Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171

Konfirmation, 2008

Predigt zur Konfirmation, verfasst von Bernd Giehl

Predigt über Sprüche 3,1-8 anlässlich der Konfirmation

Vorbemerkung: Wenn ich mich richtig erinnere, dann habe ich noch nie an einer Konfirmation über einen der vorgeschlagenen Texte gepredigt. In den letzten Jahren zumindest habe ich immer versucht, an das Thema anzuknüpfen, das ich mit den Konfirmanden im Vorstellungsgottesdienst behandelt habe. Und wenn ich mir diesen Text so ansehe, dann habe ich das Gefühl, der sei geradezu abenteuerlich weit weg von den Jugendlichen. Andererseits: Warum sich nicht einmal auf ein Abenteuer einlassen? Herausforderungen sind schließlich dazu da, aus ihnen zu lernen.

 

Es ist jetzt ziemlich genau vierzig Jahre her, dass ich konfirmiert wurde. Der Pfarrer, der den Konfirmandenunterricht bei uns hielt, stand kurz vor der Pensionierung. Gern würde ich wissen, was er von der Art, wie wir heute Konfirmandenunterricht durchführen, gehalten hätte. Was er zum Beispiel dazu gesagt hätte, dass wir auf der letzten Konfirmandenfreizeit die Geschichte vom Auszug aus Ägypten gespielt haben. Wahrscheinlich hätte er nur den Kopf geschüttelt. Und wenn er wüsste, dass wir auf der Freizeit sogar den Thron Gottes gebaut haben ...

Der Konfirmandenunterricht von damals scheint mir - im Nachhinein betrachtet - nicht nur vierzig Jahre her. Damals haben wir noch viel auswendig lernen müssen. Nicht nur das Glaubensbekenntnis, die Zehn Gebote und das Vaterunser, sondern auch Luthers Erklärungen zu den Artikeln des Glaubensbekenntnisses zu den Geboten und den einzelnen Bitten des Vaterunsers. Auch ein paar Psalmen mussten wir auswendig aufsagen können, sowie das eine oder andere Lied aus dem Gesangbuch. Und das Schönste von allem: Wir mussten das Gelernte am Ende auch wirklich präsentieren. Nicht nur vor unserem Pfarrer, der uns womöglich in einer Konfirmandenstunde abgefragt hätte sondern in einer richtigen „Prüfung" im Gottesdienst. Vor unseren Eltern, den Paten, dem Kirchenvorstand und der ganzen Gemeinde. Ihr kennt das als Vorstellungsgottesdienst, wo ihr ein eigenes Bild präsentiert oder einen Text, den ihr selbst geschrieben habt. Wir mussten in unserer Vorstellung die Erklärung zum ersten Artikel des Glaubensbekenntnisses auswendig aufsagen. „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat mit aller Kreatur, mir Leib und Seele, Augen und Ohren, Vernunft und alle Glieder gegeben hat." Und so weiter. Und hoffen, dass man in diesem langen Sermon, der natürlich noch endlos weitergeht, nicht stecken blieb.

Unvorstellbar für euch, liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden? Wahrscheinlich. Wir dagegen, wir kannten es nicht anders. Generationen vor uns waren durch diese Prüfung gegangen und die meisten hatten sie wohl auch geschafft und Generationen nach uns würde sie auferlegt werden. Zur Ehre unseres Pfarrers muss ich immerhin sagen: Er hat in den Stunden vorher mit uns abgesprochen, wer bei welcher Frage an die Reihe käme. So war es nicht ganz so schwierig, wie es wahrscheinlich vorhin klang, und natürlich haben wir alle „bestanden".

 

II

Und jetzt versuche ich einmal mich in euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden hineinzuversetzen. Ich glaube, ich weiß, wie das in euren Ohren klingt. Als ich so alt war wie ihr, oder vielleicht auch ein bisschen jünger, fuhr mein Vater mit uns Kindern jeden Sonntagnachmittag zu seinem Vater ins übernächste Dorf. Und manchmal erzählte mein Großvater; der war damals schon über Siebzig, Geschichten, die er im Ersten Weltkrieg erlebt hatte. Da war plötzlich der Bär aus dem Gebüsch gebrochen und er hatte die Flinte hochgerissen ... Na ja, so in der Art. Und ich dachte dann manchmal: Ja, ja, du und deine Heldentaten ...

