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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Johannes Calvin, 2009

Predigt zu Römer 16,25-27, verfasst von Paul Kluge

Liebe Geschwister,

gut zwei Jahre hat Calvin sich mit dem Brief an die Römer beschäftigt. Was Augustinus, was Luther dazu geschrieben haben, ist ihm bekannt. Um so mehr empört ihn die offizielle Lehre, die an den Universitäten gelehrt und von den Kanzeln gepredigt wird. Die Professoren haben die Weisungen der obersten Kirchenleitung zu befolgen, wie sie die Bibel auszulegen haben, und die Prediger plappern das nach. Eine eigene Meinung, eigenes Nachdenken und kritisches Fragen sind nicht gewollt und können die Stellung kosten. Die offizielle Lehre steht über der Bibel und legt fest, wie sie zu verstehen ist.

Calvin, als Jurist in Textauslegung geschult und in konsequentem Denken geübt, will dieser Praxis etwas Grundlegendes entgegensetzen. Dafür schreibt er nun einen Kommentar, eine gründliche Auslegung zum Römerbrief. Denn in diesem letzten Brief des Apostels Paulus gipfelt dessen Denken, hier fasst er seine Theologie zusammen: Aus Gnade hat Gott uns durch Christus erlöst.

Mit dem Schreiben ist Calvin wie fast immer gut vorangekommen, die Arbeit hat ihm Freude bereitet. Zwar hat er bei der Arbeit keine tiefen neuen Einsichten gewonnen, aber so viel Stärkung und Vergewisserung gefunden, dass er später im Vorwort schreibt: „Weitere Kommentare werde ich kurz fassen und dem Leser viel Langeweile ersparen - vorausgesetzt, er geht mit Kenntnis des vorliegenden Werkes an sie heran." Der Römerbrief ist Calvins theologisches Fundament.

Doch bevor er das Vorwort schreiben kann, muss Calvin den Kommentar zu Ende bringen. Der Abschluss des Briefes fehlt noch, und dessen drei letzten Versen will er einige Beachtung schenken. Sie lauten (Rm 16, 25 - 27):

„Ehre aber sei ihm, der euch zu stärken vermag im Sinne meines Evangeliums und der Botschaft von Jesus Christus. So entspricht es der Offenbarung des Geheimnisses, das seit ewigen Zeiten von Schweigen umhüllt war, jetzt aber ans Licht gebracht und durch prophetische Schriften auf Geheiß des ewigen Gottes allen Völkern bekannt gemacht wurde, um Glaubensgehorsam zu schaffen. Ihm, dem allein weisen Gott, sei durch Jesus Christus die Ehre in Ewigkeit, Amen."

Während Calvin die Verse langsam, Wort für Wort durchliest - gerade deshalb, weil er sie fast auswendig kennt - und beim Lesen möglichst viele Deutungsmöglichkeiten bedenkt, die die Grammatik zulässt, tritt sein Straßburger Freund Wendelin Rihel ins Studierzimmer. Rihel ist Verleger und für ein paar Tage zu Besuch in Basel. „Kannst du auch einmal nicht arbeiten?" begrüßt Rihel den Freund und blickt ihm über die Schulter ins Manuskript. „Du kritisierst den Apostel, den andere ‚heilig' nennen?" fragt Rihel freundlich spöttelnd, und Calvin kontert: „Wenn Paulus in so langen und im Aufbau nicht ganz glatten Sätzen schreibt, ist es wohl angebracht, die Sätze zu teilen und zu ordnen. Da schreibt halt ein Theologe." - „... und kein Jurist," spöttelt Rihel weiter, „aber im Ernst, ich halte das für richtig, was du da machst. Ich werde kein Buch herausbringen, das ein durchschnittlich gebildeter Mensch nicht versteht. Schließlich richtet das Evangelium von Christus sich an alle Menschen und ist kein Geheimwissen für ein paar Eingeweihte."

„Da kann ich dir nur zustimmen, Wendelin," reagiert Calvin, beugt sich über seine Bibel und zitiert sinngemäß: „Paulus hat mit dem Evangelium und der Botschaft von Christus das Geheimnis Gottes ans Licht gebracht und allen Völkern bekannt gemacht, nachdem es seit Jahrhunderten verschwiegen wurde." - „Das klingt ja brandaktuell," stellt Rihel fest, „da muss ich an all jene Päpste, Professoren und Prediger denken, die ihre Meinung, ihre Sicht als Gottes Wort verkaufen und das Volk hindern, dies in der Bibel zu überprüfen." - „Und die Schwärmer von heute machen es nicht anders," ergänzt Calvin, „auch sie wollen bestimmen, was richtig und was falsch ist, berufen sich gar auf neue Offenbarungen oder den heiligen Geist und verdrehen doch nur die Botschaft der Bibel. Suchen ihren eigenen Ruhm, gieren nach Verehrung, anstatt Gott allein Ruhm und Ehre zu geben."

