Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


9. Sonntag nach Trinitatis
1. August 1999
Predigttext: Matthäus 7, 24-27
Verfasser: Johannes Neukirch

Predigttext:

"Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet.

Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein, und sein Fall war groß."

Liebe Gemeinde,

was gibt es da noch lange zu überlegen? Selbstverständlich will ich mein Haus auf einen Felsen bauen, das ist doch klar! Besonders wenn ich weiß, daß die Regengüsse, die Wasserfluten und die Stürme Bilder für das letzte Gericht sind. Natürlich will ich letzten Endes auf der sicheren Seite sein, natürlich soll mein Lebenshaus vor Gott bestehen, so daß ich vor ihm Gnade finde. Da muß ich nicht lange überlegen. Egal, wie ich mir so etwas wie das letzte Gericht vorstelle - mein Lebenshaus soll auf einem festen Fundament stehen, es soll Bestand haben, von Dauer sein. Also, das wäre die Konsequenz daraus, muß ich das, was Jesus sagt, nicht nur hören, sondern auch tun - so steht es hier. Und kurz vor unseren Versen sagt Jesus (7,21): "Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel."

Wenn ich unseren Text wie eine Bauanleitung für das Lebenshaus, für meinen Lebensentwurf lese, dann scheint alles klar zu sein. Ich müßte dann nur noch wissen, wie ich den Willen Gottes erfülle. Das ist aber gar nicht so einfach, wie es vielleicht scheint. Wie sieht denn das aus, wenn wir die Rede Jesu hören und dann auch tun? In der Bergpredigt sagt Jesus zum Beispiel (5, 38 ff.): "Ihr habt gehört, daß gesagt ist: "Auge um Auge, Zahn um Zahn." Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar." Oder, an einer anderen Stelle: "Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. .... Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist." (Matthäus 5,44f.48)

Das sind bei näherer Betrachtung schon gewaltige Forderungen, die da auf uns zukommen, wenn wir wollen, daß unser Lebenshaus auf einem Felsen steht. Und wenn wir Sätze hören wie diese: "Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet" (6,25), dann merken wir: Dieser Lebens-Hausbau auf dem Felsen deckt sich nicht unbedingt mit unserem alltäglichen Leben, das wir gewohnt sind zu führen. Und langsam werde ich unsicher: Worauf habe ich denn mein bisheriges Leben aufgebaut? Was würde denn passieren, wenn das Unwetter nun plötzlich über mich hereinbricht? Bleibt mein Lebenshaus stehen oder fällt es in sich zusammen?

Mir wird klar: Hier geht es nicht um eine Bauanleitung für mein Lebenshaus. Denn ich kann gar nicht bei Null anfangen mit dem Bauen. Ich wohne ja schon drin in dem Haus, der Bau steht schon lange. Deshalb verstehe ich unseren Predigttext nicht als eine Bauanleitung, sondern als eine Anfrage: Auf welchem Grund, auf welchem Fundament stehst du eigentlich? Wie stehst du zu deinen Lebensentwürfen, zu deinen Plänen, Wünschen, Hoffnungen, die dein Leben bestimmen?

In unserem Leben auf einem festen Grund zu stehen, ist ein Wunsch, den wir, so denke ich, alle haben. Von Kindesbeinen an arbeiten wir daran. Unsere Eltern haben - wenn alles gut ging - damit begonnen, indem sie uns erzogen haben, dafür gesorgt haben, daß wir zur Schule und zum Konfirmandenunterricht gehen, daß wir eine Ausbildung bekommen, daß wir, wie es so heißt, "ordentliche Menschen" werden. Im Laufe der Zeit haben wir dann selbst die Verantwortung dafür übernommen oder stehen noch davor. Es geht darum, einen Beruf zu wählen, eine Familie zu gründen, ordentlich durchs Leben zu kommen und so weiter und so fort. Dabei ist es gar nicht so einfach, für sich selbst zu klären: Was will ich eigentlich mit meinem Leben anfangen? Nicht selten ist das ein Abschied von manchen Träumen. Deshalb arbeiten wir ständig daran, etwas aus unserem Leben zu machen. Wir möchten zufrieden sein. Und wenn wir die Ziele, die wir uns gesteckt haben, erreicht haben, sind wir das auch. Dann haben wir das Gefühl, daß unser Leben auf einem sicheren Boden steht, und daß uns so schnell nichts aus der Bahn wirft.

Das allerdings ist die andere Seite der Medaille: Vieles kann uns aus der Bahn werfen, oft ohne unser Zutun. Krankheiten zum Beispiel oder der Tod eines geliebten Menschen. Solche Gründe können den scheinbar so festen Grund schnell ins Wanken bringen. Dann stellt sich erst recht die Frage: Auf welchem Grund steht eigentlich unser Lebens-Haus?

Jesus sagt: Euer Haus ist dann auf einem Felsen gebaut und standhaft, wenn ihr das, was ihr gehört habt, auch tut. Und ich habe ja vorhin schon ein paar Beispiele gebracht, was Jesus von uns verlangt. Wenn Sie jetzt sagen: Meine Güte, kommt das auch noch dazu, damit ich auf sicherem Boden stehe - was denn noch alles...., dann gebe ich Ihnen recht. Das was Jesus in der Bergpredigt verlangt, kann ich nicht einfach wie eine Bauanleitung für ein sicheres Lebenshaus übernehmen. Ich kann das nicht einfach so in meinen Lebensentwurf einbauen und noch zu all den anderen Dingen dazutun. Die linke Backe hinhalten, wenn mich jemand auf die rechte schlägt, vollkommen sein wie der Vater im Himmel vollkommen ist, sich nicht um essen und trinken und um Kleidung sorgen, sondern alles Gott überlassen - das alles wird leicht zur Überforderung.

Eine Überforderung, eine Superleistung im Hausbau soll der Wille Gottes sicherlich nicht werden. Aber eine Anfrage an die Fundamente, auf die wir unser Leben aufbauen. Das, was Jesus sagt, soll nicht irgendein Baustein in unserem Lebenshaus sein, sondern das Fundament selbst, auf dem wir dann weiterbauen. Den Willen Gottes zu tun, soll nicht irgendeine Rolle in unserem Leben spielen, sondern unser Leben von Grund auf bestimmen. Alles andere, unsere eigenen Pläne, unsere eigenen Lebensentwürfe sind die Häuser, die auf diesem Fundament stehen! Keines gleicht dem anderen, jedes Leben sieht anders aus. Aber alle stehen auf demselben Fundament, auf Jesus Christus. Er ist ein absolut sicheres und festes Fundament. Und das wirkt sich auf die Häuser aus, die auf diesem Fundament stehen. Denn die darauf gebauten Lebensentwürfe leben davon, daß Christus zu uns gekommen ist und in unserem Leben die entscheidende Rolle spielt. Sie leben davon, daß mit Christus eine neue Zeit angefangen hat. Jetzt können Häuser auf Fels gebaut werden. Jetzt kann es passieren, daß jemand die linke Backe hinhält, wenn er auf die rechte geschlagen worden ist, daß jemand seine Feinde liebt, daß jemand voll und ganz auf Gott vertraut. So etwas geschieht, wenn wir unser Lebenshaus auf den Glauben stellen, daß Christus der Sohn Gottes ist und daß er eines Tages das vollenden wird, was er angefangen hat.

Amen.

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Dr. Johannes Neukirch, Geversdorf
E-Mail: johannes.neukirch@t-online.de


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