich auch nichts mehr; oder mein Gegenüber kann nicht mehr - dann muß ich mir jemanden anderes suchen, dem ich hinterherlaufe.

Sind wir, liebe Gemeinde, nicht auch mittendrin in diesem Spiel? Es ist schon einen Gedanken wert: Ich glaube an Gott, dafür bekomme ich ewiges Leben. Ich bekenne meine Schuld, dafür sieht er dann großzügig darüber hinweg - oder so ähnlich. In unserem Text steht es ja auch so: Gott gibt das wahre Brot vom Himmel und gibt damit der Welt das Leben. Und die Leute sagten dann verständlicherweise zu Jesus: "Herr, gib uns allezeit solches Brot". Denn das ist schon gut, wenn man eine Bezugsquelle für dieses wertvolle Brot hat.

Das Problem ist nur: Wir können dieses Brot des Lebens nicht kaufen. Jesus ist kein Lebensbrothändler. Er hat keinen Bauchladen, mit dem er durch die Welt zieht und gute Gaben verteilt.

"Jesus aber sprach zu ihnen: "Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten."

Das ist der entscheidende Satz: "Ich bin das Brot des Lebens". Nicht, ich kann euch das Brot des Lebens verkaufen - oder vielleicht sogar verschenken. Nicht: Ihr könnt was davon abhaben, sondern "Ich bin das Brot des Lebens".

Wir haben es mit ihm selbst zu tun, wir brauchen den Bäcker, dann haben wir auch das Brot.

Es ist schon richtig: Wenn wir den Bäcker haben, wenn wir zum Bäcker kommen, dann haben wir auch etwas davon: "Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern". Das heißt nun aber nicht, daß wir da ab und zu mal hingehen können, um etwas zu essen zu kaufen. Sondern es heißt: Wenn wir bei ihm sind, wenn wir glauben, dann haben wir keinen Hunger mehr. Das ist schon ein großer Unterschied!

Leistung und Gegenleistung - nach diesem Schema funktioniert unsere Welt, sagte ich anfangs. Daran wird sich nichts ändern. Nur das Brot des Lebens, das bekommen wir nicht nach diesem Schema. Denn wir bekommen nicht einfach ein Brot, das satt macht, sondern Jesus selbst. Wenn wir ihn haben, müssen wir keinen Hunger mehr leiden.

Ich gebe zu, liebe Gemeinde, wenn wir sagen könnten: In dem Ort soundso gibt es einen Laden, dort können wir das Brot des Lebens für eine bestimmte Gegenleistung kaufen und damit haben wir das ewige Leben - das wäre vielleicht einfacher. Mindestens auf den ersten Blick. Auf der anderen Seite wissen wir: Es gibt einen Hunger, den man nicht dadurch befriedigen kann, daß man etwas kauft und das in sich hineinstopft. Es gibt einen Hunger nach Leben, nach Liebe, nach Hoffnung der ganz tief in uns sitzt. Zeitweise schaffen wir es, ihn zu betäuben, richtig satt werden wir kaum. Deshalb sagt Jesus: Ihr müßt schon zu mir selbst kommen, um euren Hunger zu befriedigen. Ihr müßt euch schon durch mich verwandeln lassen, um nicht mehr zu hungern. Ich bin für euch das Brot des Lebens - ohne Leistung und Gegenleistung. Ich bin es, weil ich euren Lebens- und Liebeshunger befriedigen kann. In dem Lied, das wir gleich singen werden, (EG Nr. 197) heißt es: "Dein Wort bewegt des Herzens Grund, dein Wort macht Leib und Seel gesund, dein Wort ist's, das mein Herz erfreut, dein Wort gibt Trost und Seligkeit."

Amen.

Dr. Johannes Neukirch
Ellhornstr. 2
21784 Geversdorf
E-Mail: Johannes.Neukirch@t-online.de


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