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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Johann Peter Hebel, 2010

1. Korinther 15,13-18, verfasst von Erika Godel

Liebe Geschwister,

in der österlichen Zeit taucht in christlichen Kreisen - sei es im medien-öffentlichen Streit unter namhaften Professoren der Theologie oder in ganz normalen Ostergottesdiensten  - immer wieder mal die Frage auf: Was ist eigentlich Auferstehung? Wie war das damals wirklich, drei Tage nachdem Jesus von Nazareth gekreuzigt worden ist? Was haben die Frauen tatsächlich erlebt, als sie am ersten Tag der Woche, sehr früh als die Sonne aufging, (Mk 16,3ff) zum Grab Jesu kamen? Hat sie nur ein großes Erdbeben erschreckt und sie zu Phantasien verleitet (Mt. 28,2ff) oder stimmt es, dass sie sich überhaupt nicht getraut haben nachzuschauen, ob der Leichnam Jesu im Grab lag oder auch nicht (Joh. 20,1 ff)? War das Grab leer, wie der Göttinger Neutestamentler Professor Gerd Lüdemann vor Jahren spektakulär meinte, wissenschaftlich bewiesen zu haben? Können wir überhaupt wissen, was wir in jedem Gottesdienst glaubend bekennen: „Ich glaube an Jesus Christus ... geboren... gekreuzigt, gestorben und begraben...am dritten Tage auferstanden von den Toten"? Oder machen wir es uns einfach und reihen uns umstandslos in die lange Reihe der Leugner der Auferstehung der Toten ein, vor deren Denkungsweise uns der Apostel Paulus mit dem Predigttext aus dem 1. Brief an die Gemeinde in Korinth gewarnt hat:

 

1. Korinther 15,13-18

 

13 Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden.
14 Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.
15 Wir würden aber auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen.
16 Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist auch Christus nicht auferstanden.
17 Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube eitel, so seid ihr noch in euren Sünden;
19 so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren.

 

Was Paulus als schlüssige Beweiskette hier vorlegt, ist für mich unbefriedigend und nicht überzeugend. Ein Kollege hat diese Argumentation des Paulus mit „Palmströms Logik" karikiert, frei nach dem Motto: „Und also schließt er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf." Ein bisschen verzweifelt klingt es in meinen Ohren schon, wenn Paulus mit der Verlorenheit aller droht, um nur ja keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass die Toten seit und mit Jesus auferstehen. Wahr ist, dass es erhebliche Konsequenzen hätte, wenn die Behauptung, die wir Christen aufstellen, nämlich dass der gekreuzigte Jesus von Nazareth am dritten Tage von der Toten auferstanden ist, falsch wäre. Dann würde ja die entscheidende Voraussetzung für christliche Predigt, für christlichen Glauben und christliche Hoffnung entfallen! Einerseits wäre das zwar ganz schlimm, aber andererseits immer noch kein Beweis dafür, dass Paulus recht hat. Egal wie sehr wir es ja glauben wollen, dass die Aussage von der Auferstehung Jesu zutreffend und wahr ist, bewiesen ist damit gar nichts. Im Gegenteil: je mehr wir mit Paulus darauf pochen, dass es so sein muss, umso mehr kommt der Verdacht auf, dass bei uns wie schon bei Paulus hier der Wunsch der Vater des Gedankens ist.

Auferstehung und ewiges Leben sind wirklich schwierige Themen, und da ist es vielleicht das Allerbeste ganz darauf zu verzichten. Aber wäre damit etwas gewonnen? Wohl kaum, denn Paulus hat ja damit recht: Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist alles vergeblich! Dann wären der christliche Glaube, die Verkündigung der Kirchen, die Glaubenszeugnisse und der Opfermut vieler gläubiger Menschen vergeblich gewesen - alles nur ein großer Irrtum, eine einzige Täuschung, ein gewaltiger Selbstbetrug. Natürlich hat es so etwas wie Glaubenswahn in der Geschichte öfters gegeben, aber ich ein Opfer solcher Verblendung? Niemals!

Es ist ein Dilemma, aber gibt es einen Ausweg? Bietet nicht Paulus selbst einen an mit der Aussage: „Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten und der Erstling geworden unter denen, die da schlafen." Das hat Paulus geglaubt, und nicht mit seiner sonderbaren Argumentation zu beweisen versucht. Und das glaube ich und glauben wir Christen alle doch auch. Im Glauben an die Auferstehung entscheidet sich unser Christsein. Ob diese beweisbar ist oder nicht, darauf kommt es dabei überhaupt nicht an. Ob das Grab voll oder leer war, interessiert mich nicht wirklich, denn es beeinflusst meinen Glauben nicht. Der Wahrheitsgehalt der Auferstehung erweist sich in meinem Leben, darin, wie ich es in der Gewissheit gestalte, dass nicht einmal der Tod Macht über mich hat. Wäre Jesus nur ein vorbildlicher Mensch gewesen, könnte er mich nicht mit dem Göttlichen in Verbindung bringen. Ich bliebe im Irrtum befangen, dass ich die Welt retten müsste und könnte, obwohl ich genau weiß, wie wenig ich ausrichten kann, gegen alles, was Leben einschränkt, behindert oder gar vernichtet.

