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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Taufe, 2011

2. Taufbefehl: Matthäus 28,16-20 für den Sonntag Reminiszere, verfasst von Uwe Hauser


Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, auf den Jesus sie beschieden hatte. Und da sie ihn sahen, fielen sie nieder vor ihm; etliche aber zweifelten. Und Jesus sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker, taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch geboten habe. Und siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.


Liebe Gemeinde,

Jesus kommt aus Galiläa. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es nicht wichtig wäre für unsere Geschichte. Denn Galiläa das meint dem Wortsinne nach „Bezirk der Heiden", Land, in dem die Menschen wohnen, die nicht unmittelbar und direkt zum Volke Gottes gehören.

Dort in „Galiläa" hat alles angefangen mit Jesus und seinen Jüngern. Jesus legt Petrus die Hand auf die Schulter und spricht zu ihm: „Komm und folge mir nach!" Jesus ruft Andreas: „Komm und folge mir nach!" Dort in Galiläa begegnet Jesus den Menschen, heilt und lehrt sie. So fängt es an mit Gottes neuer Welt und mit seinem neuen Volk. Er ruft Menschen, die ganz und gar nicht Schriftgelehrte, Bibelkenner und Wissende waren.

Was passiert da eigentlich? Warum folgen diese Menschen Jesus nach? Was ist das Faszinierende an diesem Jesus?

Die Menschen machen Erfahrungen mit diesem Jesus: Alles was sie in ihrem Alltag erleben, kann dieser Jesus auf wunderbare Weise mit Gott in Kontakt bringen: die Vögel unter dem Himmel, das Reifen des Getreides, die Arbeit in den Weinbergen, die durchwachten Nächte, das Fischen im See Genezareth.

Bei Jesus kommen die Dinge in Bewegung: Die Aussätzigen blieben nicht mehr da, wo sie hingehörten, draußen vor den Dörfern. Die Blinden fingen an zu sehen. Die Lahmen blieben nicht mehr gelähmt. Ja, nicht einmal die Toten blieben dort, wo sie doch eigentlich hingehörten, im Grab. Mit diesem Jesus verschoben sich die Machtverhältnisse. Er hat Macht.

Aber nicht die Macht, die sich darauf gründet, was er besitzt, was ihm unterstellt ist. Es ist nicht die Macht der Schwerter und Spieße, der Goldstücke und Silberlinge. Jesus strahlt diese überzeugende und durch nichts zu ersetzende Macht der Liebe aus. Faszinierend sind sie, die Frühlingstage der Jesusbewegung in Galiläa.

Dann ziehen sie los. Voller Hoffnung, dass jetzt alles anders wird. Wenn nicht er, wer dann sollte die Rettung bringen? Wenn nicht jetzt, wann dann? Dann bricht alles ab.

Der brutale Tod Jesu scheint diesem galiläischen Frühling ein abruptes Ende zu setzen. Die Jünger sind zutiefst enttäuscht: Haben sie sich so getäuscht? Aber dann kommt der Ostermorgen. Alles ist möglich. Gott erweist seine Macht an Jesus. Nicht einmal der tote Jesus bleibt dort, wo er hingehört, im Grab.

Dort wo es angefangen, soll es jetzt auch weitergehen. Das mit Jesus ist kein Traum. Das war kein trügerischer Aufbruch, war kein kurzes Aufflackern eines welterhellenden Lichtes. Nun beginnt etwas ganz Neues.

Die Jünger tragen diese Jesuserfahrung hinaus in die Welt. Jesus selbst gibt ihnen dazu den Auftrag. Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker! Nehmt Galiläa, den „Bezirk der Heiden", ernst und gewinnt sie für den Glauben.

Indem die Jünger die Macht der Liebe Jesu, die Kraft des Auferstandenen bezeugen, werden sich die Menschen und die Welt verändern. So ist es bis heute: Menschen werden gewonnen, wo die gute Nachricht vom galiläischen Frühling, der Machtergreifung Gottes in der Welt, den Menschen glaubwürdig nahe gebracht wird.

Erinnern wir uns bei uns selbst zurück! Der galiläische Frühling unseres Lebens liegt lange zurück. Vielleicht so lange, dass wir uns gar nicht mehr so recht erinnern können, wie es damals war, als wir zum ersten Mal etwas erfahren haben von Gottes verändernder Liebe. Vielleicht war es die Mutter, die zum ersten Mal mit uns gebetet hat; vielleicht war es der Großvater, der uns schöne Geschichten von Gott erzählt hat. Vielleicht war es die Erzieherin damals im Kindergarten oder der Pfarrer im Religionsunterricht, die dafür gesorgt haben, dass die ersten Blüten des galiläischen Frühlings bei mir aufgegangen sind.

Viele Menschen haben diesen Auftrag gehört und ihn ernst genommen: Lehret sie! Erzählt etwas von Gottes großer Güte und seiner Weitherzigkeit. Gut, dass wir dabei schon getauft waren! Gut, dass die Güte Gottes uns schon erreicht hat, als wir noch Kinder waren, als wir noch Säuglinge waren!

II.

Einige fragen: Warum soll das überhaupt sein? Warum überhaupt noch taufen? Warum Kinder taufen?

