Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Unser Vater

In drei Gottesdiensten ausgelegt in Predigt, Gesang und Musik

Die Idee und ihre Umsetzung
1. Gottesdienst
2. Gottesdienst
3. Gottesdienst


1. Gottesdienst mit Abendmahl, Pastorin Töpfer

Orgelvorspiel: H. Scheidemann, "Vater-unser I"

EG 447, 1.2.7.8; Psalm 8, 1-4; 374, 1.3.5; 344, 1-4; 186

Predigttext:

Unser Vater im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.

Liebe Gemeinde!

Das Unser Vater ist ein Gebet. Das wohl bekannteste christliche Gebet überhaupt.

Aber beten, was ist das?

Ein Gebet ist keine selbständige Handlung, keine Aktion. Ein Gebet ist eine Reaktion. Wenn ich bete, dann setze ich voraus, daß da jemand ist, mit dem ich im Gebet reden kann. Ich gehe davon aus, daß ich ein Gegenüber habe, denn sonst würde ich ein Selbstgespräch führen. Ich kann mich aber nur an dieses Gegenüber wenden, wenn ich vorher davon gehört habe. Das Gegenüber unserer Gebete ist Gott, der den Menschen anspricht. Der Mensch, der hört, kann dann im Gebet antworten, reagieren. Gebet ist die Antwort des Menschen auf Gottes Ansprache.

Wir beten: Unser Vater im Himmel.

Mit der Anrede "Unser Vater" stellen wir gleich zu Beginn das Verhältnis klar, in dem wir zu Gott stehen. Wir nennen ihn Vater. Vater, was meint das?

Das Vaterbild ist im Wandel. Die Rolle der Väter ist heute mehr und mehr Thema von Diskussionen. Die neuen Väter suchen ihre Rolle in Bezug auf ihre Kinder zum Teil in Abgrenzung von dem, was sie selbst erlebt haben. Sie nehmen eine aktive Vaterrolle wahr. Sie wollen ihren Kindern Geborgenheit schenken und Vertrauen ermöglichen. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist eher düster. Väter, die ihre Kinder kaum sehen, da sie durch ihre Berufstätigkeit kaum Zeit dazu haben, oder weil sie sich vor der Geburt aus dem Staub gemacht haben.

Und dann die ganz dunkle Seite:
Sogenannte ehrbare Familienväter mißbrauchen ihre eigenen und auch fremde Kinder. Das ist nichts Neues, aber heute wird darüber gesprochen und geschrieben. Wir hören mehr darüber als früher. Mißbrauch und Pornographie auch durch Väter, das gibt es.
Mit diesem Wissen kann es dann manch einem schwer fallen, Gott im Gebet als Vater anzusprechen.

Aber trotz des Mißbrauchs drückt die Anrede "Vater" Vertrauen aus. Wenn ich Gott im positiven Sinne Vater nennen darf und das auch tue, dann bekräftige ich damit, daß er für uns da ist und wie ein guter Vater für uns sorgen will und ein offenes Ohr hat für die Dinge, die uns beschäftigen. Wenn wir Gott im Gebet Vater nennen, dann sagen wir auch von uns, daß wir Kinder Gottes sind.

Wir beten: Unser Vater im Himmel.

Nicht mein Vater oder dein Vater, sondern unser Vater. Ich höre häufiger den Satz: Ich habe meinen Glauben. Ich brauche die anderen nicht. Ein Begründung zum Beispiel für einen Kirchenaustritt. Mein Glaube gehört mir, nur mir allein, damit hat kein anderer außer Gott etwas zu tun, erst recht keine Kirche. Individualisierung und Selbstbestimmung ist das Motto der Zeit. Und doch erleben viele heute die Grenzen dieser Selbstbestimmung. Ohne die Gemeinschaft mit anderen, sei es in der Familie oder bei Freunden oder auch in der Nachbarschaft, kann ich, wenn es mal darauf ankommt, ganz schön alt aussehen.

Wenn ich nur an mich selbst denke, wer denkt an mich, wenn ich an meine Grenzen komme. Dann muß schon eine neue Struktur her, die aus dem Ich den Weg zu einem Wir sucht, wie die Erweiterte Nachbarschaftshilfe Bovenden. Ich bete aber nicht nur zu meinem Vater, sondern zu unserem Vater.

Wir beten: Unser Vater im Himmel.

Der Himmel ist weit weg und scheint in diesem Sommer darüber hinaus auch sehr viel zu weinen. Der Himmel als Ausdruck für Unnahbarkeit? Oder der Himmel als Ausdruck für das, was uns alle umspannt und umgibt, uns hier in Bovenden und die Südafrikaner, die vor 10 Tagen bei uns waren auch? Unser Vater, der für uns alle da ist.

Unser Vater im Himmel - weil er sich von unseren irdischen Vätern mit all ihren Fehlern unterscheidet, weil er mehr Vater ist als unsere irdischen Väter es sein können, deshalb im Himmel.

Gemeinde: EG 344,1

Wir beten: Geheiligt werde dein Name

Was ist heute noch heilig?

