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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Passionsandachten 2008, 2008

7. Passionsandacht über Mk 15,20-32, verfasst von Wolfgang Vögele

„Und als sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm den Purpurmantel aus und zogen ihm seine Kleider an. Und sie führten ihn hinaus, daß sie ihn kreuzigten. Und zwangen einen, der vorüberging, mit Namen Simon von Kyrene, der vom Feld kam, den Vater des Alexander und des Rufus, daß er ihm das Kreuz trage. Und sie brachten ihn zu der Stätte Golgatha, das heißt übersetzt: Schädelstätte. Und sie gaben ihm Myrrhe in Wein zu trinken; aber er nahm's nicht. Und sie kreuzigten ihn. Und sie teilten seine Kleider und warfen das Los, wer was bekommen solle. Und es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten. Und es stand über ihm geschrieben, welche Schuld man ihm gab, nämlich: Der König der Juden. Und sie kreuzigten mit ihm zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken.* Und die vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Ha, der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir nun selber und steig herab vom Kreuz! Desgleichen verspotteten ihn auch die Hohenpriester untereinander samt den Schriftgelehrten und sprachen: Er hat andern geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der Christus, der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz, damit wir sehen und glauben. Und die mit ihm gekreuzigt waren, schmähten ihn auch."

 

Liebe Gemeinde,

gerade war in Karlsruhe eine große Ausstellung mit den faszinierenden Bildern und Zeichnungen des Malers Matthias Grünewald zu sehen. Grünewald malte zu einer Zeit, in der fast alle Bildmotive aus biblischen Geschichten kamen. Bekannt wurde Grünewald durch den berühmten Isenheimer Altar[1]. Dieser Altar, der in der elsässischen Stadt Colmar in einem ehemaligen Kloster und Krankenspital zu sehen ist, zeigt auf seinen zentralen Tafeln die Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi.

Es macht die besondere Malkunst Grünewaldts aus, daß er seine ganze malerische Darstellungskunst auf den leidenden Christus lenkte. Wer den geschundenden und in sich verdrehten, am Kreuz hängenden Körper Jesu auf einer der Grünewaldschen Altartafeln sieht, der empfindet als Betrachter wenigstens eine Ahnung des Schmerzes, den Jesus aushalten mußte.

All das, was in diesem Abschnitt aus der Passionsgeschichte des Markus-Evangeliums steht, hat immer die Aufmerksamkeit von Malern und Künstlern auf sich gezogen.

Jesus wird verspottet.

Er wird abgeführt.

Ein anderer, Simon von Kyrene, muß an seiner Stelle das Holzkreuz tragen.

Er wird gekreuzigt.

Er lehnt den angebotenen Wein ab.

Er wird gekreuzigt.

Seine Kleider werden geteilt.

Jesus von Nazareth muß Demütigung auf Demütigung ertragen. Und am Kreuz steigert sich - nach dem Markusevangelium - diese Demütigung noch einmal.

Die vorübergehenden Passanten verspotten Jesus von Nazareth.

Die Hohepriester und Schriftgelehrten verspotten ihn.

Die beiden mit ihm zusammen gekreuzigten Verbrecher verspotten ihn ebenfalls.

Es ist eine kaum zu ertragende Folge von Spott, Lästerung und Hohn, die Jesus über sich ergehen lassen muß.

Verspottung, Folter, Kreuzigung. In diesem Teil der Passionsgeschichte ist der leidende, gefolterte und verspottete Christus als gequälter, gedemütigter Mensch zu sehen.

Er ist nicht der Auferstandene, der über den Tod triumphiert.

Er ist nicht der weise und kluge Rabbi, der predigt und Kranke heilt.

Er ist nicht der Richter, der am Ende der Zeiten, über die Taten der Menschen urteilt.

Er ist der geschundene Mensch. Und der geschundene, gequälte Jesus von Nazareth gewinnt unsere besondere Aufmerksamkeit, nach der Lesung der evangelischen Passionsgeschichten wie nach dem Betrachten der Grünewaldschen Passionsbilder.

Der Jesus der Kreuzigung ist der geschundene Mensch, in dem sich Leidende und Kranke, Gedemütigte und Gefolterte wieder erkennen. Mit dieser Spannung muß der christliche Glaube leben: der gedemütigte Mensch und der auferstandene Sohn Gottes. Beide Male sehen wir dieselbe Person: Der leidende Mensch. Der Sohn Gottes. Amen.

 



[1]   Vgl. z.B. http://www.schott-musik.de/shop/resources/591421.jpg.



PD. Dr. Wolfgang Vögele

E-Mail: wolfgang.voegele@aktivanet.de

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