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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Passionsandachten 2008, 2008

5. Passionsandacht über Mk.14,66-72, verfasst von Ekkehard Heise

Liebe Gemeinde,

   Petrus verleugnet seine Freund Jesus. Er verleugnet damit auch ein Stück von sich selbst, denn Jesus, seine Botschaft und sein Leben, das war auch der ganze Einsatz des Petrus gewesen, dafür hatte er alles zurückgelassen, was ihm bis dahin wichtig war. In jener kalten Nacht im Hof des Hohepriesters verrät Petrus Jesus und mit ihm auch sich selbst.

   Im Kreuz Jesu und in den Kreuzen der Menschen, in beidem treffen wir auf Gott.  Es ist dies das Evangelium der Passionszeit, die frohe Botschaft, dass Gott in seiner Passion Stellung nimmt zu Gunsten der Leidenden. Das heißt nicht, dass wir uns um jeden Preis leiden müssten um Gott nah zu sein, sondern, es heißt, dass wir in unseren tatsächlichen Leiden, nicht von Gott verlassen sind.

Diese Erfahrung hat Petrus später dann auch gemacht. Sie gilt allen Menschen, die sich, oder Teile ihres Lebens verleugnen müssen.

   Menschen lügen und leiden. Es gibt auch Leiden, die peinlich sind, deshalb lügen Menschen. Alkoholkranke zum Beispiel. „Es war eine große Erleichterung", erzählte mir ein Mann, „als ich zum ersten Mal in der Gruppe den Mund aufmachen konnte und meinen Namen sagte und hinzufügte: ‚Ich bin Alkoholiker'. Niemals hatte ich es jemandem gegenüber auszusprechen gewagt. Mein Leben war ein einziges Versteckspiel. Ich fuhr über die Dörfer, kaufte wo man mich nicht kannte, oder in den großen Supermärkten alkoholische Getränke. Traf ich Bekannte erzählte ich etwas von alten Freunden, die unerwartet zu Besuch gekommen wären. Wenn ich mittags die ersten Magenbitter brauchte, erfand ich einen Arzt, der ihn meinem schwachen Magen verschrieben habe. Wenn ich abends nach Hause kam, verleugnete ich mich nicht nur am Telefon und an der Haustür, mein ganzes Leben war eine Lüge."

   Leiden, das kann eine Krankheit sein, oder eine körperliche Behinderung - auch eine Behinderung der Möglichkeiten zur Selbstentfaltung durch Mobbing am Arbeitsplatz oder direkte Armut. Betroffene Menschen werden verleugnet oder allein gelassen, verzweifeln. Leiden wird oft noch schlimmer, weil man es und die oder den Leidenden verleugnen muss. Petrus traut sich nicht zu sagen, dass er Jesus kennt - die Folgen wären fatal. Menschen fehlt der Mut, zu ihren Leiden oder zu Leidenden zu stehen, weil die Gesellschaft unbarmherzig und grausam sein kann.

   Das Evangelium der Passionszeit lautet in all seinen Texten: Kein Leidender ist gottverlassen. Das kann Kräfte mobilisieren, wo Hilfe unmöglich erschien.

Das verleiht auch dem Allerelendesten Würde und kann ihm Selbstachtung geben. Kein Leidender ist gottlos - das soll diejenigen, die anderen Leiden zufügen in Angst und Schrecken versetzen. Gott leidet mit, um mit schreien zu können, um die Schreie der Leidenden zu verstärken, damit sie Gehör finden. Gott will den Skandal menschlichen Leidens augenfällig machen, nicht damit er religiös überhöht werde, sondern damit alles daran gesetzt wird menschliches Leiden nicht zu verleugnen, sondern zu mindern. Gott hat Zeit für Leidende. Gott sich in Jesus als ein leidender Mensch vorgestellt, ein Mensch der gequält und von seinen eigenen Freunden verleugnet wurde, damit jeder der nach Gott sucht zu jemandem wird, der die Lüge, die Armut, die Verzweiflung, die Krankheit, die Unfreiheit und Ungerechtigkeit bekämpft und für die Opfer eintritt.

Pastor Dr. Ekkehard Heise, Ekkehard.Heise@t-online.de

 



Dr. Ekkehard Heise

E-Mail: Ekkehard.heise@t-online.de

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