Entheiligung nimmt mehr und mehr Raum ein. Sichtbar und erlebbar ist Scheinheiligkeit. An die Stelle von Bewunderung und Anerkennung tritt häufig eine Art menschlicher Heiligung, eine Art Verehrung. Die neuen Heiligen sind für manche die Ärzte oder zumindest bestimmte Koryphäen, berühmte Fachleute. Sie werden auf Sockel gehoben, verehrt, ja fast geheiligt.

Dagegen bitten wir im Gebet: dein Name werde geheiligt. Die Heiligung seines Namens meint das Offenbarwerden Gottes unter uns Menschen. Man könnte auch sagen: geheiligt werde dein Name bedeutet: Du sollst bekannt werden. Du – Gott - sollst anerkannt werden unter uns. Wir bitten Gott, daß er auch hier und jetzt für die Heiligung seines Namens eintritt und für alles, was damit verbunden ist, für seine Gerechtigkeit.

Wir bitten ihn:
Gott gib uns, daß wir dich recht erkennen und nach dir fragen. Wir bitten dich, daß wir dich heiligen, daß du als Gott, als unser Vater unter uns sichtbar und erfahrbar bist. Wir beten, daß wir unser ganzes Leben, unsere Gedanken, Worte und Werke danach gestalten. Und wir bitten, daß dein Name unter uns und unseretwegen nicht gelästert, sondern geehrt und gepriesen wird. Das meint nicht nur die Feier von Gottesdiensten, nicht nur Singen, Beten und Predigten hören. Es bedeutet, Gottes Namen in unserem Leben zu heiligen, den Nächsten zu lieben und etwas für andere zu tun. Gottes Namen hier auf Erden bekannt zu machen.

Geheiligt werde dein Name.

Gemeinde: EG 344,2

Wir beten: Dein Reich komme

Viele Reiche sind gekommen und gegangen. Manche nannten sich Weltreiche oder heiliges römisches Reich deutscher Nation oder drittes Reich. Zu allen Zeiten haben Menschen unter ihnen und ihren Herren leiden müssen - bis heute.

Gottes Reich ist anders. Es ist ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, auf das wir eher hoffen, als daß wir es erleben.

Ein Nicaraguenser sagt es so: "Wenn wir darum bitten, daß es kommen soll, dann ist es also noch nicht gekommen. Und wenn wir bitten, daß es kommen soll, dann muß es auch kommen. Und wenn es kommen muß, dann ist es nicht im Himmel oder in einem anderen Leben. Sonst bäten wir ja nicht, daß es kommen solle, sondern daß wir dorthin kämen. Das Reich Gottes ist also etwas, das auf die Erde kommen muß und noch nicht gekommen ist." (Cardenal, Das Evangelium der Bauern von Solentiname)

Wir bitten Gott, sein Reich möge kommen hier und jetzt und auch in der Zeit, die noch kommen wird. Wir bitten ihn: Trete doch ein für dein Reich gegen unsere irdischen Reiche. Wir bitten dies in der Gewißheit und der Hoffnung, daß Gottes Reich anders ist. Dein Reich komme im Kleinen wie im Großen. Du kannst dafür eintreten und so bitten wir dich.

Gemeinde: EG 344,3

Wir beten: Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden

Viele die Macht und Geld haben, setzen alles daran, ihren Willen durchzusetzen. Was dabei herauskommt, wissen wir. Die Reichen werden reicher und die Masse der Armen wird immer größer. Der Mittelstand fällt mehr und mehr weg, das merken wir selbst in unserem Land. Seinen Willen durchzusetzen geht oft genug auf Kosten vieler zum Nutzen einiger weniger. Egoismus führt zum Durchsetzen des eigenen Willens.

Der Wille Gottes stellt uns als Menschen hinein in die Gemeinschaft mit anderen, die genau wie wir ein Recht auf Leben haben. Der Wille Gottes ist beherrscht von der Liebe nicht nur zu meinesgleichen. Der Wille Gottes sagt der Ungerechtigkeit und Unterdrückung ab. Von Gottes Willen ist bei uns im Alltag, bei der Arbeit und in der Wirtschaft wenig zu spüren. Hier auf der Erde leben wir vollkommen anders. Wir erleben den krassen Unterschied zwischen dem guten Willen Gottes und unserem Willen. Wir bitten im Gebet, daß wir hier genauso leben möchten, wie Gott es will. Sein Wille im Himmel soll auch sein Wille hier auf Erden sein. Wir bitten Gott, daß sein guter Wille auch unseren Willen leiten möge. Wir bitten ihn um Kraft, daß wir auch selbst aktiv werden können und uns selbst seinem Willen zuordnen, der nicht ausschließt, sondern mitsorgt. Wir beten: Dein Wille geschehe im Himmel und auf Erden.

AMEN

Gemeinde: EG 344, 4

Orgelnachspiel: H. Scheidemann: "Vater-unser II"



Organistin Telma Guise-Püschel, Plesseweg 21, 37120 Bovenden, Tel. 0551 - 8 23 43
Pastorin Anne Töpfer, Steffensweg 65, 37120 Bovenden, Tel. 0551 - 8 32 55


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