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ISSN 2195-3171

Kasualpredigten, 2009

Trauung, 2. Tim 1,7, Juli 2009, verfasst von Enno Junge

Liebe Hochzeitsgemeinde, der Trauspruch, den sich N. und N. aus Anlass ihrer Kirchlichen Trauung ausgesucht haben, steht im 2. Timotheusbrief 1, 7 und lautet: "Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!"

Liebe Brautleute,

heute ist nun also der Tag, auf den ihr beide lange gewartet habt, auf den Ihr euch gefreut und den ihr fast schon ein wenig ungeduldig herbeigesehnt habt. Es ist dies ja auch ein besonderer, in seiner Art einmaliger Tag, der von vielen Menschen vorbereitet, geplant und mit sehr viel Liebe bedacht wurde. Und an dem Eure Eltern, Verwandten und Freunde, oft von weit her, zusammengekommen sind, um bei Euch zu sein und mit Euch zu feiern. Eure Hochzeit, aus deren Anlass wir uns heute in der Ludwig-Harms-Kirche versammelt haben, ist nicht nur für Euch ein wichtiger Einschnitt, sondern eben für alle Menschen, die Euch nahe stehen.

Alles, was vor diesem Hochzeitstag passierte, passierte Euch. Hat mit Euch beiden zu tun und war zunächst die schönste Sache der Welt und ist es immer noch.

Früher lernte man sich auf dem Schützenfest kennen, oder wurde, wo es dörfliche Gepflogenheit war, miteinander verkuppelt oder kannte sich von Kindesbeinen an und war denn, man merkte es selber kaum, auf einmal verheiratet.

Wie gesagt, bei Euch war das anders.

Am Anfang Eurer Beziehung stand die Neugierde und auch die Sehnsucht nach dem anderen Menschen. Am Anfang Eurer Beziehung gab es das Internet und in irgendeinem Chatroom war es wohl, dass Ihr beide aufeinander aufmerksam geworden seid. Das ist kein Zufall, dass zwei Menschen, der eine - sagen wir mal - in Fuhrberg und der andere in Hamminkeln oder sonst wo zu einem bestimmten Zeitpunkt miteinander Kontakt aufnehmen und sich dann mailen und dann stundenlang miteinander telefonieren. Dass das zu diesem bestimmten Zeitpunkt passierte, ist viel feinmaschiger als es sich der Zufall ausdenken kann. Die Sehnsucht nacheinander, die Fragen, die man an den anderen hat, münden in der Neugierde, die Euch zusammengebracht hat. Wie sollen wir diesen Umstand nennen? Zufall ist es nicht, denn vom Zufall gilt, dass es ihn nicht gibt.

Sollte man es Schicksal nennen? Mir persönlich klingt der Begriff Schicksal zu gewaltig und erinnert mich eher an eine monumentale Aufführung des Musikdramas Tristan und Isolde von Richard Wagner. Da gibt es sehr viel inszeniertes Schicksal und da geht es stimmgewaltig zu und auch sonst zur Sache. 

Aber um der eigentlichen Ursache auf die Spur zu kommen, sei folgendes zu bedenken: Gottes Sehnsucht ist der Mensch und Gottes Sehnsucht kann sich da ausbreiten, bekommt Gestalt, Form, Farbe und Geruch, wo zwei Menschen in Liebe zueinander finden. Das ist bei Euch der Fall; Ihr gebt mir allen Anlass, dies zu denken. Bei Euch in Eurer Beziehung kann der liebe Gott sich ausbreiten und ein  richtig gutes Anzeichen haben wir hier schon vor Augen: Eure Tochter, Euer erstes Kind, Johanne.

Gott geht manchmal seltsame Wege, wenn es ihm darum geht, dass es in dieser Welt Liebe gibt. Gott geht oft auf leisesten Sohlen und kommt dabei in unsere Gedanken und Träume und anscheinend kennt er sich auch gut aus in den Chatrooms dieser Welt. Vom Chatroom in die Öffentlichkeit: Zunächst war da der Ansitzkaffee, dann schöne Stunden der Zweisamkeit, dann die Einführung in die Familie Heuer und Polaschegg und als vorläufigen Höhepunkt die Taufe Eurer Tochter.

