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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Die 7 Sendschreiben aus der Offenbarung, 2009

Predigt zur Passion über Offenbarung 3,14-22, verfasst von Klaus Schwarzwäller

Liedempfehlungen zur Andacht      
von Alexander Völker, asvoelker@teleos-web.de


Herzlich tut mich erfreuen (EG 148), Johann Walters Lied von 1552 (Strophen 1-8), stellt der singenden Gemeinde ein ebenso kompaktes wie detailreiches Bild der Ewigkeit vor Augen: Alles Böse, alles Schwere, alle Schrecken haben ihr Ende. Gott erlöst „von aller Not, vom Teufel, allem Bösen, von Trübsal, Angst und Spott, von Trauern, Weh und Klagen, von Krankheit, Schmerz und Leid, von Schwermut, Sorg und Zagen, von aller bösen Zeit" (Strophe 4). Verstanden als neue Schöpfung (Str. 1,3-8, vgl. 5,2: „ewig Paradeis"; Christus selbst heißt im Sendschreiben an die Gemeinde in Laodicea „der Anfang der Schöpfung Gottes" [Offb 3,14]), bildet das Hochzeitsfest (Str. 5,3), das Halten des ewigen Abendmahls (Str. 7,2) ihre Lebensordnung ab: die Gemeinschaft mit Gott an „Gottes Tisch und Saal" (Str. 7,4) und das Stehen vor „Gottes Stuhl und Thron" (Str. 8,2), um gemeinsam mit Engeln und Heiligen den Lobpreis des Höchsten (Str. 8,5, vgl. Offb 7,12) anzustimmen.         
Bereits 1557 wurde diesem Lied eine neunte Strophe hinzugefügt. Sie beantwortet die Frage nach dem Jetzt, genauer: dem „Bis dahin", in Gestalt eines Gebets: der Bitte an Christus, den Herrn, er möge führen, behüten, im Glauben bewahren und helfen, sich „stets" (9,7) auf Gottes Zukunft hin auszurichten.

Der ungleich bekanntere Choral »Wachet auf«, ruft uns die Stimme (EG 147) bedient sich weithin derselben Bildmotive (Hochzeit, 1,10; Freudensaal, 2,10; Halten des Abendmahls, 2,11; göttlicher Thron, umstanden vom Chor der Engel, 3,5f.). Auch er ist auf die Verheißung der Ewigkeit, das neue Jerusalem (3,4f.: „deine Stadt", vgl. Offb 21,21), hin orientiert. Die christliche Gemeinde - „uns" [!] - redet er als die klugen aus Jesu Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Matth 25,1-13) an. Die Aufforderung, aufzuwachen, aufzustehen, sich zur Hochzeit bereit zu machen und dem Bräutigam entgegenzugehen (Strophe 1), ruft nichts als „Freude" (2,2; 3,9) hervor und die Bitte: „Komm, [...], Herr Jesu!" (2,7f.), umrahmt vom „Halleluja" jetzt (1,9) wie am Ende der Zeiten (3,11).


In dem Herren freuet euch (EG 359), 1941 in enger Anlehnung an Phil 4,4-7 verfasst und bald nach dem zweiten Weltkrieg vertont, holt demgegenüber die Ewigkeit geradezu ganz in das Hier und Jetzt hinein. Alle sechs Strophen bezeugen „Heil und Gegenwart" (Str. 2,4) des Herrn, der „am Kreuz den Sieg errang" (1,3) und auch jetzt seiner Kirche „nahe ist" (1,5), „schon vor den Toren erscheint" (3,5), „dessen Gnade leuchtet" (4,3) und „durch alle Schranken führt" (4,5), schließlich „Kreuz und Not", ja selbst den Tod (6,3-5) überwindet. Die Aufforderungen an die Gemeinde - zur Freude (Str. 1 und 6), zur Sammlung um den Herrn (Str. 2), zu einem authentischen Erscheinungsbild vor den Menschen (Str. 3), zum Verzicht auf „stolzes Sorgen" und Vertrauen auf Gott in Bitte und Dank (Str. 4) - richten sich zunächst an eine bedrängte Gemeinde (2,1: Feind, Finsternis; 6,3: Kreuz und Not). Indes zeugt der „schmale Pfad", auf dem sie sich befindet (4,5), nicht allein von ihrer Bedrängnis. Er ist als Weg, „der zum Leben führt" (Matth 7,14), der Weg der Kirche, „allezeiten".

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Offenbarung 3, 14-22

14 Und dem Engel der Gemeinde in Laodicea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes:
15 Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest!
16 Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.
17 Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.
18 Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest.
19 Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße!
20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.
21 Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron.
22 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!


Liebe Gemeinde!

Natürlich ist uns klar, wo Laodicea zu suchen wäre, und wir haben auch unser historisches Wissen und manche begründete Vermutung über diese Stadt und ihre christliche Gemeinde um das Jahr 100. Eigenartig nur: Auch nach 1900 Jahren hat dieses Sendschreiben Macht, uns aufzuscheuchen und ins Grübeln zu bringen: Wer, wer wäre heute so anzusprechen? Auf wen gälte das? Wem könnten, dürften, müssten wir zuschreiben: Das passt exakt auf dich, auf euch, auf diese Kirche? Oder fühlen wir selber uns hier angesprochen? Indem wir diese Fragen stellen, etwas ratlos und beklommen, merken wir: Ohren haben wir, natürlich. Hören können wir, selbstverständlich. Doch Ohren zu hören, was der Geist den Gemeinden sagt - wer könnte das von sich selber behaupten?