Aber Paulus lehrt uns: Durch die Auferstehung ist die Todesgrenze aufgehoben, der Tod, der letzte Feind hat die Macht verloren! Keine Macht der Welt kann sie mehr als Druckmittel einem an die Auferstehung Glaubenden gegenüber wirkungsvoll einsetzen.

Johann Peter Hebel (1760 -1826), der Pfarrer und Lehrer aus Südbaden, hat seinen Auferstehungsglauben in der wunderbaren Geschichte einer namenlosen Frau bedacht:

Unverhofftes Wiedersehen (1811)

„In Falun in Schweden küsste vor guten fünfzig Jahren und mehr ein junger Bergmann seine junge hübsche Braut und sagte zu ihr: "Auf Sankt Luciä wird uns unsere Liebe von des Priesters Hand gesegnet. Dann sind wir Mann und Weib und bauen uns ein eigenes Nestlein." - "Und Friede und Liebe soll darin wohnen", sagte die schöne Braut mit holdem Lächeln, "denn du bist mein Einziges und Alles, und ohne dich möchte ich lieber im Grab sein, als an einem anderen Ort." Als sie aber vor St. Luciä der Pfarrer zum zweiten Mal in der Kirche ausgerufen hatte: "So nun jemand Hindernis wüsste anzuzeigen, warum diese Personen nicht möchten ehelich zusammenkommen", da meldete sich der Tod. Denn als der Jüngling den andern Morgen in seiner schwarzen Bergmannskleidung an ihrem Haus vorbeiging, der Bergmann hat sein Totenkleid immer an, da klopfte er zwar noch einmal an ihrem Fenster und sagte ihr guten Morgen, aber keinen Abend mehr. Er kam nimmer aus dem Bergwerk zurück, und sie säumte vergeblich selbigen Morgen ein schwarzes Halstuch mit rotem Rand für ihn zum Hochzeitstag, sondern als er nimmer kam, legte sie es weg und weinte um ihn und vergaß ihn nie...

Als aber die Bergleute in Falun im Jahr 1809 etwas vor oder nach Johannis zwischen zwei Schachten eine Öffnung durchgraben wollten, gute dreihundert Ellen tief unter dem Boden, gruben sie aus dem Schutt und Vitriolwasser den Leichnam eines Jünglings heraus, der ganz mit Eisenvitriol durchdrungen, sonst aber unverwest und unverändert war; also dass man seine Gesichtszüge und sein Alter noch völlig erkennen konnte, als wenn er erst vor einer Stunde gestorben, oder ein wenig eingeschlafen wäre an der Arbeit. Als man ihn aber zu Tag ausgefördert hatte, Vater und Mutter, Gefreundete und Bekannte waren schon lange tot, kein Mensch wollte den schlafenden Jüngling kennen oder etwas von seinem Unglück wissen, bis die ehemalige Verlobte des Bergmanns kam, der eines Tages auf die Schicht gegangen war und nimmer zurückkehrte. Grau und zusammengeschrumpft kam sie an einer Krücke an den Platz und erkannte ihren Bräutigam; und mehr mit freudigem Entzücken als mit Schmerz sank sie auf die geliebte Leiche nieder, und erst als sie sich von einer langen heftigen Bewegung des Gemüts erholt hatte, "es ist mein Verlobter", sagte sie endlich, "um den ich fünfzig Jahre lang getrauert hatte und den mich Gott noch einmal sehen lässt vor meinem Ende. Acht Tage vor der Hochzeit ist er unter die Erde gegangen und nimmer heraufgekommen." Da wurden die Gemüter aller Umstehenden von Wehmut und Tränen ergriffen, als sie sahen die ehemalige Braut jetzt in der Gestalt des hingewelkten kraftlosen Alters und den Bräutigam noch in seiner jugendlichen Schöne, und wie in ihrer Brust nach 50 Jahren die Flamme der jugendlichen Liebe noch einmal erwachte; aber er öffnete den Mund nimmer zum Lächeln oder die Augen zum Wiedererkennen; und wie sie ihn endlich von den Bergleuten in ihr Stüblein tragen ließ, als die Einzige, die ihm angehöre und ein Recht an ihn habe, bis sein Grab gerüstet sei auf dem Kirchhof. Den andern Tag, als das Grab gerüstet war auf dem Kirchhof und ihn die Bergleute holten, schloss sie ein Kästlein auf, legte sie ihm auf das schwarzseidene Halstuch mit roten Streifen um und begleitete ihn alsdann in ihrem Sonntagsgewand, als wenn es ihr Hochzeitstag und nicht der Tag seiner Beerdigung wäre. Denn als man ihn auf dem Kirchhof ins Grab legte, sagte sie: "Schlafe nun wohl, noch einen Tag oder zehen im kühlen Hochzeitbett, und lass dir die Zeit nicht lange werden. Ich habe nur noch wenig zu tun und komme bald, und bald wird's wieder Tag. - Was die Erde einmal wieder gegeben hat, wird sie zum zweitenmal auch nicht behalten", sagte sie, als sie fortging und noch einmal umschaute.  (Johann Peter Hebel: Werke. Zwei Bände; hrsgg. v. Otto Behagel, Stuttgart 1883-1884).

Amen

 

 



Studienleiterin Dr. Erika Godel
Berlin
E-Mail: godel@eaberlin.de

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