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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Reformationstag, 2009

Erzählpredigt zum Lied „Nun freut euch, lieben Christen g'mein" von Martin Luther, verfasst von Peter Huschke

Liebe Festgemeinde,

auch heute lade ich Sie ein ins Erlangen des Jahres 1528 - diesmal in die Zeit Ende November, kurz vor dem 1. Advent.

Meine Erzählpredigt ist wieder entstanden auf dem Hintergrund der Erlanger Stadtgeschichte in der Reformationszeit. Zugrunde liegt ihr heute das Lied Martin Luthers, dessen erste drei Strophen wir eben gesungen haben. Auch zu diesem Lied habe ich mir so viel wie möglich an Hintergrundinformationen angelesen. Geschrieben habe ich diese Erzählung aber natürlich im Oktober 2009 mit all seinen Themen und Herausforderungen. Anklänge und Ähnlichkeiten zu allen drei Erzählhintergründen sind also durchaus beabsichtigt. Anachronismen mögen sie dem Erzähler deswegen verzeihen.

„Nun freut euch, lieben Christen g'mein"

Dieses Lied Martin Luthers summen sie in unterschiedlichen Stimmlagen vor sich hin, als sie das Wirtshaus „Zum Goldenen Ochsen" betreten: Schreiner Lorenz mit seinem Gesellen Georg, Kaufmann Konrad mit seiner Frau Katharina und ihrem Hausmädchen Anna, sowie Witwe Klara.

Anna wirft noch einen letzten Blick zurück zu ihrer geliebten Martinskapelle drüben auf dem Martinsbühl. „Ganz schön kalt ist es heuer schon im Herbst." Stellt sie fröstelnd fest.

„Unser neuer Pfarrer Andreas Eck hat uns trotz der Kälte in der Kirche lang üben lassen, damit wir das Lied ordentlich hinbekommen. Ab dem neuen Kirchenjahr, das am Sonntag mit dem ersten Advent beginnt, sollen wir das Lied singen können." Geselle Georg ergänzt das mit leicht frostigem Unterton. Er würde Anna gerne wärmen.

„Wie im Wittenberger Gesangbuch angeregt (GW, S. 117), sollen wir das Lied jetzt immer zwischen Glaubensbekenntnis und Predigt singen - als ‚Deutelied nach dem Credo' (GW, S. 117) und als Beginn der Verkündigung. Andreas Eck ordnet unsern Gottesdienst im Sinn der Reformation." Fügt Katharina noch hinzu.

Alle sechs nehmen Platz.

Ambrosia, die katholische Bedienung, bringt ihnen ihr Bier.

„Toll, dass Pfarrer Eck uns aus Nürnberg das Achtliederbuch des Druckers Jobst Gutknecht mitgebracht hat. Es ist schon vor vier Jahren gedruckt worden. Es enthält dieses Lied Luthers noch mit der schönen alten Melodie - mit der auftaktigen Achtel zu Beginn jeder Zeile und den drei Quartsprüngen gleich am Anfang. Da merkt man was vom fröhlichen Springen, wenn man mit Lust und Liebe singt."

Katharina grinst ob der kunstbeflissenen Ausführungen ihres Ehemannes. Er hat sich genau gemerkt, was sie ihm auf dem Weg zur Probe gesagt hat. Aber er betont nicht mehr, dass er selber die Bücher für den Chor gekauft hat. Martin Luthers Rechtfertigungslehre scheint bei ihrem Mann angekommen zu sein. Dass man gute Werke selbstverständlich tun wird, aber damit weder vor Gott, noch den Menschen groß tun soll, scheint sich ihr lieber Ehemann beides zu Herzen genommen zu haben. Das Geschäft lief ja auch fast unverschämt gut - trotz der durch den Bauernkrieg bedingten Wirtschaftskrise. Katharina grinst still vor sich hin, als ihr Ehemann weiter mit dem Wissen glänzt, das er zuvor von ihr erhalten hat.

„Für die Verbreitung von Martin Luthers Gedanken waren seine Lieder ja sowieso besonders wichtig. Im Vorwort eines Wittenberger Gesangbuchs heißt es: Man habe keinen Zweifel, dass allein durch dieses eine Lied Hunderte von Christen wieder zum Glauben gebracht worden seien, die vorher noch nie den Namen Luthers gehört haben, aber denen seine Worte zu Herzen gegangen sind (GW, S. 114)."

