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ISSN 2195-3171

Konfirmation, 2009

Predigt zur Konfirmation 2009 über Psalm 18, 30b, verfasst von Claudia Bruweleit

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!

Ein junges Mädchen fährt mit dem Fahrrad eine belegte Einkaufstraße in Kiel hinunter, im Fahrradkorb eine meterhohe Leinwand wie ein Segel gespannt und singt fröhlich einige Zeilen aus dem Lied von Peter Fox: Ich hab den Tag auf meiner Seite, ich hab Rückenwind. ....ein Frauenchor am Straßenrand, der für mich singt!

Leute bleiben stehen und sehen ihr lächelnd hinterher. So viel Schwung - ein toller Moment, den sie genießt. Ein Augenblick, in dem einfach alles passt und das Leben Spaß macht. Nichts Besonderes eigentlich - und dann doch besonders durch die witzige Situation mit der Leinwand, die den Rückenwind verstärkt und dem Lied, das ihr einfiel. Eine Momentaufnahme. Vielleicht wird ihr erst durch die lächelnden Gesichter deutlich, dass dies ein richtig schöner Moment ist. Vielleicht radelt sie auch einfach so weiter, genießt den Schwung und freut sich.

Ihr habt, liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden, heute den Tag auf eurer Seite, auch ihr habt Rückenwind! Dieser Tag ist euer Tag. Viele sind gekommen, um ihn mit euch zu erleben. Eltern, Geschwister, Paten und Verwandtschaft kommen, um mit euch zu feiern, dass ihr euch zu eurem Glauben bekennt und dass ihr jetzt erwachsen genug und alt genug seid, um eure eigene Meinung zu haben und sie zu sagen im Kreis der Erwachsenen.

Diesen Tag, den ganzen Tag habt ihr auf eurer Seite und ich wünsche euch, dass ihr euch beflügeln lasst von allem, was ihr heute erlebt und dass ihr dieses Gefühl mitnehmt und erinnert.

Ihr bekennt euch heute zu Gott. Heute bitten wir Gott um seinen Segen für Euch auf euren Lebenswegen. Er hat sich schon längst auf eure Seite gestellt, in der Taufe hat er euch gewiss gemacht, dass ihr mit ihm rechnen könnt für euer Leben.  Ihr könntet genau so gut sagen: ich habe Gott auf meiner Seite, ich hab Rückenwind - das ist euch jetzt zu einfach, nicht wahr? Das sagt man nicht so, ich habe Gott auf meiner Seite. Da könnte ja jeder kommen und seine Anliegen durchsetzen wollen mit solch einer Behauptung. Und doch wäre sie wahr: Gott steht auf eurer Seite - und zwar nicht nur heute, sondern jeden Tag. Heute sollt ihr das spüren wie einen Rückenwind. Und dann wird es andere Tage geben, Alltage eben oder auch schwere Tage, an denen euch der Wind ins Gesicht bläst. Auch dann ist er da und steht an eurer Seite. Meistens merkt man nicht, auch vergisst man es leicht, dass man Gott auf seiner Seite hat. Darum wäre es gut, wenn Ihr euch lange an diesen Tag erinnern könntet und an die Freude daran.

Ich habe Gott auf meiner Seite, ich hab Rückenwind -  dieser Gedanke hat auch schon vor mehr als zweitausend Jahren Menschen bewegt. Menschen, die erlebt haben, dass ihnen etwas glückte, das sie nie für möglich gehalten hätten. Menschen, die spürten: eine Kraft treibt mich, die nicht aus mir kommt. Damals gab es noch keine Charts, aber auch damals wurde gesungen, fanden gesungene Worte ihren Weg zu den Menschen und wurden so weiter und weiter getragen. Ein Satz aus diesen Liedern, die wir leider nicht mehr mit ihren Melodien kennen, aber ihrem Wortlaut nach, lautet:  Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. Psalm  18, 30b

Ein betender Mensch war erfüllt von der Begeisterung über Gottes Hilfe. Auf einmal traut er sich etwas, das er sich sonst nie zugetraut hätte.

