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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Passionsandachten 2008, 2008

O Haupt voll Blut und Wunden , verfasst von Alexander Völker

Eine persönliche Reminiszenz, ein Bild, das mich sehr beeindruckte, sei gestattet: Welch ein Bild! Ein totenkopfähnliches menschlisches Haupt aus Stein, Nase und Ohren abgeschlagen, auf ihm hat das aus den Orgelpfeifen geschmolzene Zinn mattglänzende ‚Tränen' in den Gesichtsfurchen hinterlassen - so bot sich der Christuskopf der Ölbergszene aus dem Altar der Dresdner Frauenkirche vor anderthalb Jahrzehnten den  Restauratoren dar - welch ein Bild!

Das bekannteste evangelische Passionslied zeichnet sich dadurch aus, dass es aus einer Perspektive des unmittelbaren Miterlebens der Kreuzigung (bis zur Strophe 7) verfasst ist. Stophe.1: Zwei Anreden verbinden jeweils äußere (Blut, Wunden, Dornenkrone) und innere (Schmerz, Hohn, Spott)  Kennzeichen des Hauptes; ein dreimaliges voll/voller intensiviert ein  Übermaß an Leiden; überwiegend dunkle Vokale (in der ersten Strophenhälfte) unterstreichen die Klage. Ehr und Zier - hellere Laute führen danach zum schimpfieret, das lautmalerisch die Empörung über das, was dem Haupt angetan ist (Zeile 7 mit den „höchsten" Tönen der Mel.odie!), herausschreit; der Gegensatz zwischen höchst (für Ehr und Zier gemeint) und hoch bei der Verunglimpfung ist bezeichnend; danach  der liebevolle Gruß gegrüßet ... mir - bedarf es weiterer Detailnachweise dafür, mit welchem Maß an Präsenz, an Sensibilität, an Sprachkunst Paul Gerhardt im Karfreitagslied vorgegangen ist?

In Antithese bringt Strophe 2 den Kontrast zwischen sonst und dem Jetzt, das unfassbare Geschehen zur Anschauung - weil hier der Herr der Welt (das große Weltgewichte, 2,3 nach Nah 1,5) misshandelt ist, weil hier das Licht der Welt erbleicht. Zwei fast gleichlautende Entsetzensrufe in der Strophenmitte führen zur (mit Absicht unbeantworteten) Frage: Wer hat ...? Strophe 3 mit seinem ist hin (verstärkt 3,5f., gesteigert im hingerafft)  realisiert die End-gültigkeit des Todes, dessen Macht zwar unaufhaltsam (über die Strophenmitte hinweg!) ist, als gleichwertiger Gegenspieler zu dem Leidenden tritt er jedoch hier nicht auf. Strophe 4 sagt erstmals Herr, spricht die Schuldfrage an, die 4,1-4 in chiastischer Wortstellung (X, der griech. Buchstabe, symbolisierte für die Alten das Kreuz!) (was du ... meine; ich selbst ... was du)  eindeutig beantwortet wird. Die zweite Strophenhälfte rekurriert auf Strophe 2,6 und legt nahe, den Anblick deiner Gnad im Sinne eines Genitivus Subjectivus zu verstehen: „Sieh mich doch gnädig an !"- Zu Strophe 10: „Zwei Bitten (1-4) und zwei parallel formulierte schlichte Aussagesätze, Ausdruck der Gewissheit, dass eben diese Bitten erfüllt werden, verleihen dieser Strophe schon formal den Charakter harmonischer Ruhe. Obwohl der Tod noch bevorsteht, erscheint er hier schon als überwunden" (E. Axmacher hat in ihrem Lied-kommentar den Friedenscharakter dieses Liedschlusses treffend beschrieben). Erscheine mir zum Schilde: Jesus als Schutz-Schild gegen Todespfeile, dann aber und laß mich sehen ...Hier wird die Motivik von 2,6; 4,5ff. aufgenommen, im Einverständnis der Blicke kommt die Liebe Gottes zum Menschen und durch sie auch  die Liebe des Glaubenden zu Jesus (vgl. 10, 5ff.) endgültig zu ihrem Ziel.

                                                          

Alexander Völker

E-Mail: asvoelker@teleos-web.de

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