Liebe Brautleute,

Euer gemeinsamer Weg hat bereits begonnen und heute bekommt dieser Weg endlich auch eine Überschrift:

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!

Diese Aufzählung kann einem vorkommen wie eine Perlenschnur mit vier herrlichen Perlen, farblich unterscheiden sie sich von einander, aber als Komposition mag ich mir diese Schnur mit den vier Perlen gerne einmal ansehen.

Ihr habt es längst gemerkt: In diesem Text werden Worte einander gegenübergestellt. Auf der einen Seite ein einziges Wort:  die Furcht, also das Gefühl des Bedroht seins durch einen anderen Menschen. In der Ehe ist das der Ehemann oder die Ehefrau. Das soll es also niemals geben in Eurer gemeinsamen Ehezeit, dass jemand von Euch denkt: Mein Mann oder meine Frau vermittelt mir das Gefühl der Bedrohung. Und mit Bedrohung ist nicht unbedingt die Anwendung von körperlicher Gewalt gemeint, sondern auch der verbale Umgang miteinander.

Damit man weiß, was der andere empfindet, muss man ihn fragen, und noch mal fragen und dann muss man so lange nach Antworten suchen, bis es keine andere mehr gibt. Ihr habt in der Ehe, die ab heute unter Gottes Segen steht, nichts anderes zu tun als dies: Ihr sollt euch lieb haben und lieb behalten. Und dazu gehört es, dass man den anderen anhört und auf ihn eingeht. Wie viele Ehen haben schon vor der Zeit aufgehört, glücklich zu sein, weil nicht mehr miteinander gesprochen wurde

Liebe Brautleute!

Das ist wohl die eine Seite des Trauspruches. Auf der anderen Seite finden sich gleich drei große Worte, die man bedenken und sich einmal aus der Nähe ansehen kann.

Kraft: Ein jeder Weg hat seinen Anfang und von ihm können Eure Eltern mehr erzählen, als ich es vermag. Von Eurer Kindheit an, den ersten Schritten des Erwachsen - und Selbständigwerdens, der Jugend und der Schulzeit, habt ihr einen Weg mit vielen Stationen zurückgelegt, der Euch zu dem gemacht hat, was Ihr heute seid. Jeder von Euch hat eine eigene Geschichte und eine eigene Vergangenheit, die ihn geprägt und geformt haben. Und diese Vergangenheit und Geschichte wird auch mit dem heutigen Tag nicht vergessen. Wird es Euch gelingen, in der Rückschau Gutes von weniger Gutem zu unterscheiden und das Ergebnis für die gemeinsame Zukunft fruchtbar zu machen? Indessen denke ich: Die eigene Vergangenheit hat immer auch mit wechselnden Gotteserfahrungen zu tun, ob wir das nun wahr haben wollen oder nicht. Der liebe Gott tut nichts als fügen und Ihr beide sollt Kraft für das Neue Gemeinsame bekommen, denn Kraft werdet Ihr brauchen, um neben dem täglichen Kram, eine glückliche Ehe zu haben.

Das nächste Wort ist das Wort Liebe. Wer bei Wikipedia unter Liebe nachsieht, liest folgende kurze Definition: „Liebe (von mhd. liebe „Gutes, Angenehmes, Wertes") ist im engeren Sinne die Bezeichnung für die stärkste Zuneigung, die ein Mensch für einen anderen Menschen zu empfinden fähig ist", so lautet jedenfalls der Eintrag in Wikipedia. Mag ja stimmen, aber eines steht hier nicht bei Wikipedia, dass nämlich die Liebe  - so sehe ich es zumindest - ein Geschenk Gottes ist. Und dieses Geschenk muss man eigentlich täglich neu entdecken und quasi jeden Tag neu auspacken.