 „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen..." Manchmal ist so eine Mauer in unserem Kopf: Das kann ich nicht, warum sollte ausgerechnet ich das machen, lass doch die anderen vor ... Alles Mauern in unseren Köpfen. Barrieren, die uns daran hindern, voranzukommen. Manchmal hilft Gott dabei, über diese Mauern zu kommen.  Er schickt uns Menschen, die an uns glauben. Die mehr sehen als du. Die dir Mut machen: Trau dich...

 

Ein Schüler, der zu den Stillen in seiner Klasse gehört, interessiert sich sehr für Fragen der Umwelt. Seine Lehrerin ermutigt ihn: Melde dich doch für einen internationalen Wettbewerb auf Europäischer Ebene an. Er zögert.  Warum sollte ausgerechnet er so etwas machen? Wie sollte er es schaffen? Die Lehrerin lässt nicht locker. Sie schlägt ein Thema vor. Nimm doch die Fischerei in der Ostsee. Was heißt Nachhaltigkeit für die Fischereiwirtschaft?

Das Thema interessiert ihn. Warum also nicht? Als er erst einmal angefangen hat, fallen ihm mehr und mehr Fragen ein. Er recherchiert im Internet. Ruft beim Institut für Meeresbiologie an.  Bespricht sich mit Freunden. Traut sich, Thesen aufzustellen. Als er es schließlich abschickt, ist sein Exposee ein mehrseitiger Aufsatz geworden mit einigen Diagrammen. Vier Wochen hört er nichts. Dann ein Schreiben aus Brüssel: Wir freuen uns, ihnen mitteilen zu können, dass Sie einen Platz in unserem einwöchigen internationalen Symposium bekommen haben. Sie werden sich dort mit dreißig anderen Schülern aus allen EU Ländern austauschen über Umwelt und Entwicklung. Die Reisekosten tragen wir...

Ein Beispiel für Rückenwind, für das Aufbrechen. Für das Überwinden von Mauern. Jesus Christus hat uns viele Beispiele gegeben, wie man mit Gott Mauern zwischen Menschen überwinden kann: Er ging zu denen, die sich als Außenseiter fühlten. Zu den Zöllnern zum Beispiel. Ausgerechnet bei ihnen lud er sich ein und feierte mit ihnen. Er sah sich die Menschen ganz genau an, mit denen er zu tun hatte und verstand, was ihnen wichtig war und auch, was ihnen fehlte. So manch einem hat er geholfen, aus der Isolation herauszufinden.

Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. Das kann auch heißen: Ich lerne, dass sich nicht immer alles nur um mich dreht. Klar, an einem Tag wie heute steht ihr im Mittelpunkt. Oder am Geburtstag. Da ist das gut und richtig. Aber selbst an solch einem Tag könnt ihr üben, euch in die Haut der anderen zu versetzen. Könnt aufmerksame Gastgeber sein und sehen, ob jemandem etwas fehlt. Die Mauern der Selbstbezogenheit, des Egoismus überwinden und sich in einen anderen Menschen hineinversetzen - das ist etwas Besonderes und sehr schönes, wenn das gelingt. Übt das mal. Heute oder auch an anderen Tagen. Da habt ihr Gott auf jeden Fall auf eurer Seite, er hilft euch, mitzufühlen, wie es anderen geht. Mitzuteilen, wie es euch geht. Gemeinsam mit anderen etwas zu erreichen.