„Seine Worte und seine Melodien." Schreiner Lorenz unterbricht die Ausführungen von Kaufmann Konrad und erzählt: „Martin Luther hat als Melodie schon nicht ohne Grund Anklänge an zwei ganz bekannte Liebeslieder (GW, S. 113) gewählt. Diese Melodien können die Leute selbst betrunken auf der Kirchweih noch gut singen. Gerade die herumwandernden Handwerkergesellen haben so mit für die Verbreitung von Luthers Liedern gesorgt. Damit kamen seine Worte über den Glauben und seine Theologie unters Volk. Auf ihren Wegen durch die Städte und über das Land haben sie Luthers Gedanken singend verbreitet."

„Das hat unser alter Priester Andreas Mentler auch immer gesagt." Ambrosia, die Kellnerin, mischt sich in das Gespräch ein. „‚Es ist äußerst zu verwundern, wie sehr die Lieder das Luthertum fortgepflanzt haben, die in deutscher Sprache haufenweise aus Luthers Werkstatt geflogen sind und in den Häusern und Werkstätten, auf Märkten , Gassen und Feldern gesungen werden.' (GW, S.117) In Bamberg nennt man das Lied beim Bischof wegen der Melodie auch ein ‚Huren-Buben- und Teuffelslied' (GW, S. 116)."

Katharina möchte schnell das Thema wechseln. Sie sieht, wie ihrer Magd Anna die Tränen in die Augen schießen.

„Was ist los?" Fragt sie Anna. Anna antwortet:

„Wir Christen sind doch blöd. Ambrosia muss jetzt womöglich unseretwegen aus Erlangen weg, weil sie an ihrem alten christlichen Glauben festhalten will.

Martin Luther schrieb dieses Lied, weil zwei Antwerpener Augustinermönche wegen ihres Lutherischen Glaubens in Brüssel von andern Christen hingerichtet wurden.

Können wir uns nicht als liebe Christen g'mein, also: gemeinsam von der Glaubensfreude anstecken lassen? Luther bringt das in der ersten Strophe mit Melodie und Text so schön zum Ausdruck.

Vielen von uns geht es doch wie mir und wie das Luther in der zweiten und dritten Strophe in der Ich-Form für viele treffend sagt: Im Tod lag ich verloren. Meine Eltern sind im Bauernkrieg umgekommen. Unser Hof wurde vom Fürsten einkassiert. Zu verdienen gab es für mich mit anständiger Tätigkeit in dieser Krisenzeit nichts. Ich fiel immer tiefer drein. Die Angst mich zu verzweifeln trieb. Mich beherrschte das Gefühl: Es war kein Guts am Leben mein. Ich verzweifelte an Gott und an mir selber.

Da machte ich mich Gott sei Dank auf den Weg nach Nürnberg. Dort hörte ich, gäbe es noch Arbeit. Die Stadt hätte eine gute soziale Versorgung. Sie hätte dafür einen gut gefüllten gemeinen Kasten, um die Bettler von der Straße zu bringen und zu versorgen. Für Witwen werde gesorgt und für Waise. Auch eine gute Versorgung mit Seelsorgern und Predigern sei den Stadtoberen wichtig. Und dort traf ich Euch."

Anna schaut mit großer Dankbarkeit zu Kaufmann Konrad und seiner Frau Katharina.

„Ihr habt mir erst mit Arbeit und dann auch mit Eurem lutherischen Glauben wieder den Weg nach vorne geöffnet. Ich erfuhr am eigenen Leib das, was Luther so toll ab der vierten Strophe beschreibt. Da jammert Gott in Ewigkeit mein Elend übermaßen. Gott nimmt meine Sorgen in den Blick - selbst die Sorgen um meine toten Eltern und ob sie in den Himmel kommen. Gott unternimmt was. Er lässt es sich sein Bestes kosten, seinen Sohn. Durch seinen Sohn macht Gott für mich den Weg meiner Eltern deutlich - durch den Tod hindurch. Mit ihm darf ich leben, ich und meine toten Eltern, ihr und hoffentlich auch Ambrosia. Wir sind für Gott so wichtig, dass Jesus uns ganz persönlich anspricht, wie Luther das ab der siebten Strophe uns singen lässt.

