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ISSN 2195-3171

Konfirmation, 2008

Predigt zur Konfirmation über Sprüche Salomos 3,1f.5f, verfasst von Jochen Riepe


I

 

‚Kind, komm herunter! Du brichst dir noch den Hals!' Was waren das für Zeiten , als wir noch auf Zäune stiegen und übten die Balance! ‚Vorsichtig, aber nicht zaghaft'*. Was waren das für Zeiten, als Gott uns leicht fiel und alles Schwere vergessen ließ!

 

II

 

‚Meine Tochter! Mein Sohn! Höre meine Weisung und vergiß sie nicht!' Es gibt Gespräche, liebe Gemeinde, vor denen hat man Herzklopfen. ‚Meine Tochter! Mein Sohn!' - nicht wahr, wenn Eltern so beginnen, wird es ernst. Herzklopfen oder gar leichter Schwindel. Geht es um die Schule? Um die Liebe? Um den Beruf? Solche Gespräche können völlig danebengehen, regelrecht abstürzen. Sie können aber auch wunderbar gelingen , und dann balancieren wir auf Worten -‚vorsichtig, aber nicht zaghaft'.

 

III

 

‚Meine Tochter !Mein Sohn! Lisa. Gereon. Seppe. Vroni !' In die Reihe solcher Herzklopfengespräche gehört auch das Sprechen über Gott. Für viele Menschen ist allein das Wort 'Gott' schon schwindelerregend genug und das Gottesgespräch geradezu halsbrecherisch. Vor meinem Theologiestudium warnte mich ein Lehrer :'Wer auf's Hochseil geht, kann stürzen! Vorsicht! Riskant!' Aber eben , dieses Risiko wollte ich , und in dieses Risiko zieht uns der König Salomo heute hinein. Er springt auf die Mauer , balanciert und ruft seinen Kindern zu :'Verlaß dich auf den Herrn von ganzem Herzen.'

 

IV

 

Was waren das für Zeiten , als wir noch auf Zäune stiegen und übten unser Gleichgewicht! Was waren das für Zeiten, als Gott uns leicht fiel - ein Vater , ein Großvater , ein Freund, verlässlich , geduldig , immer da. Die Mahnungen Salomos rufen diesen Gott in Erinnerung und wollen ihn gleichsam retten , in den Lebenslauf seiner Kinder gleichsam hinüberretten: ‚Auf allen deinen Wegen gedenke Gottes und halte seine Gebote!'. Er ,der König Israels, der sich oft genug überfordert fühlte, er hat immer wieder Gottes Hilfe erfahren , und möchte -so sind wir Eltern nun einmal - auch diese Erfahrung weitergeben. Ob sie gehört wird?

 

V

 

Herzklopfengespräche. Die Schule. Die Liebe. Der liebe Gott. Wenn man ,liebe Gemeinde , mit jungen Leuten über die Weisungen des Königs spricht , dann wird viel Verständnis gezeigt . So sind Eltern nun einmal! Aber es wird in der Regel auch ein Einwand erhoben . Gott- immer dabei ... auf allen Wegen an ihn denken ...das kann einem Menschen doch auch zu viel werden. Kinder, kleine Kinder mögen das brauchen , aber ich muß, und ich kann auch auf mich selber aufpassen. Und dazu : Jeder Mensch will seinen Bereich, seinen Freiraum .

‚Tür zu! Und jetzt hab' ich Ruhe!' Selbst in der Bibel gibt es Gebete, in denen ein Mensch Gott bittet , doch wegzusehen. Weil er so schwer zu ertragen ist , dieser Gedanke , man würde ständig beobachtet.

 

VI

 

Ich glaube , dieser Einwand ist sehr wichtig. Jedes Gespräch ist ein Balanceakt, eine Suche nach Gleichgewicht und gegenseitiger Anerkennung, besonders aber das Gespräch mit Gott .Wenn hier die Gewichte nicht stimmen, wenn ein Gesprächspartner dominant, autoritär ,überfordernd , eben zu schwer wird, dann droht er abzustürzen und mit ihm alle anderen. Gott und immer nur Gott und das eigene Wort und der eigene Verstand gar nichts! Was ist denn , wenn ich für mich sein will? Ist er dann gekränkt oder gar giftig und böse? Man mag jetzt an solche Mitmenschen denken, die ständig Aufmerksamkeit wollen und sehr unruhig werden oder gar tödlich beleidigt sind, wenn sie nicht im Mittelpunkt stehen. Man mag an solche Gesprächspartner denken , die immer das letzte Wort haben müssen - und schließlich auch an solche Freunde, die einmal so und einmal so reden , und von denen wir wissen : Auf deren Worte können wir uns nicht verlassen.

 

VII

 

So , liebe Gemeinde, so ist Gott nicht. Ein Seilgang mit solch einem Wesen wäre von vornherein ein Untergangskommando und jeder Gesprächsversuch aussichtslos. Die Bibel lehrt Gott anders , und ich habe wie hoffentlich viele von uns Gott anders kennen gelernt .
Als einen Gesprächspartner, der selbst auf die Balance achtet; als eine Macht, heilig ,fremd ,'gewichtig'; als eine schöpferische , sensible Macht aber , die sich selbst sozusagen leicht machen kann und sich dezent und sanft auf uns Menschen einstellt. Gott spürt , wann es gut ist und genug gesagt wurde. Man braucht ihn nicht wegzuschicken oder mit Gewalt vor die Tür setzen. Er geht , und man kann ihn auch gehen lassen , sozusagen sich selbst überlassen. Er überlebt das , und du überlebst das! Gott riskiert unsere Freiheit, und sein Versprechen ist : Wenn du rufst, wenn du ihn brauchst, er wird da sein und das Gespräch mit dir fortsetzen.

 

VIII

 

‚Mein Sohn! Meine Tochter! Vergiß diese Weisung nicht!' Herzklopfengespräche. Balancieren über Worte und Sätze. Risiko. Es kann scheitern , es kann aber auch gut gehen ; alles Schwere wird leicht oder doch leichter. Wir haben im Unterricht dieses Gespräch versucht . Wir waren Seilgänger zwischen Himmel und Erde und haben uns , oder besser und menschlicher :etwas von uns, auf's Spiel gesetzt. Manchmal konnten wir uns nur schwer aufraffen. Manchmal kamen wir völlig aus dem Gleichgewicht. Manchmal gelang es : Glaubensakrobaten. Ich werde eure Gruppe vermissen, auch Sie, liebe Eltern - aber vielleicht ist irgendwo ein Seil gespannt, das uns erneut herausfordern wird.

 

IX

 

‚Kind, komm herunter ...!?' Nein ,Tochter , Sohn ! Nun auf die Zäune und Seile , die das

Leben baut und ausspannt. Lernt die Balance, eure Balance, werdet Lebens-Künstler und setzt die Füße - wie Seppe und Vroni , die Seilartisten bei Eduard Mörike,

'fest und zierlich, einen vor den andern ,
vorsichtig , doch nicht zaghaft,
die freien Arme jetzt weit ausgestreckt,
jetzt schnell wieder eingezogen'*!

Was waren das für Zeiten , sagen wir Älteren . Euer Privileg heute ist es zu sagen : Was werden das für Zeiten sein! Gott schütze euch , der Gott Israels, der Vater Jesu Christi , der im Taufbund sich euch zugesagt hat. Amen.

 

* Eduard Mörike , Das Stuttgarter Hutzelmännlein , in: E.M.,Werke in einem Band, München/Wien(1977) 4.Aufl. 1993, S. 892

 



Pfarrer Jochen Riepe

E-Mail: Jochen.Riepe@gmx.net

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