Aber es geht mir nicht darum, mit irgendwelchen Heldentaten aus meiner Jugend zu prahlen. Es geht mir vielmehr darum, eine Brücke zu bauen zwischen dem Text, den ich zu Anfang meiner Predigt vorgelesen habe und euch bzw. Ihnen. Schon der Anfang ist ja bemerkenswert. „Mein Sohn, vergiss meine Weisung nicht und dein Herz behalte meine Gebote, denn sie werden dir ein langes Leben bringen und gute Jahre ..." Das klingt ungefähr so wie die Zeit, von der ich vorhin erzählt habe. All die heiligen Texte auswendig lernen und sie, wenn man gefragt wird, wie aus der Pistole geschossen, aufsagen können.

Und warum das alles? Unser Pfarrer hat es damals so begründet, man müsse eine Notration für schlechte Zeiten im Gepäck haben. Er war Soldat im Zweiten Weltkrieg gewesen; für ihn stimmte das Bild. Nur wir konnten damit nichts mehr anfangen.

 

III

Alles lange her? Ja, vielleicht. Und die meisten Pfarrerinnen und Pfarrer, die ich kenne, arbeiten auch nicht mehr so. Weder in der Schule noch im Konfirmandenunterricht wird noch viel auswendig gelernt. „Niedrigschwellig" soll der Konfirmandenunterricht sein, wie überhaupt alle Angebote der Kirchengemeinde. Um Gotteswillen nur ja niemanden abschrecken.

Warum aber dann nicht noch einen Schritt weitergehen und den Konfirmandenunterricht nicht einfach ganz zur Jugendarbeit umfunktionieren und mit euch auf die Eisbahn fahren oder Fußball spielen und zur Not auch mal über ein Thema wie Liebe diskutieren oder über die Frage, warum Drogen eigentlich verboten sind? Würde das nicht viel mehr Spaß machen? Warum überhaupt Konfirmandenunterricht?

Ja, warum? Wahrscheinlich doch zuerst einmal deshalb, weil das Christentum - genau wie der Islam und das Judentum - eine Buchreligion ist. Ich will ja gar nicht behaupten, dass der christliche Glaube aus möglichst viel Wissen besteht. Christlicher Glaube ist mehr als das Glaubensbekenntnis aufsagen zu können, ohne sich ständig dabei zu verhaspeln, aber er beruht eben auch auf Wissen. Zunächst einmal geht es ganz einfach darum, die grundlegenden Geschichten der Bibel zu kennen, angefangen bei den beiden Schöpfungsberichten über die Geschichte vom Auszug aus Ägypten, die Zehn Gebote bis hin zu den Geschichten von Jesus. In diesen Geschichten, so glauben zumindest wir Christen, wird die Frage beantwortet, wer Gott ist und was er mit uns zu tun hat. Im christlichen Glauben geht es nämlich nicht um den alten Mann mit dem weißen Bart, der vor Urzeiten einmal die Welt erschaffen und sie dann sich selbst überlassen hat, sondern es geht um einen Gott, der die Menschen liebt und dem sie nicht gleichgültig sind.

Aber diese Geschichten sollte man auch verstehen. Die Welt hat sich verändert, seitdem sie aufgeschrieben wurden. Sie hat sich gewaltig verändert in diesen 2000 und mehr Jahren. Verstehen wir überhaupt noch, was der biblische Autor meinte, als er schrieb, Gott habe die Welt in sieben Tagen erschaffen? Diese Geschichte wurde vor ungefähr 2500 Jahren niedergeschrieben; seither ist einiges passiert. Wir wissen so unendlich viel mehr, als der Mann, der diesen Bericht schrieb, und natürlich stellt sich uns die Frage, ob man das, was da berichtet wird, überhaupt noch glauben kann, beziehungsweise ob man beides noch zusammenbekommt: den Schöpfungsbericht und unser Wissen aus der Naturwissenschaft. Darüber muss man nachdenken können, und dieses Denken lernt man - hoffentlich auch - im Konfirmandenunterricht. Im Übrigen hat das schon ein Martin Luther gewusst, der die Stelle im Glaubensbekenntnis, wo von Gott als dem Schöpfer des Himmels und der Erde gesprochen wird, eben nicht so auslegt, dass Gott vor langer, langer Zeit die Welt geschaffen hat, sondern sagt: „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat, samt allen anderen Geschöpfen."

