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ISSN 2195-3171

Konfirmation, 2010

Predigt zur Konfirmation 2010 über 1. Tim. 6,12-16, verfasst von Wolfgang Vögele

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, der Predigttext für diesen Konfirmationsgottesdienst steht 1Tim 6,12-16:

„Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen. Ich gebiete dir vor Gott, der alle Dinge lebendig macht, und vor Christus Jesus, der unter Pontius Pilatus bezeugt hat das gute Bekenntnis, daß du das Gebot unbefleckt, untadelig haltest bis zur Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus, welche uns zeigen wird zu seiner Zeit der Selige und allein Gewaltige, der König aller Könige und Herr aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann. Dem sei Ehre und ewige Macht! Amen."

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde,

Kämpfe!

So heißt das erste Wort.

Kämpfe! Und das läßt dem Hörer einen leichten Schauer über den Rücken rieseln. Selbstverständlich ist hier ist an den Ritter mit der Lanze und nicht an den Soldaten mit dem Maschinengewehr gedacht. Kämpfe! Das Bild vom Kampf zielt auf das Leben selbst. Das ganze Leben, vom Anfang bis zum Ende, läßt sich wie ein Kampf verstehen. Und auch der Glaube ist so etwas wie ein Kampf. „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens."

Ich nehme das zum Anlaß, um gleich am Anfang einige Eierschalen abzustreifen. Liebe Konfirmanden, ich will euch keine unverbindliche erbauliche Rede halten, keine harmlos optimistische Lebensbelehrung, die sich im Vagen und Ungefähren verliert. Christlicher Glaube zielt nicht auf Herz und Schmerz und Gefühlsduselei, das überlassen wir den getrost den Schlagersängern.

Kämpfe den guten Kampf des Glaubens! Die Anspielung auf den Kampf, auf den Lebenskampf holt uns alle auf den harten Boden der Kirchenbänke zurück.

Auf diesen Kirchenbänken seid ihr Konfirmanden nun ein Dreivierteljahr gesessen, ihr habt Predigten gehört und Gebete mitgesprochen, manches Wichtige halbwegs auswendig gelernt und manchmal, wenn es der Nachbarkonfirmand nicht gemerkt hat, die Lieder leise mitgesummt. Jedenfalls hoffe ich das.

Der Konfirmandenunterricht war gelegentlich auch ein Kampf, ein Kampf um Aufmerksamkeit und Konzentration: Nach sechs, sieben oder acht Schulstunden ist das keine leichte Aufgabe war, wenn auch mir diese Einsicht manchmal nur schwer eingängig war.

In der Lebensgeschichte eines Menschen gehören Konfirmandenunterricht und Konfirmation in die lange und schwierige Periode des Übergangs vom Kind zum Jugendlichen, der gar zu gerne erwachsen werden will, aber damit seine Anfangsschwierigkeiten hat. Manchmal kann man ja nicht unterscheiden, ob ein Kind schon erwachsen und reif ist oder ob man im Erwachsenen noch das Kind sieht. Es gibt da eine ganze Reihe von Grautönen: Manche Kinder werden nie erwachsen. Manche Erwachsene bleiben ewig Kinder. Andere Erwachsene vergessen ihr Kindsein ganz - und das ist auch ein Nachteil.

Man muß auch um das Erwachsenwerden kämpfen, auch das gibt es nicht umsonst, gegen manchmal überfürsorgliche Eltern, gegen nervende kleinere Geschwister. Kämpfen heißt hier: Sich bemühen, sich anstrengen, selbst etwas tun und aktiv werden. Jeder braucht einen eigenen Musikgeschmack, den einem Freunde und Clique streitig machen, einen eigenen Kleidungsstil, der gegen den Geldbeutel der Eltern erkämpft werden muß. Der Reihe der Beispiele läßt sich beliebig vermehren. Ich will nicht allzu Bekanntes wiederholen.

Konfirmandenunterricht ist eine Zeit des Übergangs, und die Konfirmation ist ein Wendepunkt, eine Markierung, ein Ausrufezeichen: Ihr geht zum ersten Mal zum Abendmahl. Ihr könnt Pate werden. Ihr könnt frei über euren Glauben entscheiden.