Vielleicht macht ihr euch jetzt öfter Gedanken, was ihr einmal werden wollt. Wie ihr sein wollt. Dieses Lied Haus am See von Peter Fox spielt mit solchen Bildern, die in unseren Köpfen existieren von einem schönen Leben. Haus am See. Kinder. Eine schöne Frau. Wenn ich das höre, muss ich an Brad Pitt und Angelina Jolie denken, die am Wannsee wohnen. Wenn ich dann höre: Ich habe zwanzig Kinder, meine Frau ist schön. Alle kommen vorbei, ich brauch nicht rauszugehn, dann klingt die Ironie durch. Ich sehe hundert Paparazzi mit dicken Teleobjektiven in den Hecken des Anwesens dieser beiden Stars liegen auf der Lauer - um ein privates Foto zu erhaschen. Da sieht man: Als Perspektiven für das eigene Leben tragen diese Bilder nicht weit. Sie spielen mit unseren Träumen von einer schönen Zukunft. Viel weiter als diese Texte trägt die Musik. Die ist nämlich eingängig und trotzdem witzig. Ich finde seine Arrangements einfallsreich genug, um einem das Gefühl zu vermitteln, dass der Sänger über diesen Klischees steht. Er nimmt sie auf die Schippe, wie man so schön sagt - und überwindet sie. Denn eigentlich kommt es nicht darauf an, so ein Haus sein eigen zu nennen. Sondern daran, sich über den Moment zu freuen. Ich hab den Tag auf meiner Seite, ich hab Rückenwind - den kann man auch haben, wenn man mit dem Fahrrad die Straße hinunterflitzt und dabei singt. Die wirklich wichtigen Momente werden daran deutlich: mit Humor und etwas Selbstironie das Leben leicht zu nehmen.

Mit unserem Psalmwort gesagt: Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. Das heißt nicht, dass ihr alle auf den olympischen Treppchen ganz oben landet. Aber es heißt: dass er euch hilft, genau dahin zu kommen, wo ihr wichtig seid mit euren Stärken und Begabungen. Der eine mit seinem Wissen in Wirtschaft und Politik im europäischen Kontext. Die andere mit ihrer Fähigkeit, zu sehen und zu spüren, was den Menschen fehlt. Die dritte mit ihrer Fröhlichkeit. Und so weiter. Ihr habt heute den Tag auf eurer Seite. Ich wünsche euch, dass ihr den Kontakt zu dieser Kraft behaltet, die euch heute trägt. Gott steht auf eurer Seite. Mit seiner Hilfe könnt ihr und werdet ihr, jede und jeder am eigenen, richtigen Ort, dazu beitragen, dass diese Welt besser wird - nicht schneller, größer, reicher, sondern mit weniger Mauern zwischen uns Menschen, mit mehr Beziehung untereinander, mit mehr Verständnis dafür, was andere Menschen brauchen, was unsere Umwelt, die Schöpfung nötig hat.

Dass ihr euch traut, auf diese Hilfe zu setzen,  auszuprobieren, was in euch steckt, das wünsche ich euch. Und auch, dass ihr ab und an innehaltet und euch bewusst macht, dass die Kraft nicht allein aus euch kommt, sondern Gottes Gabe ist, die euch den Rücken stärkt.

Jesus hat in den Seligpreisungen, die wir vorhin als Lesung gehört haben, die besonderen Maßstäbe aufgezeigt, die für Gottes Reich gelten: Selig sind die Barmherzigen, sagt er. Die, die Mitleid haben und daraus sich erweichen lassen, Gutes zu tun. Selig sind die Friedfertigen. Selig sind, die nach Gerechtigkeit suchen.

Ihr habt, liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden, diesen Tag auf eurer Seite, ihr habt Rückenwind.

Und ich bin gespannt, euch wieder zu sehen und zu erfahren, wohin euch dieser Rückenwind trägt.

Ich wünsche mir, dass ihr weit voran kommt und fröhlich auf diesem Weg bleibt. Möge Gottes Segen euch begleiten!



Pastorin Claudia Bruweleit
Ev. – Luth Kirchengemeinde Heiligengeist in Kiel

E-Mail: bruweleit@heiligengeist-kiel.de

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