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ISSN 2195-3171

Konfirmation, 2010

Predigt zur Konfirmation 2010 über Hebr. 5,9.13f.6,1, verfasst von Jochen Riepe

I

Allem Anfang wohnt bekanntlich ein Zauber inne. Aber , nicht wahr, dann muß es auch weitergehen. Und schließlich gibt es ein Ende. Ein Ziel. Das schönste Ziel aber heißt : Danken  können.

II

Die Ärzte  könnten es nennen : ‚Morbus communalis mensae', zu deutsch : Störungen bei Tische oder Störung der Tischgemeinschaft.  Gibt es auch bei Ihnen manchmal Krach beim Essen? Oder ist es auffällig still?  Dem einen schmeckt nicht mehr , was ihm vorgesetzt wird , und der andere isst allein auf seinem Zimmer.  Oder abends spät, wenn alles schlafen will, wird's in der Küche laut.  ‚Die Liebe geht durch den Magen', sagt man , ich ergänze : Die Familie auch.  Und so wie die Liebe mit dem - Leid daherkommt, so die Familie mit der Störung. Das Mißverstehen ist manchen  Ortes das erste und das einzige , und wissen  Sie was, liebe Gemeinde, einer unserer Väter meinte :  Das ist gar nicht schlimm.

III

‚Wem man noch Milch geben muß , der ist unerfahren im Wort der Gerechtigkeit'.  Der Hebräerbrief führt uns an den Anfang , zur Speise des Anfangs.  Das Bild ist so einfach, dass Ihr, liebe Konfirmanden , im Unterricht gar nichts weiter dazu sagen konntet oder -wolltet. Ein Kind wird gestillt und später bekommt es die Flasche - die erste Tischgemeinschaft unseres Lebens , für viele der Inbegriff  von Harmonie und Frieden. Manche meinen sogar , dass wir uns ein Leben lang danach zurück sehnen, und als wir neulich  im Jugendkreis über das Rauchen sprachen, da musstet Ihr eine gewagte These kennen lernen : das Ziehen an einer Zigarette schenke uns eine unbewusste Erinnerung an diese Zeit. Ihr habt heftig protestiert . Zu  Recht : Es ist gut ,  einen Anfang zu haben , aber wir müssen und wollen doch darüber hinaus!

IV

Der Hebräerbrief zeigt an dieser Stelle auf Christus , und diesen Hinweis muß ich einen Augenblick vertiefen.  Glücklicher kann kein Anfang sein.  Er ist Sohn , von Gott bejaht und angenommen. Er ist der Erbe von allem  - da ist soz. Milch die Fülle. Aber diese Vorgaben , diese Auszeichnung muß ihrerseits  bejaht, bewährt und in Liebe gelebt werden. Der Sohn Gottes wird ein Mensch wie wir ( Hebr.2,17) , und Gott mutet ihm die feste Speise seines  Lebensweges zu. Er wird erwachsen. Er wird Zeuge der Gerechtigkeit, ein Freund , ein mitfühlender und mit leidender Freund der Menschen. Er muß schließlich Gewalt ertragen, er wird schreien und weinen ... ‚Mein Gott , wozu das alles?!' - feste Speise, hartes Brot : Auch uns Erwachsenen kann es so ergehen. Man will so manches nicht vorgesetzt bekommen. Man würgt es herunter, man spuckt es wieder aus und sehnt sich nach der guten Milch  zurück , und sei als Tablette oder Likör.

V

Gibt es das bei euch auch : Morbus communalis mensae - Störung bei Tische ? Die Familie geht durch den Magen , und unser Verhalten  am Tisch  sagt sehr viel  über unsere Situation. Gut , dass das unter uns bleibt. Aber eins darf ich öffentlich sagen und habe dafür auch die Rückendeckung unseres  Vaters : Störungen, liebe Gemeinde, sind gleichsam eine Variante, eine Weise  jener festen Speise , die uns lebenslang gereicht wird . Der Hebräerbrief würde sagen :  dievon Gott gereicht wird . Er spitzt das sogar zu :  Ob und wie  jemand , oder eben eine Familie, diese Störungen aus Gottes Hand annimmt, sie ausspricht und sich damit auseinandersetzt, daran zeigt sich , ob er wirklich in der Nachfolge Jesu steht. Daran zeigt sich auch , ob eine Familie mehr ist als eine Zwangs-Lebensform, die man möglichst rasch hinter sich bringen muß . An Störungen entwickeln wir uns. Wir lernen. Der Tisch wird gleichsam abgeräumt - mitunter mit Krach und Tränen : tabula rasa!-  und muß dann neu gedeckt werden. Wenn's dir nicht mehr schmeckt , koch' doch mal selbst, aber für die anderen mit ! Und  lade Freund oder Freundin, Oma und Opa, Patenonkel und Tante dazu ein , dass die Tischgemeinschaft sich öffne und - gesunde!

VI

Allem  Anfang - das wissen wir - wohnt ein Zauber inne. Aber es muß dann auch weitergehen, sonst werden wir träge und das Leben tritt auf der Stelle. Denn, liebe Gemeinde , es gibt schließlich für jeden getauften Christen ein Ziel  : Reifung, Vollendung, gar Vollkommenheit.  Sie, liebe Eltern, mahnten anlässlich des Elternabends bei diesem Wort zu besonderer Vorsicht. Zu Recht. Nicht noch mehr Druck! Leistungsstress und Perfektionswahn gibt es schon  genug!  Vollendung in der Nachfolge Christi ist auch wirklich etwas anderes . Er, der uns die feste Speise reicht, die vielen Störungen des Lebens und auch des Glaubens,  er teilt sie auch mit uns  und zeigt uns , wie man sie kauen und wie man an ihr stark werden kann.  Denn das Versprechen , am harten Brot könnten wir reifen, ist nur da kein Geschwafel  oder pädagogischer Zynismus, wo wir als Gemeinde, als Familie, als Christen im Berufs- und Arbeitsleben dafür einstehen. Mittragen. Gleichsam betend  mitspeisen, miteinander speisen. Der Tisch ist die Urform des Streits um das gerechte Leben. Er ist aber auch die Wirklichkeit des gerechten Lebens. Ort der Aussprache , der Versöhnung , der Fröhlichkeit.

VII

Wenn Ihr heute an diesem Festtag , liebe Konfirmanden, liebe Eltern und Paten und Großeltern, den Tisch deckt, wenn ihr esst und trinkt, vielleicht oder gewiß  ein  Tischgebet sprecht, dann mögt ihr zugleich danken. Für alle Mahlzeiten, die Gott euch gewährt hat und gewähren wird. Die Jungen danken den Alten , die Alten den Jungen , für die Milch des Anfangs , für die feste Speise. Es gibt ein Ziel. Danken -können für beides. Ich glaube : Das wäre Vollendung.



Pfarrer Jochen Riepe
Dortmund
E-Mail: Jochen.Riepe@gmx.net

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