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ISSN 2195-3171

diverse, 2009

Andacht in der Karwoche 2009, verfasst von Johannes Neukirch

Andacht im Landeskirchenamt Hannover am 6.4.2009

Liebe Hausgemeinde,

bei meiner Presseschau vor dem Kolleg sorgte ich letzten Dienstag unfreiwillig für einen Lacher. Ich habe immer zwei Teile - zuerst kommen die Berichte über unsere Landesbischöfin und unsere Landeskirche, dann überregionale Themen. Nachdem ich mit den lokalen Berichten fertig war, sagte ich als Überleitung: „Wir kommen nun zu den überregionalen Themen" und fuhr fort mit einer Überschrift aus der Welt: „Ist Jesus wirklich für unsere Sünden gestorben?" - großes Gelächter, und als ich etwas irritiert schaute, klärte mich jemand aus der Runde auf und sagte: In der Tat, DAS ist ein überregionales Thema! Mit dieser Überschrift wurde ein Radiobeitrag eines ehemaligen Bonner Superintendenten aufgenommen, um den zur Zeit heftig gestritten wird. Er hatte in seiner Radioandacht gesagt: „Ich glaube nicht, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist."

„Ist Jesus wirklich für unsere Sünden gestorben?" Besonders in dieser Woche ist das in der Tat die zentrale Frage. Wir gehen auf die wichtigsten Feiertage zu - Karfreitag und Ostersonntag. Vielleicht mit gemischten Gefühlen, am Karfreitag, vor dem leergeräumten Altar, den Lesungen über die Kreuzigung und die Liedstrophe: „Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last; ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast. Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat. Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad."

Über die Auslegung der Evangelien und der Paulusbriefe lässt sich in unserer Frage nun trefflich und ausführlich streiten. Richtig ist auf jeden Fall, dass sich schon die neutestamentlichen Schriften unterscheiden, wenn sie den Kreuzestod Jesu deuten.

Für mich wichtig sind zwei kleine Wörter, die mir die Karwoche aufschließen, erklären und nahe bringen: pro nobis / für uns! Martin Luther kommt in vielen Schriften und Predigten immer wieder darauf zurück. Alles, was von Karfreitag bis Ostern mit Christus geschehen ist, ist für uns geschehen! Luther geht sogar so weit, dass er in Passion und Auferstehung keinen Sinn sieht, wenn beides für uns keinen Nutzen hat, wenn wir das nicht als Geschenk an uns verstehen. Wir sind diejenigen, die von Gott getrennt und entfernt sind, wir sind die, denen die Sünden vergeben werden müssen, wir sind die, die auf die Erlösung und das ewige Leben hoffen. Deshalb ist Gott für uns in seinem Sohn Jesus Christus in die tiefste Menschlichkeit gekommen, für uns am Kreuz gestorben und am dritten Tage auferstanden.

Nur was für uns geschehen ist, was uns geschenkt worden ist, wirkt in uns. In der Zeitschrift Focus gab es vor kurzem einen Beitrag mit der Überschrift „Die Macht der Vergebung". „Können Sie dem Mann verzeihen, der Ihr Kind ermordet hat?" heißt es in der Einleitung,  „Frieden schließen mit dem Attentäter, dessen Bombe Ihren Vater tötete? Hier erzählen Menschen, die solches Leid tragen. Sie haben getan, was vielen als unmöglich und manchem als falsch erscheinen mag: Sie haben den Tätern vergeben." Eine ehemalige Journalistin und ein Fotograf sammeln seit Jahren solche Vergebungsgeschichten und haben daraus das „Forgiveness Project", das Projekt Vergebung gemacht. Es gibt eine Wanderausstellung, einen Empathie-Kursus für Strafgefangene und eine Website. Die beiden wollen Wege aus dem Kreislauf von Rache und Vergeltung zeigen.

Eine Frau steht dem Mann gegenüber, der ihren Ehemann ermordet hatte und vergibt ihm. Dieser sagt: „Katys Vergebung ist das Unglaublichste, was mir je ein Mensch gegeben hat. Ohne sie wäre mein Leben noch heute voll Wut und Gewalt..... Eine Gefängnisstrafe ist leicht zu ertragen im Vergleich zu der Schuld, mit der ich leben muss. Aber dank der Vergebung von Katy, Emma und Sam werde ich mir vielleicht eines Tages auch selbst vergeben können."

„Christus pro nobis" - Christus ist für uns gestorben und auferstanden. Lasst uns das in unseren Herzen bewegen und damit in die Karwoche gehen. Amen.

 

Holz auf Jesu Schulter, 97, 1-6



Dr. Johannes Neukirch

E-Mail: johannes.neukirch@evlka.de

Zusätzliche Medien:
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