Denken wir wieder an den wunderbaren Anfang mit Jesus in Galiläa! Wie Jesus Menschen herausruft aus ihrem bisherigen Leben! Wie er Simon, dem Fischer, die Hand auf die Schulter legt und sagt: „Von nun an wirst du Menschen fischen!" Das heißt doch: Ich nehme dich in meinen Dienst! Du kannst das, denn ich habe dich berufen! Jesus spricht das den Menschen zu.

Die Befähigung liegt nicht im Menschen, sondern alles entscheidet sich an Jesus, der Petrus ruft. Und damit bleibt nicht alles beim Alten, sondern in der Begegnung mit Jesus wird Simon anders. Er heißt ja von Hause aus Simon. Er muss erst noch zu Petrus, dem Felsenmann, werden, auf den Jesus seine Kirche gründen will. Aber er ist schon Petrus, der Felsenfeste, weil Jesus ihn dazu berufen hat.

So ist das auch mit der Taufe: Wir werden zu Gottes Kindern erklärt. Und gleichzeitig sind wir unser ganzes Leben über auf dem Weg, immer mehr zu Gottes Kindern zu werden. Wir sind schon zum Leben gerufen. Das neue Leben wird aber erst noch in uns wachsen.

III.

Früher hießen deswegen die Eingangshallen an den großen Kirchen „Galiläa". Die Menschen wussten: Galiläa, das bedeutet: Gott hat uns einen guten Anfang geschenkt.

Gleich am Eingang der Kirche, bei der Taufe, dürfen wir wissen, dass wir dazugehören. Aber auch, dass dies erst der Anfang eines Weges sein wird.

Wir werden in die Kirche hineinwachsen. Aus den Blüten, die dieser galiläische Frühling dann bei uns hervorgebracht hat, werden in einem langen Sommer die Früchte reifen. Denn Taufe ist nicht einfach nur ein guter Anfang, und dann kommt nichts mehr. Das wäre so, als würden wir gleich beim Galiläa der Kirche abdrehen und uns wieder davonmachen.

IV.

Diese unheimliche Möglichkeit gibt es natürlich. Ausdrücklich wird von Matthäus erzählt, dass es nur elf Jünger waren, die nach Galiläa gekommen sind. Judas ist nicht mehr dabei; er fehlt in der Schar derer, die damals im galiläischen Frühling berufen wurden. Und auch unter diesen elf Jüngern befinden sich „etliche", die zweifelten.

Luther, ein oftmals angefochtener, zweifelnder Christenmensch, pflegte in solchen Stunden ein Stück Kreide aus der Tasche zu holen und vor sich auf den Tisch zu schreiben „baptizatus sum". Das heißt auf Deutsch so viel wie: „Ich bin getauft!"

Und wenn er es auf dem Tisch vor sich gelesen hat, dann war es eine Botschaft, die er sich sagen ließ: Ich bin getauft! Gott hat es getan. Daran gibt es überhaupt nichts zu rütteln. Das ist der Grund meines Glaubens: Ich gehöre zu ihm, und nichts und niemand soll mich aus seiner Hand reißen.

Deswegen verspricht Jesus auch seinen Jüngern Matthäi am Letzten: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende! Wir sind nie allein. Wer getauft ist, weiß: Auch wenn ich zweifle, Gott ist größer als mein Herz. Auch wenn ich bisweilen aufgebe, Gott hat mich und die Sache nie aufgegeben. Auch wenn ich manchmal müde bin und weder aus noch ein weiß, er wird Wege finden, da auch mein Fuß gehen kann.

V.

Diese Gewissheit, dass die Gemeinde Jesu nie allein sein wird, dass wir immer geborgen sind in seiner bergenden Liebe, mache unsere Herzen fest und gelassen. Aber, damit wir uns am Ende nicht missverstehen: Es ist nicht einfach so, dass wir durch die Taufe einen unverlierbaren Besitz bekommen haben, der uns nun gehört, und wir nun leben können, wie wir wollen. - Wie es um Gott und seine fehlerhaften Menschen stünde, wurde einmal der französische Spötter Voltaire gefragt. « Eh, Dieu? Pardonner c'est son métier! » „Gott? Er vergibt. Das ist doch sein Geschäft!"

Gott hat sich wohl dazu erklärt, dass ich getauft bin, damit ich zu ihm gehöre. Aber das hat auch Folgen für das Leben. Sollte ich etwa einige aufzählen?

Nur eines, Taufe bedeutet: Ich bin in die Gemeinde hineingetauft. Christlicher Glaube meint nicht irgendeine Unterart von Selbstverwirklichung, sondern vor allem Dienst in und an der Gemeinschaft.

Deswegen werden die Jünger beauftragt: Gehet hin! Machet zu Jüngern! Taufet! Als würde Jesus hier nicht in Aufträgen zu seinen Jüngern sprechen! Die Gemeinde - und damit sind wir gemeint -, wir sind beauftragt, diese gute Nachricht nicht für uns zu behalten, sondern sie hinauszutragen zu allen Menschen. Ohne Zwang, ohne Angst, aber auch ohne Faulheit und ohne Furcht vor Widerständen.

Gott schenke uns ein festes Herz.
Amen.



Schuldekan Dr. Uwe Hauser
Müllheim (Baden)
E-Mail: schuldekan@ekbh.de

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