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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Die 7 Sendschreiben aus der Offenbarung, 2009

Predigt zur Passion über Offenbarung 2, 8-11, verfasst von Paul Kluge

Liedempfehlungen zur Andacht         
von Alexander Völker, asvoelker@teleos-web.de


Als erstes Lied wird vorgeschlagen: Jesus Christus, unser Heiland, EG 102.          
Der ganz ruhige Wechsel von Halben und Vierteln (und das Fehlen größerer Intervallsprünge) zeigt an, dass dieses Lied, dieser „Leis" - so genannt nach dem Kyrieleis, dem Kyrie eleison der Schlusszeile - aus einer anderen Dimension ertönt als das volksübliche Spielen/Singen seiner Zeit, ganz entsprechend den Spitzenaussagen der drei Strophen jeweils in ihrer dritten Zeile: „... ist auferstanden", „... hat uns versöhnet" „er kann erretten".            
Nach der Osterbotschaft in Strophe 1 widmet sich Strophe 2 dem ein für allemal vollbrachten Versöhnungswerk Christi, das unabsehbare Folgen hat: Vers 2,4 ist der einzige, konsekutiv-final gemeinte „Dass"-Satz des gesamten Liedes. Auch die Verderbensmächte stellt Vers 3,1 - im Original „Tod, Sünd, Teufel, Leben und Gnad" - als eine Trias vor. Die Melodie zeigt Zeile 2 die Zeile 1 im Krebsgang. Die Mittelzeile stellt eine Sequenzierung von Zeile 2 mit dem Spitzenton c' dar, während Zeile 4 die Zeile 1 abbildet und Zeile 5 dasselbe nochmals verkürzt. Strophe 1 ist bestimmt durch den Kampf (und Sieg) mit den Verderbensmächten (1,2. 4); Strophe 2 führt die uns geschenkte „Versöhnung" als „Tragen" des „Zornes Gottes" aus - mit der Folge, „dass Gott uns sein' Huld gönnet" (2,4). In Strophe 3 fällt das (doppelte) „all[e]s" (3,2) / „alle" (3,4) - verbunden mit „er hat" / „er kann" (in der Strophenmitte) - als konzentrierter Sprachausdruck auf.   Für das, was das Sendschreiben an die Gemeinde in Smyrna mitteilen will, scheint das Meditationslied eine adäquate theologisch-hymnische Antwort bereit zu halten.


Diesem Lied zur Seite gestellt sei: Strahlen brechen viele aus einem Licht (EG 268).       
Die vielfältigen Doppelbilder („Strahlen"/„Licht", 1,1f.; „Zweige"/„Stamm", 2,1f.; „Gaben"/„Liebe", 3,1f.; „Dienste"/„Geist", 4,1f.; „Glieder"/„Leib", 5,1f.) sind durch die Strophenmitte „... ist Christus" zusammengehalten. Alle Bildaussagen spiegeln diese Mitte des Glaubens, wobei die Zeilen 2 und 4 („unser"/„wir") die Zugehörigkeit der hier Singenden zum Ausdruck bringen - im Gegensatz zu den „viele[n] ..." (jeweils Zeile 1 und 3). Damit ist eine Über-Kreuz-Anordnung im Strophentext erkennbar.       
Die Melodie gibt mit einer zunächst aufwärts geführten Kopfzeile (1) ein frisches, ja flottes Tempo vor, um dann ‚mittig' auf einer großen Längung aufzuruhen („Christus"). Sechs Töne höher wiederholt Zeile 3 den Beginn der Melodie, um dann, auffällig verlangsamend, in die in allen Strophen identische Schlusszeile einzumünden: „und wir sind eins durch ihn" (Z. 4). 
Im Predigttext geht es um eine aus Glaubensgründen erforderliche Abgrenzung, aber auch um die Bewahrung der Einheit der Christen. In diesem Zusammenhang kann das Lied Strahlen brechen viele aus einem Licht zu einer Interpretationshilfe werden und auf seine Weise zum Verstehen und Aneignen des Sendschreibens beitragen.

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Offenbarung 2, 8 - 11

8 Und dem Engel der Gemeinde in Smyrna schreibe: So spricht er, der Erste und der Letzte, der tot war und wieder lebendig wurde: 9 Ich kenne deine Not und deine Armut - und doch bist du reich -, und ich weiss, wie du verwünscht wirst von Seiten derer, die sagen, sie seien Juden, und es nicht sind, sondern eine Synagoge des Satans! 10 Fürchte dich nicht vor dem, was dir an Leiden noch bevorsteht. Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, um euch zu versuchen, und ihr werdet Not leiden, zehn Tage lang. Sei treu bis in den Tod, und ich werde dir die Krone des Lebens geben. 11 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer den Sieg erringt, dem wird der zweite Tod nichts anhaben können.

Liebe Geschwister,

Smyrna, vielen Touristen heute als Izmir bekannt, liegt im Westen der Türkei. Aus dem Neuen Testament und aus der Schule kennen wir die Gegend als Kleinasien. Es ist auch die Region, in der der Apostel Paulus zahlreiche Gemeinden gegründet hat. Smyrna gehörte wohl nicht dazu, hatte aber im frühen Christentum eine ziemlich große Bedeutung.

Die Stadt allerdings war arm. Denn im Jahre  43 vor Christus eroberten Römer die Stadt und zerstörten sie teilweise, weil Smyrna den Gaius Trebonius aufgenommen hatte - einen der Mörder Caesars. Der Wiederaufbau kostete viel Geld, das von den Bürgern kommen musste, und das hatte den Lebensstandard der Stadt spürbar gesenkt.