Und wenn man den Wendepunkt auf das anstößige Wort vom Kampf bezieht, kann man auch sagen: Je älter ihr werdet, desto unabhängiger werdet ihr darin zu entscheiden, wohin ihr euch weiter entwickelt, welche Richtung ihr auf eurem Lebensweg einschlagt und welchen Kampf ihr kämpft.

Um das zu verstehen, machen wir einen Ausflug in den Deutschunterricht. Denn dort schreibt der Lehrer hoffentlich irgendwann einmal den Namen eines Dichters an die Tafel. Reiner Maria Rilke schreibt er mit weißer Kreide. Unter Schülern gilt er als schwierig. Und die Schüler haben recht, man muß über seine Gedichte zweimal nachdenken, bevor man sie einmal versteht. Rilke hat ein faszinierendes Gedicht über das Kämpfen geschrieben. Ich lese einen Auszug daraus vor:

„Wie ist das klein, womit wir ringen,
was mit uns ringt, wie ist das groß,
(...)
Was wir besiegen, ist das Kleine,
und der Erfolg selbst macht uns klein.
Das Ewige und Ungemeine
will nicht von uns gebogen sein.
(...)"

Rilke sagt etwas ganz Einfaches: Wer die Kämpfe seines Lebens kämpft, der sucht sich seine Gegner aus. Wer sich kleine Gegner aussucht, wird zwar Erfolg haben, aber mit diesem Erfolg kann er nie zufrieden sein. Gott, Rilke würde vielleicht sagen, das Göttliche, ist größer als die Menschen. Und dann leuchtet, was der 1.Timotheusbrief sagt, plötzlich in einer ganz anderen Farbe: Kämpft den guten Kampf des Glaubens. Verstrickt euch nicht Harmlosigkeiten und Banalitäten. Überlegt euch gut, ob ihr euch auf eine Auseinandersetzung einlaßt.

Glauben als Kampf. Sagen wir es ruhig: Glauben als Kampf mit Gott. In der Bibel findet sich eine Fülle von Beispielen dafür: Abraham verhandelt mit Gott über die gerechten Menschen in Sodom und Gomorrah. Jakob kämpft am Fluss Jabbok eine Nacht lang mit dem Gott, der ihn im Morgengrauen segnet. Jesus von Nazareth ringt im Garten Gethsemane die Hände zum Gebet: Herr, laß diesen Kelch an mir vorüber gehen.

Wer erwachsen werden will, muß sich selbst bewegen, stark sein, unabhängig sein, kämpfen. Und wer glauben will, muß auch kämpfen. Wer stark im Glauben werden will, der muß auch den Zweifel zulassen. Wer den Zweifel zuläßt, muß auch wissen, wo er die Kraft des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung tanken kann.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, es ist eigentlich banal, aber man muß es sagen: Erwachsenwerden, so sehr ihr auf dessen Annehmlichkeiten hofft, macht das Leben auch nicht einfacher, eher schwieriger.

Wie kann ich den Schwierigkeiten begegnen? Der 1.Timotheusbrief faßt das in die simple Aufforderung: Ergreife das ewige Leben. Nun könnt ihr sagen: Jetzt springt er sofort vom Erwachsenwerden in diesen unklaren und unnahbaren Bereich, den die Theologen des ewige Leben nennen. Wer will, wenn er über den Übergang vom Kind- zum Erwachsensein nachdenkt, gleich weiterdenken über den Übergang vom Leben zum ewigen Leben? Aber ein Menschenleben rundet sich vom Ende her zu einem Ganzen, und es ist das Ziel wichtig, das ich dabei verfolge. Es ist beliebt geworden, diese Ziele Werte zu nennen. Werte sind Orientierungsvorgaben, an denen Menschen und Gesellschaften ihr Handeln und Denken ausrichten. Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Menschenwürde werden als solche Werte genannt. Das ewige Leben ist auch solch ein Wert, aber in einem besonderen Sinn.

