
3. Staffel (September bis Dezember 2022)
Von Gott in den Nationalrat geschickt – Vanessa Kopplin über die Verflechtung von Politik und Religion
Nicht nur in Russland, im Iran und in den USA hängen Politik und Religion eng zusammen, auch in Deutschland und in der Schweiz sind politische Entscheidungen oft mit religiösen Überzeugungen verbunden. Aber wirkt sich tatsächlich der Glaube und die religiöse Zugehörigkeit von Parlamentarier:innen auf ihre politische Arbeit aus? Vanessa Kopplin hat das untersucht und ist zu überraschenden Ergebnissen gekommen. Im Gespräch erzählt sie, weshalb man sich in der Schweiz nicht als «Fischli» outen darf, wieso SVP-Politiker:innen die Kirche zwar kritisieren, aber nicht aus ihr austreten und von einer Parlamentarierin, die bei wichtigen Entscheidungen im Bundestag ihre tote Grossmutter um Rat bittet.
Dies ist die letzte Folge der 3. Staffel von «Erleuchtung garantiert». Neue Episoden gibt es wieder ab Ende Februar – alle zwei Wochen am Freitag!
Machs wie Gott, werde Mensch – Jörg Frey über die Weihnachtsgeschichte(n)
Die Geburtsgeschichte von Jesus war für Christ:innen lange Zeit kaum von Bedeutung. Und Weihnachten als Fest «der Liebe», der Familie und der Geschenke ist eine ziemlich neue Tradition. Jörg Frey, Professor für Neutestamentliche Wissenschaft und Antikes Judentum, erzählt wie Ochs und Esel in die Krippe kamen und weshalb Martin Luther das Christkind erfunden hat. Was ist der philosophische Kerngedanke der Weihnachtsgeschichte, was ist die Idee der «Fleischwerdung»? Frey jedenfalls spricht sich dafür aus, Welt und Leiblichkeit ernst zu nehmen!
Wir wollen keine Helden sein – Nadezhda Beliakova über politischen und religiösen Widerstand in der UDSSR und Russland
Lange Zeit konnte die Historikerin Nadezhda Beliakova in Moskau ungestört zu religiösem Widerstand in der späten Sowjetunion und zu den Beziehungen von Staat und religiösen Gemeinschaften in der Ukraine, in Belarus und im Baltikum forschen. Spätestens nachdem sie und ihr Mann sich allerdings an Protestbriefen und ihre Tochter an Strassenaktionen gegen den Krieg in der Ukraine beteiligten, gab es staatliche Konsequenzen und das Ehepaar entschied sich im Juni 2022 für das Exil.
Im Podcastgespräch erzählt die Wissenschaftlerin von ihrer eigenen Situation und von einer politischen Elite, die Historiker:innen nicht als Expert:innen akzeptiert, sich selbst aber auf die (angebliche) Geschichte Russlands beruft. Zudem berichtet sie von Netzwerken religiöser Aktivist:innen zur Zeit des «Eisernen Vorhangs» und von einem Gärtner aus der DDR, der wider Willen zum Bibelschmuggler wurde.
Möchte Gott eine Päpstin? – Dorothea Sattler über Reformprozesse in der römisch-katholischen Kirche
Die römisch-katholische Kirche muss sich verändern. Das ist nicht nur ein dringendes Anliegen vieler Kirchenangehöriger, sondern gemäss Papst Franziskus auch der Wille Gottes. Entscheidungen sollen dereinst nicht mehr vom Papst und den Bischöfen alleine getroffen werden, sondern unter Einbezug der Gemeinden. Die römisch-katholische Theologin und Aktivistin Dorothea Sattler setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass in diesem Zusammenhang auch Frauen angemessen beteiligt werden müssen und die volle Teilhabe an allen Diensten und Ämtern erhalten sollten. Sie ist überzeugt, dass ein umfassender Reformprozess mit Machtverzicht, Partizipation und Transparenz für die Zukunft der katholischen Kirche unverzichtbar ist – als Alternativen blieben nur die Gründung einer neuen Kirche oder der stille Rückzug.
Dorothea Sattler wurde von der Theologischen Fakultät der Universität Zürich 2022 mit der Ehrenpromotion für ihr ausserordentliches Engagement gewürdigt.
Am Schluss dieser Podcast-Folge findet sich ein aktueller Hinweis auf die Pop-Up Konferenz «Research on Religion and Spirituality by Scholars at Risk», die vom 1.–3.12.2022 an der Theologischen Fakultät in Zürich stattfinden wird. Die Konferenz ermöglicht den Austausch unter geflüchteten und im Exil-lebenden Wissenschaftler:innen aus Ländern wie der Ukraine, Iran, Afghanistan und China und bietet Einblicke in die vielfältige Forschung dieser «Scholars at Risk». Interessierte sind herzlich eingeladen, vor Ort in Zürich oder online teilzunehmen.