Selbst Georg hat, seitdem wir dieses Lied singen, nicht mehr darüber gelästert, warum Luther das Kreuz, das Leiden und Sterben Jesu immer so wichtig ist. Luther beschreibt das für alle Menschen. Wir sollen uns freuen und fröhlich springen und nicht rechthaberisch streiten, wer in seinem Glauben mehr Recht hat. Gemeinsam müssten wir die Rechtfertigungslehre für uns als wichtig erklären ... und dann auch als Gerechtfertigte und Heilige leben."

Georg, der Schreinergeselle, gibt Anna Recht. Eifrig bemüht will er sie in ihren Gedanken unterstützen und sagt: „Unter der Überschrift ‚Nun freut Euch alle gemeinsam, liebe Christengemeinde' erzählt Martin Luther wirklich ganz anschaulich, warum Glauben Menschen eine Hilfe ist - gerade auch in dieser wirtschaftlich so schwierigen Zeit nach dem Bauernkrieg und angesichts der Angst vor neuen Kriegen, die der Kaiser führen will. In der zweiten und dritten Strophe beschreibt Luther, was uns alles an Selbstzweifel überfallen kann. Dann erzählt er anschaulich, wie Gott sich durch Jesus für uns einsetzt. Gott nimmt Jesus für uns in die Verantwortung. Und am Schluss des Liedes ab der siebten Strophe werden wir so sehr wertgeschätzt, dass Jesus selber uns anspricht. Er - Jesus - sprach zu mir. Kreuz, Leiden und Sterben sind da allein für uns wichtig, weil wir eben auch leiden und sterben müssen, weil wir auch unser Kreuz tragen müssen."

Kaufmann Konrad will nun natürlich auch noch sein Wissen zum Besten geben: „In Gutknechts Achtliederbuch ist das Lied deswegen auch überschrieben mit den Worten „Ein Christenlichs Lied doctoris Martini Luthers / die unaussprechliche Gnaden Gottes und des rechten Glaubens begryffendt" (GW S. 113)

 

Das Gespräch verebbt an dieser Stelle. Alle schauen noch einmal auf die Noten und Worte Luthers. Wir wollen das jetzt auch tun und nach einem Vorspiel die Strophen vier bis sieben singen

„Euer Luther traut sich schon was. Der ist nicht so verklemmt und leibfeindlich wie ihr Lutheraner da immer tut."

Ambrosia hat in der siebten Strophe etwas ihr Vertrautes entdeckt.

„Luther wendet das, was bei uns Verlobte zueinander sagen auf das Verhältnis zwischen Gott und uns Christen an: Ich bin dein und du bist mein, und wo ich bleib, da sollst du sein. Das klingt ja wie aus einem Poesiealbum. Die zarteste Liebeserklärung seit es Menschen gibt - und das von Gott an uns."

Geselle Georg grinst Ambrosia fast unverschämt an, als ob er sie ärgern und frech fragen wollte: „Diese Liebeserklärung hast du wohl nicht nur bei der Taufe von Gott, sondern auch schon von dem einen oder andern männlichen Wesen gehört?"

Georg reißt sich aber am Riemen. Er sagt ernsthaft zu Anna gewandt, bei der er ja eigentlich punkten will: „Deswegen hat Luther ja auch die Melodie eines Liebesliedes gewählt. Der meint das ernst mit Gottes Liebe zu uns, die wir auch an unserer Liebe zueinander spüren, und dass wir uns g'meinsam freuen und fröhlich springen dürfen."

 

Witwe Klara nickt zustimmend und sagt: „Gerade kurz vor der Adventszeit dürfen wir uns an das erinnern, was Luther in einer Weihnachtspredigt so treffend bemerkt: ‚Das Wort ‚für uns' fordert uns zu einem festen Glauben heraus. Denn auch wenn Jesus tausend und abertausend Mal geboren wurde und wäre doch nicht für uns geboren und unser eigen geworden, so wäre uns damit nicht geholfen.' (GW, S. 117) Deswegen lässt Martin Luther uns in der Ich-Form singen. Er lässt Jesus zu mir sprechen. Er sprach zu mir. Gottes Liebe begegnet uns in seiner Liebe zu uns und in unserer Liebe zueinander"

 

„Ja, und in der vorletzten Strophe spricht Luther auch noch einmal direkt von meinen Eltern." Anna hat wieder Tränen in den Augen. Sie will aber sichtlich fröhlich sein und nimmt noch einen großen Schluck Bier, bevor sie weiter sagt: „Gen Himmel zu dem Vater mein fahr ich von diesem Leben. So haben das hoffentlich meine Eltern erleben dürfen. So möchte ich das auch für mich selber glauben. Und dann haben sich die Herrschaften vorhin auf dem Friedhof vor der Martinskapelle zu Unrecht über uns als Chor aufgeregt. Sie fanden es unmöglich, dass wir auf dem Friedhof gesungen haben ‚Nun freut euch lieben Christen g'mein'. Das sei ungehörig. Gott will uns aber wohl genau das zu erkennen lehren und in diese Wahrheit leiten - durch Trübnis und Tod hindurch zu Lob und Gottes Ehr." Anna will das fröhlich sagen - unter Tränen.

