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ISSN 2195-3171

Konfirmation, 2009

Predigt zur Konfirmation über Matthäus 7,13-16a - 2009, verfasst von Jochen Riepe

I

In einem Labyrinth muß man Ruhe bewahren. Panik hilft nicht. Einfach losrennen auch nicht. Umwege, Irrwege , enge Gänge gehören dazu.Wer im Kopfe klar bleibt , der wird den Weg finden: ‚Immanuel'- Gott ist mit uns(Matth. 1,23).

II

Stress im Auto. Fahrer , Beifahrer , Kinder... in einer fremden Stadt : Rechts oder links? ‚Bleib auf der mittleren Spur! Hast du das Schild gesehen? Da hätten wir abfahren müssen!' Man hat sich gut vorbereitet , die Karten und Stadtpläne studiert, und dann sieht alles ganz anders aus... Ja, dachte ich , wenn unser Lebeneine Stadt wäre, so hieße sie Labyrinthia - Irrstadt-Wirrstadt ... wir fahren und gehen im Kreise; wir denken , gleich sind wir am Ziel , und dann ruft einer : ;Hier waren wir doch schon'.

III

‚Gehet ein durch die enge Pforte', sagt Jesus seinen Jüngern, ‚denn die Tür ist eng , und der Weg ist schmal , der zum Leben führt'. In einem Labyrinth muß man Ruhe bewahren. Ob Jesus sie uns schenkt?Ob er den Überblick hat und Bescheid weiß ? Und vor allem : Ob er es gut mit uns meint?Tretet ein! Wir sehen uns an. Wir zögern. Kann man ihm vertrauen ? Unsere Lage ist kompliziert und unübersichtlich . Hier ein Schild, dort ein Pfeil , hier ein Anbieter und dort ein Einlader . ‚Da wollt ich noch hin und dahin auch und dann sich -festlegen ?' Der Weg ins Leben : Wer im Kopfe klar bleibt wird ihn finden.

IV

‚Tretet ein durch die enge Pforte... der Weg ist schmal, der zum Leben führt'. Jesus in Irrstadt-Wirrstadt. Als habe er denÜberblick und könnte unser Führer werden? Vielleicht , aber genauer muß ich sagen : Er kennt eine Regel, ein Kriterium, das uns helfen kann , uns auf unserer Irr-Fahrt zu orientierenund über all dem , was uns entgegentritt, nicht den Verstand zu verlieren.‚Eng' und ‚schmal'- das hört sich bedrückend, wahrhaft einengend an , aber gemeint ist doch : Wer den Weg finden , seinen Weg finden will, wird mit Anstrengung und Mühe, mit Angst und Widerstand zu rechnen haben. Dein Weg soll ja kein ausgetretener Pfad sein! Das Leben sitzt sozusagen im Detail, ein Weg will Schritt für Schritt bedacht, begangen und gestaltet werden ... so wie wir Tag für Tag zur Schuleoder zur Arbeit müssen, oder so wie Ihr, liebe Konfirmanden , Dienstag für Dienstag zum Unterricht gekommen seid. Gewiß, manchmal möchten wir springen, überschlagen , flott auf der Hauptstraße bleiben und die umständlichen Nebenwege lassen. Manchmal funktioniert das auch, aber meistens heißt es doch : Zurück an den Anfang !Dasselbe noch einmal mit Gefühl und Verstand.

V

Das kennt jeder Familie : Stress im Auto. Wo geht's lang? Rechts oder Links? Hinter dir drängelt einer ... jetzt hupt er auch noch ... Streit auf den hinteren Plätzen : Wann sind wir endlich da?Da ! Da war das Schild ... wieder verpasst!Nicht wahr, liebe Fahrerinnen und Fahrer, es ist dann schon ein Akt der Selbstüberwindung , an den Straßenrand zu fahren und jemanden nach dem Weg zu fragen.Oh weh , eine fremde Stadt ...im Ausland : Wer fragt ? Wer versteht's und behält's: A gauche ...a droite ... alle sind freundlich : Bonjour!, alle haben's eilig :Compris? Ja, wenn unser Leben eine Stadt wäre, so hieße sie Labyrinthia- Irrstadt-Wirrstadt ... und wie wichtig, ja entscheidend wichtig ist es , wer mit uns fährt. Ob wir einander Ruhe gönnen, Gelassenheit , Gewissheit - auch in der Fremde. Oder ob wir gleich durchdrehen oder sogar uns gegenseitig bedrücken und täuschen!

VI

‚Seht euch vor', sagt Jesus darum,'vor den falschen Ratgebern'. Gibt es das : Daß uns Leute den falschen Weg weisen ... bewusst und gewollt oder unbewusst, unwissend es böse mit uns meinen?Am letzten Elternabend hat Eure Eltern diese Frage bewegt : Wir Älteren haben im Laufe der Jahre Menschen kennen gelernt , die es gut mit uns meinten. Wir haben auch auchBosheit und Feindseligkeit und falsche Versprechenkennen gelernt und waren oft zu naiv und unerfahren,dies zu durchschauen. Ob Ihr einen Rat annehmt ? Eure Eltern haben Jesu Wort so nachgesprochen : ‚Vorsicht vor denen, die euch viel versprechen und doch nur benutzen'. Wir wissen : Täuschungen und Enttäuschungen kann euch keiner ersparen. Ihr werdet Umwege und Irrwege annehmen müssen und manchmal hinterher sagen : ‚Die haben mich nur ausgenutzt.'Man kann darüber bitter werden und alles Vertrauen verlieren. Bitte behaltet auch dann einen nüchternen Sinn ! Man muß vorsichtig sein im Vertrauen; aber es ist auch ein Kennzeichen von Reife, dass man sein Mißtrauen begrenzt und im Zaune hält.

VII

Wo geht's lang ? Links oder rechts oder geradeaus? Hauptstraße, Nebenwege ... Eine Irrfahrt durch's-zugegeben: - kleine Avignon brachte uns einmal in die Fußgängerzone dort. Nichts ging mehr und um uns herum eine Schüler-Demo ... gerade an diesem Tag. Gewiß , besonders für unsere Kinder war das peinlich. Alle guckten ins Auto. Aber es war auch lustig. Wenn man nicht weiterkommt, soll man aussteigen, innehalten, Leute fragen, den Stadtplan zur Hand nehmen, eben : sich Zeit lassen und Übersicht gewinnen. Panik hilft nicht. Ganz einfach, nicht wahr? Und doch so schwer! Der Stolz des ehrgeizigen Fahrers ist es ja, elegant und schnell voranzukommen, einmal durch Paris und wieder zurück - kein Problem... einmal Leben und zurück - kein Problem, breite Straßen , schnelles Auto ... Doch ! Wer Labyrinthia wirklich betritt, der merkt sofort : Ich brauche Zeit ,meine Zeit , die Stadt des Lebens zu besuchen und diese Stadt auch zu bestehen. Und jeder weiß : Je besser man sie kennt , die Nebenwege, auch die dunklen Straßen und die bösen Menschen , auch die eigene Bosheit , desto tiefer und reicher wird der Aufenthalt in dieser Stadt.

VIII

‚Tretet ein! Folgt mir nach!', sagt Jesus. Sein Name ist : ‚Immanuel' . Jesus ist in Irrstadt-Wirrstadt , in unserer Stadt. Nur die Ruhe bewahren . Amen.



Pfarrer Jochen Riepe
Dortmund
E-Mail: Jochen.Riepe@gmx.net

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