Laue fallen uns genug ein - und erst recht Heiße oder Kalte, von Fundamentalisten und penetrant Frommen hier bis zu Gleichgültigen und Opportunisten dort. Und ich bekenne, ich finde von beiden manches in mir selber. Und denke ich an unsere Volkskirche - nun ja, da verwundert es nicht, wenn einem gerade dieser Vers einfällt: „Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde." Immer wieder mutet's einen an, als hätte unser Herr sie, also uns, längst, längst voller Ekel ausgespieen, und wir - nun ja, wir wurschteln jetzt irgendwie ziel- und richtungslos weiter, so gut wir das halt können.

Vielleicht muss man lange genug auf diesen Gedanken, Gefühlen und Befürchtungen herumgekaut haben, um gleicherweise ratlos wie bedrückt wie ich zu dem Ergebnis zu kommen: Im Grunde, von Ausnahmen abgesehen, könnte, ja müsste das wohl jeder, der zu unserer Volkskirche gehört, auf sich selbst beziehen. Nur - außer Konjunktiven und einem „Vielleicht" ergibt sich dabei nichts. Sehr, sehr unbefriedigend! Immerhin: So ins Offene gehalten und in die Schwebe gebracht, würden wir - wer weiß? - möglicherweise ins Stocken geraten und uns neu orientieren. Uns persönlich wie auch unserer Volkskirche täte das gewiss gut.

Doch in dieser Vagheit werden wir hier nicht belassen. „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen..." Das ist es, was der Geist der Gemeinde sagt - der Geist des Herrn, der selbst eine verluderte, laue Gemeinde nicht einfach preisgibt. Der Herr steht vor der Tür und klopft an - das Gegenteil von Macht und Herrlichkeit! Eher wie ein Bettler, ein Obdachloser, der eine nächtliche Bleibe sucht, demütig und anspruchslos. Seine Stimme - seine Stimme: Wer hört sie? Vermag sie zu hören? Hat für sie Ohren? Wer, wer von uns allen hat das Vermögen, aus der Unzahl der Stimmen, der lauten und auch der leisen, der sympathischen und auch der unsympathischen, die Stimme des Herrn herauszufiltern, der vor der Tür steht und anklopft? Möglicherweise zudem nur leise anklopft? So leise, dass er über „Wetten, dass...?" oder „heute aktuell" oder den Auftritten eines ehrgeizigen Ministerpräsidenten, der ein Menschenleben auf dem Gewissen hat, gar nicht zu hören ist?

Und wie geschieht es, dass man ihn einlässt - wenn man ihn denn hört? Die Antwort, ebenso klar wie rätselvoll: „Wer überwindet..." Dem nämlich wird gegeben, was das Abendmahl verheißt und wessen es versichert: in Herrlichkeit auf Seiten und an der Seite des erhöhten Herrn zu sein. „Wer überwindet..." - das ist das Kriterium. Überwindet - wen oder was? Vieles kann man hier vermuten und annehmen. Das ergäbe eine lange Liste; doch die können wir uns schenken. Nicht allein, weil sie niemals vollständig sein kann, sondern weil sie in einen falschen Zusammenhang lockt.

Denn das ist hier der genuine Zusammenhang: Überwinden so, wie einst der Herr überwunden hat. Wir werden hier unmittelbar in die Kreuzesnachfolge geführt. So wie der, dessen Weg am Kreuz endete, alle möglichen Wünsche, Mächte, Versuchungen, Verführungen und nicht zuletzt auch sich selber überwand, so ist, so sei es auch auf unserem Kreuzesweg. Er ist, er sei als Ganzer ein großes Fasten, das sich allem verschließt, was uns dazu veranlassen will, diesen schweren Weg zu verlassen, und wäre es auch nur einmal oder nur für eine Kleinigkeit. Das ist hier nicht der Punkt: ob wir diesen schweren Weg einmal oder mehrere Male, ob wir ihn um Kleinigkeiten oder um Größeres verlassen. Es geht darum, dass wir Linie halten. Denn mit jedem Abirren geraten wir in einen anderen, in einen fatalen Zusammenhang. Der mag als solcher einwandfrei und unanfechtbar sein - das ist hier nicht der Punkt. Sondern darum geht es, dass wir auf der ganzen Linie überwinden und deswegen auch „gute" Verführungen ausschlagen. Also dass wir überwinden bis dahin, dass auch wir, wo wir anders könnten, behutsam und demütig anklopfen. So wie der Herr. Der musste dann zwar am Kreuz es büßen, dass er sich nicht hat abbringen lassen von seiner Linie. Doch darauf hin, auf seinen Gehorsam hin, der ihn ans Kreuz brachte, wurde er erhöht in Herrlichkeit und lässt die an ihr teilhaben, die da überwunden haben.

Das leise Klopfen und die so rasch übertönte Stimme des Herrn hören und die Linie der Kreuzesnachfolge halten - das ist es, was der Geist der Gemeinde zu Laodicea sagt. Das ist es, was er allen sagt, die da Ohren haben zu hören.

Amen.



Prof.Dr. Klaus Schwarzwäller
Munkbrarup
E-Mail: hweissenfeldt@foni.net

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