Witwe Klara umarmt Anna liebevoll und sagt dann zu ihr und allen anderen. „Damit wir uns freuen und fröhlich springen können, brauchen wir Jesu Geist, Gottes Geist der Liebe, den Heiligen Geist. Davon lässt Martin Luther Jesus in den letzten beiden Strophen zu sich selber und zu uns, die wir das Lied singen und hören, sagen: ‚Den Geist will ich dir geben. ...Was ich getan hab und gelehrt, das sollst du tun und lehren, damit das Reich Gotts werd gemehrt.'"

Anna schaut wieder Katharina und ihren Mann an. Die haben das für sie getan. Indem sie ihr neu Heimat gaben, hat sie für sich ein Stück vom Reich Gottes erfahren können.

Alle Chormitglieder denken an Ambrosia und daran, dass da noch etwas geschehen muss, damit Christen und Christinnen auch mit unterschiedlichem Glauben sich g'meinsam freun. Da muss das Reich Gottes noch wachsen.

Schreiner Lorenz überlegt, ob er nicht doch noch einen Gesellen anstellen kann, damit der einen Arbeitsplatz in diesen schweren Zeiten hat. Da wäre etwas fürs Wachsen von Gottes Reich zu tun

Witwe Klara denkt dankbar daran, wie gut ihr Mann für ihr Leben nach seinem Tod gesorgt hat.

Katharina und Konrad denken an ihre fünf Kinder, die alle leben und gesund sind - damals für Frau und Kinder etwas sehr Ungewöhnliches. Vielleicht sollten sie doch noch einmal eine große Summe für die von Luther vorgeschlagene Mädchenschule und für den gemeinen Kasten zur Versorgung der Obdachlosen, Witwen und Waisen stiften - auch als Zeichen für Erlangen und seine Politik - natürlich ohne Namensnennung.

Georgs Blick bleibt verliebt auf Anna gerichtet - ganz im Sinne von Luthers Melodie. Anna ärgert sich noch mehr wegen ihrer Tränen. Sie würde Georgs Blicke nämlich gerne erwidern. Sie stellt erfreut fest, dass ihr verheultes Aussehen Georg nicht zu schrecken scheint.

So ganz unterschiedlich erahnen die Chormitglieder, wie Sich Freuen und Fröhlich Springen das Reich Gottes für sie ganz persönlich mehren kann, wie sie das einander und Gott näher bringt.

Sie nicken alle zustimmend, als Witwe Klara Ihnen vor dem gemeinsamen Aufbruch noch ein Wort Luthers auf den Weg gibt:

„‚Also lieben Freund, das Reich Gottes, das wir sind, besteht nicht in der Rede oder in Worten, sondern in der Tätigkeit, das ist in der Tat, in den Werken und Übungen. Gott will nicht Zuhörer und Nachredner, sondern Nachfolger und Übende haben. Und das im Glauben durch die Liebe.' (GW, S. 122) In diesem Sinne lasst uns uns freuen und fröhlich springen. Auf dem Heimweg können wir ja noch ein paar Strophen zusammen sittsam und nicht zu laut singen, damit es nicht wieder Ärger gibt."

Alle grinsen still vergnügt ... und wir wollen ganz in diesem Sinn die letzten drei Strophen wieder nach einem Vorspiel singen.

Und der Friede Gottes komme über uns und bleibe bei uns und bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen

 

Zitierte Literatur:

Christa Reich, Nun freut euch, liebe Christen g'mein, in: Geistlicher Wunderhorn, Große deutsche Kirchenlieder, München, 2001, S. 111 - 123 und 509 - 510 (abgekürzt: GW)

Die kursiv gedruckten Stellen beziehen sich direkt auf das Lied „Nun freut euch lieben, Christen g'mein" (EG 341)



Dekan Peter Huschke
Erlangen
E-Mail: peter.huschke@elkb.de

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