Vielleicht war es gerade die Armut der Stadt und ihrer Bevölkerung, dass das Evangelium in offene Ohren fiel: Die Menschen brauchten und suchten Sinn für ihr von Entbehrung und harter Arbeit geprägtes Leben. „Selig seid ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden. Selig seid ihr, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen." Solche Worte Jesu, wie das Lukasevangelium sie überliefert, kommen bei armen Menschen gut an, versprechen diese Worte doch Befreiung aus Not, verheißen sie doch Erlösung aus dem Elend. Wer den Kopf nicht sinken lässt, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht, sondern der verheißenen Rettung vertraut, hat sich schon auf den Weg ins Trockene begeben.

Das mag auch in Smyrna der Fall gewesen sein: Wer die Botschaft hörte und wem es nicht am Glauben fehlte, wer Hoffnung schöpfte und Mut, der nahm die Verhältnisse nicht hin, wie sie waren. Der suchte, versuchte - und fand! - kleine Stufen aus der Not. Hier erwies der christliche Glaube sich als doppelter Reichtum: Er half, in Not und Elend nicht zu verzagen und sich dem Untergang hinzugeben. Und er half, kleine Schritte aus Not und Elend zu finden. Denn er lehrte: Not und Elend sind keine Dauerzustände, sind nichts, was als gottgegeben hinzunehmen wäre. Sie sind allenfalls Durchgangsstadien, belastend, aber zeitlich begrenzt. Das zu wissen, macht Belastung erträglich und mobilisiert Energie.

Und genau das machte andere neidisch damals in Smyrna. Brachte die Resignierten gegen die nicht Resignierenden auf. Als Hüter von Recht und Ordnung gaben sich die Resignierten, als wohlmeinende Ratgeber, als Wahrer der Tradition und Wächter der Tugend. Redeten so und handelten danach, drängten damit die nicht Resignierenden aus der Gemeinschaft und an den Rand. Machten zu Außenseitern, die Vorbild hätten sein können, und kriminalisierten sie mit Erfolg. Denn die Sprecher der Resignierten vertraten die Mehrheit, sprachen für die breite, durch Armut dumpf gewordene Masse, die ihre Dumpfheit nicht mehr bemerkte. Sondern froh war, dass jemand sagte, wo es lang ging. Und dass sie einen Gegner hatten, der zum Sündenbock taugte. An dem konnten sie sich abreagieren und ihre eigene Misere vergessen. Konnten sich gar überlegen und als die Besseren fühlen. Dafür nahmen sie unschuldige Opfer unter den nicht Resignierenden in Kauf, denn die, so meinten sie, seien alle nur Zecken.

So kam es, dass Mitglieder der Gemeinde in der Öffentlichkeit angepöbelt, am helllichten Tag verprügelt, unter falschen Anschuldigungen angeklagt wurden. So kam es, dass zunächst Vorsicht, dann Angst sich breit machte in der Gemeinde - bis dahin, dass manche ihre Zugehörigkeit vertuschten. Besonders, nachdem die ersten aus ihren Reihen verhaftet wurden, verhört, auch gefoltert.

Doch die Obrigkeit fand nichts Strafwürdiges, ließ die Angeklagten bald wieder frei. Die Angst aber verbreitete sich und setzte sich fest, wirkte, wie die Resignierten es wollten: Die Gemeinde schrumpfte.

Die aber dabei blieben, gaben einander Halt, gewährten einander Hilfe, standen einander bei. So konnten sie auf dem Weg bleiben, den sie als den richtigen erkannt hatten. Mühsamer war er geworden, einsamer, gefährlicher auch. Und dennoch: Er war der richtige Weg. Der Weg des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung. Der Weg des Glaubens an die Erlösung aus dem Elend und gegen die Resignation. Der Weg der Liebe zu einander und gegen jeden Hass. Der Weg der Hoffnung auf ein anderes Leben ohne Schmerz und Tränen.

Diesen Weg wollten sie gehen und auf ihm bleiben. Sein Ziel zu erreichen, galt ihnen als Krönung ihres Lebens. Ob sie das Ziel je erreichen würden, wussten sie nicht, ahnten es nicht einmal. Doch jeder Schritt zum Ziel war ein Ziel, und jeden Schritt dorthin, den sie tun konnten, wollten sie tun.

Die das taten, gewannen Kraft aus ihrem Tun, Kraft für weitere, für größere Schritte. So konnten sie Rückschritte verkraften und kamen trotzdem voran. Die Gemeinde begann wieder zu wachsen. Langsam, kaum spürbar zunächst, doch sie wuchs.

Dass ihre Mitglieder nicht resignierten, half gar einigen Resignierten, den Kopf wieder zu heben, nach vorn zu schauen und nach oben. Andere Resignierte verfielen in völlige Lethargie und pöbelten nicht einmal mehr gegen die Gemeinde. Das verminderte die Bedrohung. Die aber blieb. 

[Nachbemerkung: 1922 zerstörte ein Feuer Smyrna fast vollständig. In Folge der Katastrophe kam es zu kämpferischen Auseinandersetzungen, in denen 25.000 griechische und armenische Christen den Tod fanden, 200.000 flohen. Seitdem ist das einstige „kleine Paris des Orients" in Bedeutungslosigkeit versunken.]

 



Landespfarrer a.D. Paul Kluge
Magdeburg
E-Mail: paul-kluge@t-online.de

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