So also fängt der Glaube an. Als Hören auf die biblischen Geschichten und zugleich als Wissen, dass diese Geschichten - wie verborgen auch immer - auch von mir handeln. Dass ich gemeint bin. Ich, der ich mich auch oft genug danach sehne, dass mich einer annimmt, so wie ich bin, ich der ich auch manchmal erst merke, dass ich den falschen Weg gehe, wenn es zu spät ist.

 

IV

Und an dieser Stelle möchte ich doch noch einmal auf den Text kommen, den ich meiner Predigt vorangestellt habe. „Mein Sohn, vergiss meine Weisung nicht, und dein Herz behalte meine Gebote ... Hänge meine Gebote an deinen Hals und schreibe sie auf die Tafel deines Herzens ..." Vielleicht spüren Sie, vielleicht spürt ihr ja, dass hier etwas ganz Ähnliches gemeint ist. Das alles ist in einer sehr altertümlichen Sprache gesagt, das will ich gern zugeben, aber darauf kommt es auch nicht an. Es geht um die Forderung, sich mit den Inhalten des Glaubens zu beschäftigen. Zu der Zeit, zu der diese Sätze niedergeschrieben wurden, war die jüdische Religion eine Gesetzesreligion, und es galt, die Forderung der Gesetze möglichst genau zu beachten. Davon sind wir heute weit entfernt, und so kann ich diese Worte auch nur sinngemäß übertragen. Wäre es anders, dann müsste auch der Konfirmandenunterricht anders aussehen. Dann ginge es viel mehr ums Auswendig lernen, oder womöglich - wie bei den Muslimen - um das Erlernen einer alten Sprache, damit man die Heiligen Texte im Original lesen kann. Aber eben darum geht es im christlichen Glauben ja gar nicht. Es geht nicht um das stupide Wiederholen auswendig gelernter Sätze. Es geht vielmehr um eine lebendige Beziehung zu einem Gott, den man zwar nicht sehen kann, von dem uns aber erzählt wird. Mit dem Menschen vor uns ihre Erfahrungen gemacht haben, und mit dem wir sehr wohl selbst auch Erfahrungen machen können.

Und dann, so sagt es dieser Text, wird es uns auch gut gehen. Das ist wiederum nicht so gemeint, dass Gott uns, wenn wir denn an ihn glauben, alle Steine aus dem Weg räumt. So einfach funktioniert der Glaube nicht. Aber Glauben heißt darauf zu vertrauen, dass Gott uns liebt. Dass er auf uns achtet und uns auf unserem Weg begleitet. Wenn wir das glauben können, wird uns der Glaube immer wieder neuen Mut geben, uns den Herausforderungen, die das Leben an uns heranträgt, zu stellen.

Ihr, liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden, steht am Anfang eures Lebens. Ich weiß ja, dass ihr es anders empfindet, aber vielleicht könnt ihr es mir für den Moment einfach einmal so abnehmen. Ihr steht am Anfang eures Lebens, und jetzt habt ihr die Chance, eine wichtige Weiche zu stellen. Konfirmation ist eben nicht zuletzt die Frage an euch, ob ihr euch für oder gegen den christlichen Glauben entscheidet. Ein Stück weit habt ihr ihn in dem Jahr, das jetzt hinter euch liegt, den Glauben kennen gelernt. Jetzt sollt ihr selbst die Entscheidung treffen, ob euch dieser Glaube wichtig ist. In der Taufe haben eure Eltern für die meisten von euch entschieden, weil ihr selbst noch zu klein wart. Weil aber keiner für den anderen glauben kann, darum gibt es die Konfirmation. Bei dieser Gelegenheit könnt ihr selbst „Ja" zum christlichen Glauben sagen. Ihr könnt „Ja" zu dem Weg mit Gott sagen, den ich euch in dem Jahr, das nun zu Ende geht, gezeigt habe. Ihr müsst nicht „Ja" sagen. Oder vielleicht sagt ihr ja einfach nur: Ich kann nur vorläufig „Ja" sagen. Ob aus diesem vorläufigen „Ja" ein endgültiges „Ja" wird, muss erst die Erfahrung zeigen. Aber wie auch immer ihr entscheidet: Ihr seid gefragt.



Pfarrer Bernd Giehl
Wiesbaden
E-Mail: bernd.giehl@t-online.de

(zurück zum Seitenanfang)