Sind Gebete zwecklos? – Markus Höfner über Beten als religiöse Praxis mit sozialen und politischen Dimensionen
Was hilft es den kriegsversehrten Menschen in der Ukraine, wenn jemand für sie betet? Meinen gläubige Menschen tatsächlich, Gott durch Gebete beeinflussen zu können? Der Theologe und Religionsphilosoph Markus Höfner hält die Annahme für unplausibel, Gebete hätten eine kausale, «magische» Wirkung auf Gott und damit unmittelbaren Einfluss auf das Geschehen in der Welt. Er argumentiert dennoch dafür, dass Beten mehr als ein innerpsychisches Wellness-Programm ist und Gott mehr als eine nützliche Fiktion. Ausserdem spricht er über das Beten als Empowerment, über Gebetsräume, das Minarettverbot in der Schweiz und Entweihungsgottesdienste.
Von Samhain zu Halloween? – Bernhard Maier über Kelten, Kontinuitäten und Kommerzialisierung
Gehen die grusligen Halloweenmasken tatsächlich auf einen keltischen Totenkult zurück? Oder hat Halloween mit den kirchlichen Totenfeiertagen Allerheiligen und Allerseelen am 1. und 2. November zu tun? Der Religionswissenschaftler und Keltenspezialist Bernhard Maier spricht über politisch und religiös motivierte (Fehl-)Interpretationen alter Bräuche, die Vielfalt christlicher Traditionen und das vermeintliche Verschwinden der Kelten. Ausserdem geht es um Prunkgräber, den «germanischen Lichterbaum» und um die Paddington-Teddies für die Queen.
Der weibliche Körper als Schlachtfeld – Die iranische Philosophin Saida Mir Sadri über Kopftuch, Freiheit und Gott
Bei den gegenwärtigen Protesten im Iran geht es nicht um das Kopftuch an sich, sondern um die Freiheit es zu tragen – oder auch nicht. Saida Mir Sadri, Gastprofessorin für Islamische Theologie und Bildung, hat in Ghom, der vielleicht konservativsten Stadt des Irans, sehr erfolgreich unter lauter Männern studiert und setzt sich in ihren wissenschaftlichen Arbeiten u.a. mit der Verantwortung des Menschen für die Welt auseinander.
Als muslimische Philosophin ist sie überzeugt, dass es im Islam neue Antworten auf zeitgenössische Fragen braucht – ob beim Thema Ökologie oder Frauenrechte – und damit auch Gott neu gedacht werden muss. Als Dozentin an der Universität Zürich wundert sie sich darüber, dass Schweizer Männer Frauenrechte offenbar als Frauensache wahrnehmen – ganz im Gegensatz zu den meisten jungen Iranern.
Faschismus in Indien – Britta Ohm über Hindu-Nationalismus und die Verdrehung von Täter und Opfer
Indien entwickelt unter dem Einfluss der hindu-nationalistischen Partei BJP immer stärker faschistische Strukturen. Ausgehend von der Idee des Hindu als biologisch-rassische Kategorie werden Minderheiten systematisch ausgegrenzt und die Rolle von Tätern und Opfern verdreht. Die Politikwissenschaftlerin und Anthropologin Britta Ohm zeigt auf, wo diese Entwicklung ihre Ursprünge hat, wie sie konkret funktioniert und wohin sie führt. Ausserdem erzählt sie von einem Imbissverkäufer, der verhaftet wurde, weil er sein Essen ins falsche Zeitungspapier gewickelt hat, und erklärt, weshalb in den Vorgärten indischer TV-Familien stets ein Tulsi-Baum steht.
Kindheit in Holland, Jugend in Zürich, Forschung im Iran: Mit UZH-Rektor Michael Schaepman im Gespräch
UZH-Rektor Michael Schaepman berichtet von seiner Kindheit und Jugend zwischen Calvinismus, Katholizismus, Luthertum und Zwinglianismus und hinterfragt seine von den Eltern geprägte Arbeitsmoral. Er erzählt von seinen Iranreisen als Geograph, den faszinierenden Klimabedingungen dort und davon, dass der Iran anders ist als erwartet. Er traut dem theologischen Denken und dem religionswissenschaftlichen Wissen über Religionen einiges zu und plädiert dafür azyklisch zu investieren, sich den Fragen der Ethik und den Wertediskussionen zu stellen – denn die Existenz Künstlicher Existenz zieht seiner Meinung nach «eine riesige Ethikdiskussion, eine Wertediskussion hinter sich her» die Frage ist «wer übernimmt die Verantwortung? … das machen nicht die Naturwissenschaftler…»