„Was schreibt Paulus da denn sonst noch?" will Rihel wissen und langt nach der Bibel, doch Griechisch kann er nicht lesen. „Zurück zu den Quellen erfordert Bildung," frozzelt Calvin und übersetzt: „Gottes Geheimnis ist bereits durch prophetische Schriften bekannt gemacht, um Glaubensgehorsam zu schaffen. - Weil das so ist, gefällt mir übrigens die Rede von unserer ‚neuen Lehre' nicht. Was Luther, Zwingli und auch ich ans Licht gebracht haben, ist absolut nicht neu und hätte seit Jahrhunderten Allgemeinwissen sein können. Allerdings: Man muss Christus als die Mensch gewordene Offenbarung Gottes erkennen und nicht irgendwelchen Menschen, seien es Könige oder Päpste, fürchten und ehren, sondern Gott allein."

Rihel meint dazu, dass dadurch sogar viel Armut hätte vermieden werden können. Denn wer Gott die Ehre gebe und nicht selber welche suche, brauche weder Marmorpaläste noch goldene Kronen noch edelsteinbesetzte Gefäße. Calvin findet das einen interessanten Gedanken, der hier aber von Paulus wegführe. Dem gehe es zum Ende des Römerbriefes darum, die Gemeinde zu stärken, ihr Vergewisserung im und Mut zum Glauben zu geben. Und zwar durch das Evangelium, das er, Paulus, der Gemeinde geschrieben habe.

„Wie," fragt Rihel erstaunt, „Paulus nennt seine Epistel ein Evangelium? Ich denke, es gibt nur vier!" Calvin antwortet ihm: „Es gibt noch mehr Evangelien, doch nur vier wurden in die Bibel aufgenommen. Die Epistel an die Römer ist, wie alle anderen Epistel auch, in so fern Evangelium, als sie die Botschaft von Jesus Christus weitergibt und zum Glauben ruft. Auch meine Bücher, meine Predigten sind Evangelium, wenn sie ‚Christum treiben,' wie der große Luther das nennt. Wenn wir sie von Christus her verstehen, verkünden sogar schon die Propheten des alten Bundes den Herrn Christus."

„Und du bist ein Prophet des neuen Bundes," bemerkt Rihel anerkennend, „ein Künder der Botschaft von Christus, wie die Bibel sie uns offenbart und die alle Welt dort lesen kann." - „Und keineswegs Prophet einer neuen Lehre," betont Calvin noch einmal, „mir geht es darum, dass die Kirche nach Gottes Wort reformiert werde und sich immer wieder neu reformiere. Die Botschaft von Christus lässt sich nicht in Stein meißeln und auch nicht in ewig gültige Lehrsätze fassen. Denn sie lebt, lebt mit uns Menschen. Darum wird das, was ich hier schreibe, bald überlebt sein, wie auch du und ich."

„Noch haben wir Zeit, Johannes," sagt Rihel nachdenklich, „und die lass uns nutzen, die Botschaft von Christus unter alle Völker zu bringen, du als Lehrer, ich als Verleger, und wir beide zu Gottes Ehre."

„So sei es," antwortet Calvin, „doch nun lass uns ein Glas Wein trinken - auch das zur Ehre Gottes, der so viel Gutes geschaffen hat uns zu erfreuen." Amen 

Gebet: Guter Gott, immer wieder und auf mancherlei Weise verkündest du uns die Botschaft von Jesus Christus. Dafür danken wir dir, denn Christus ist unser einziger Trost im Leben und im Sterben. Lass uns in diesem Glauben bleiben und stärke uns darin, dass wir immer gewisser werden: Es ist in keinem anderen Heil.

Guter Gott, deine Güte und deine Gnade wollen allen Völkern zu Teil werden. Doch nicht alle hören diese gute Nachricht, und andere verstehen sie nicht. Darum bitten wir dich heute: Lass dein Wort Licht auf unseren Wegen sein und lass es durch uns auf die Wege anderer leuchten.

Guter Gott, dir allein gebühren Ruhm und Ehre, und wir erweisen sie dir, indem wir deinem Wort und Willen folgen. Doch Glaubensgehorsam fällt uns manchmal schwer und wir erliegen der Versuchung, nach Ruhm und Ehre für uns zu haschen oder sie anderen Menschen zu geben. Damit aber nehmen wir dir, was deines ist - und davor bewahre uns.

Guter Gott, was uns in Herz und Sinn bewegt, bringen wir vor dich und beten gemeinsam: Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen



Landespfarrer a.D. Paul Kluge
Magdeburg
E-Mail: Paul-Kluge@t-online.de

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