Das Wort vom ewigen Leben bewahrt die schlichte Erkenntnis auf, daß der menschliche Lebensweg eben nicht mit der Geburt anfängt und mit dem Tod endet. Ewiges Leben heißt: Der menschliche Lebensweg reicht über den Tod hinaus. Das Leben ist umfangen von der Güte und Barmherzigkeit des Gottes, der die Welt geschaffen und erlöst hat. Man kann dieses ewige Leben in seinem irdischen Leben ignorieren.

Ich kann als glaubender Mensch aber auch sagen: Ich nehme das bewußt an, ich nehme schon jetzt dieses ewige Leben als ein Ziel, auf das ich mich in aller Gelassenheit und in allem Vertrauen ausrichte. Ein Zeichen dafür ist die Konfirmation. Konfirmation ist so etwas wie eine Orientierung im Leben. Es ist nicht so, daß sie euren kommenden Lebensweg vorausbestimmt. Sie ist ein Zeichen, das sagt: Dafür, für den Glauben an Gott und für die Gewißheit seiner Gnade, lohnt es sich zu leben.

Allein, mit den Kopfhörern des MP3-Players im Ohr oder beim Computerspiel vor dem Bildschirm, läßt sich das schlecht verwirklichen. Der 1.Timotheusbrief spricht vom „guten Bekenntnis vor vielen Zeugen". Wer Glauben leben will, muß darüber sprechen. Ihr habt im vergangenen Dreivierteljahr des Konfirmandenunterrichts manchmal schnell, manchmal langsamer das grundlegende Vokabular und die Anfangsgründe einer neuen Grammatik gelernt. Das sind die Worte des Glaubens und die Grammatik der christlichen Gewißheit. Das ist keine einfache Sprache. Diese Sprache müssen alle, nicht nur die Konfirmanden, auch die Erwachseneren, immer wieder den dunklen Bereichen des Zweifels und der Verzweiflung abtrotzen. Es ist eine Sprache, in der auch die, die darin geübt sind, manchmal nur stottern können. Aber es ist eine Sprache, die von Überzeugungen, Glauben und Vertrauen geprägt ist. Und eine solche Sprache benötigt jeder, der im Leben seinen Weg finden will.

Diese Sprache des Glaubens lebt von einem zentralen Wort: Gott. Umso erstaunlicher, daß der 1. Timotheusbrief dieses Wort am Ende des Abschnitts gar nicht ausspricht. Es ist die Rede vom „König aller Könige", vom „Herrn aller Herren", es ist die Rede von dem, „den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann." In dieser bewußten Vermeidung des Wortes Gott ist etwas wichtiges aufbewahrt. Niemandem, keinem Vater und keiner Mutter, keinem Paten und keiner Patin, keinem Pfarrer und keiner Bischöfin, keinem Konfirmanden und keinem Glaubenden, ist der allmächtige Gott so einfach verfügbar, daß er ihn instrumentalisieren und für seine Zwecke nutzbar machen kann. Genau das, den Versuch, sich Gott verfügbar zu machen, nennt die Bibel eine, nein: DIE Sünde.

Der Weg ist genau umgekehrt: Nicht die Menschen gehen auf Gott zu, um ihn nutzbar zu machen, sondern Gott kommt auf die Menschen zu, um ihnen seine Gnade und Barmherzigkeit zu zeigen. Und Gott kämpft auch. Er läßt nicht locker, in aller Geduld und Gelassenheit Menschen auf den Weg zurückzuführen, der sie am Ende dessen teilhaftig werden läßt, was wir mit einem unvollkommenen Wort das ewige Leben nennen. Aber man muß nicht unbedingt so weit in die Zukunft blicken. In der Gegenwart heißt ewiges Leben Glauben und Vertrauen. Und darum bitten wir heute den geduldigen und kämpfenden Gott, vor allem für euch Konfirmanden, aber auch für alle andere, die hier im Gottesdienst versammelt sind. Wir bitten gemeinsam in der Sprache des Glaubens, um später, nach dem Gottesdienst die je eigenen Lebenswege in Geduld und Gottvertrauen weiterzugehen. Amen.



PD Dr. Wolfgang Vögele
Karlsruhe, Christuskirche - Nordpfarramt
www.Christuskirche-Karlsruhe.de


E-Mail: wolfgang.voegele@aktivanet.de

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