Das heißt für Euch: Eure Liebe bedarf der Pflege. Es ist doch so: Wenn zwei jung Verliebte einander kennen lernen, dann möchte man dem anderen gefallen, man möchte ihn glücklich machen und man will auf jeden Fall, in einem guten Licht dastehen. Diese Bemühungen, dieses Werben lässt unter Umständen im Laufe der Jahre nach, denn man ist sich des anderen ja sicher. Sich lieben heißt aber: Sich täglich neu kennen zu lernen und sich um den anderen zu bemühen und sich des anderen nie sicher sein zu meinen.

Liebe ist das schönste Geschenk, ein Geschenk des Himmels eben.

Und Gott möchte, dass Ihr euch immer neu kennen lernt, denn auch für die Ehe gilt sein Gebot, dass man sich kein Bild von einem anderen Menschen machen soll, das ihn festlegt und festschreibt. Liebe geschieht immer in Freiheit und ist kein Besitz auf den es einen Rechtsanspruch gäbe. Die Liebe zueinander ist nicht selbstverständlich, weil sie in Freiheit geschieht und gerade deswegen ist es so wichtig, dass sie immer neu bewährt werden muss.

Das ist sehr viel, was hier gesagt und gefordert wird, wenn man es aber nicht beherzigt, dann kann es so sein, wie bei dem Ehepaar, welches seit fast 25 Jahren verheiratet ist und nun eines Abends nebeneinander im Bett liegt. Er sagt zu Ihr: „Du mein Schatz, ich möchte Dich endlich zum glücklichsten Menschen auf der Welt machen."  „Ja", sagt sie nach einer Pause, „ich hole schon mal die Koffer und helfe Dir beim Packen."

Liebe Brautleute, werte Hochzeitsgemeinde,

Das schönste Wort, die schönste Perle, kommt zu Schluss: Besonnenheit. Wende ich nun ganz behutsam dieses Wort auf Eure Ehe an, so kann die Botschaft, die gleichzeitig ein Wunsch ist, des Wortes nur lauten: Es möge hell zwischen Euch bleiben. Es möge mit Umsicht und Sorgfalt bei Euch zugehen. Jeder von Euch bringt Stärken und Schwächen mit in die Ehe, aber das sind ganz authentische Stärken und Schwächen, die gehören zu Euch wie die Farbe Eurer Haare oder die Farbe Eurer Augen. Es kann nur gut sein, wenn sich jeder über sein Gepäck, das er in die Ehe mit einbringt, bewusst ist. Dadurch kann die Chance eröffnet werden, offen und sorgfältig miteinander umzugehen.

Besonnenheit, sicher da steckt auch das Wort Sonne drin - bei dem Wort fallen mir Zitate ein: Nichts Schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne sein (Ingeborg Bachmann) oder auch dieses: Wenn Du glücklich bist, dann gehst Du anders...mit dem Gesicht zur Sonne. (D. Sölle). Aber das Schönste, was es geben kann, ist, wenn Ihr beide diese Besonnenheit als Gottes Geschenk betrachtet und achtet. Dann wird man an Euch, an Eurer Weise, wie ihr tagtäglich Glück als Eheleute versucht zu leben, ablesen können, wie gut es gelingt.

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!

Liebe Brautleute,

das ist nicht nur Euer Trauspruch, sondern, wie gesagt, so etwas wie eine Schnur mit vier Perlen. Ob die Perlen ihren Glanz behalten, liegt auch bei Euch. Ihr bekommt Gottes Segen für Eure Ehe, das ist überhaupt das Allerwichtigste, denn Gott hat nur eines im Sinn: Dass es glückliche Menschen gibt und ihr beide sollt auf jeden Fall dazu gehören.

Amen.

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!" (2. Timotheus 1,7)



Pastor Enno Junge
Kirchengemeinde Fuhrberg
E-Mail: ennojunge@online.de

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