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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Taufe, 2011

7. Taufe bei Paulus: Römer 6,3-11 für die Osternacht, verfasst von Dieter Splinter


                                                                               I.

Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden, und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen. Denn was er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für allemal; was er aber lebt, das lebt er Gott. So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus.

II.

Liebe Gemeinde!

Es ist etwas passiert mit uns vom Himmel her. Am Anfang unseres Lebens. Dort pflegen auch sonst die großen Dinge zu passieren. Irrtum zu meinen, die großen Dinge des Lebens passieren nur den Erwachsenen. Vielmehr ist es meist so, dass wir als Erwachsene unser Kindheitserleben mit uns herumtragen. Zeit, Ort, Elternhaus, Anlagen, Gesundheit, das sind die grundlegenden Dinge. Sie stehen am Anfang. Und da steht auch die Taufe.

Was ist geschehen, als meine Mutter mich vor über 50 Jahren zur Taufe brachte, damals auf dem flachen Land, wo es keine evangelische Kirche gab und die Gottesdienste in einem Klassenzimmer in einer Volksschule gefeiert wurden? Sie tat recht daran, die einfache Frau. Sie hatte keine ausgesprochene, keine theologische Kenntnis von der Taufe. Sie wusste wohl nur: Christus und das Kind gehören zusammen. Bringt eine Mutter, bringen Eltern ihr Kind zur Taufe, müssen sie wissend sein, dass sie ihr Kind Christus übereignen - und so zu Treuhändern werden. Zugleich, und das ist das eigentlich Erste, tut Christus sich selbst zum Kind. Er tut zum Kind, was seine großen Werke für uns sind: seinen Tod und seine Auferstehung. Davon redet Paulus in unserem Predigttext: Die Getauften - sie werden, sie sind „mit ihm (mit Christus) verbunden", wachsen mit ihm zusammen.

Natürlich werden nicht nur Kinder getauft. Es gibt gute Gründe dafür, die Taufe auf später, etwa die Zeit des Konfirmandenunterrichts zu verschieben - die eigene Entscheidung zur Taufe ist so ein Grund. Und doch ist es durchaus sinnvoll und angebracht, schon Kinder zu taufen. Denn an der Taufe wird deutlich, dass Christus schon einem Kind die großen Merkmale seiner Geschichte, seinen Tod und seine Auferstehung, mitgibt. Mit der Taufe wird seine Lebensgeschichte in unsere Lebensgeschichte hineingeschoben. Und so kann sich unsere Lebensgeschichte voll saugen mit den Merkmalen der Lebensgeschichte Jesu und ihr ähnlich werden, bis einmal mehr da sein wird als Ähnlichkeit. „Wir werden ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist." So ergänzt der Evangelist Johannes (1. Joh 3,2) den Apostel Paulus. Eine gute Aussicht also, die es wert ist, einem Kind mitgegeben zu werden. Freilich wird, um dies zu verstehen, im einzelnen von ihr die Rede sein müssen.

III.

An was starb Christus eigentlich? Auf dem amtlichen Totenschein, ausgestellt von der Hand eines Medizinalrates im damaligen Jerusalem, stand vielleicht, wenn es diesen Schein überhaupt gegeben hat, „Herzversagen nach Kreuzigung". Wir wissen besser, an was Christus starb, - an der Sünde der Welt. Das ist übrigens, wie wir gleich sehen werden, ganz und gar nicht moralisch gemeint. Denn weil Christus daran gestorben ist, sind wir Getaufte der Sünde gestorben, ist mein alter Mensch mit ihm „gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes...". Diese Sätze muss ich nun auch von mir, das ist von meinem alten Adam, vom alten Menschen in mir, bekennen.

Wer kennt den nicht? Wer hätte nicht schon einmal unter ihm gelitten? Er ist eine Qual, ein elender Quälgeist. Er spiegelt einem vor, das Gute zu tun, und verleitet einen gerade so zum Bösen. Aber wie bringt man ihn los? Der Nobelpreisträger Thornton Wilder hat ein Stück geschrieben, das in der Nachkriegszeit in vielen Ländern der Erde aufgeführt wurde, 'Wir sind noch einmal davongekommen'. Die Hauptgestalt darin ist ein Mister Anthropus, der alte Adam, der in jedem Menschen sein Unwesen treibt. Das Stück von Wilder übergreift alle Zeiten der Menschheitsgeschichte. Im ersten Akt übersteht Mister Anthropus die Sintflut. Im zweiten Akt übersteht er die Gegenwart. Er ist zäh. Im dritten Akt hat seine Sucht zum Eigenwillen die letzte Katastrophe der Weltgeschichte verursacht. Er kriecht schließlich nach allen Atomkatastrophen aus einem tiefen Bunker in die zerstörte Welt. Und was hat er gelernt? Wie ist er nun geworden? Wie reif? Er ist gar nicht geworden. Er ist geblieben, geblieben derselbe großmäulige, unzuverlässige, die Fehler immer nur bei anderen suchende, selbstverliebte Mister Anthropus.

Wenn keine Katastrophe ihn ändert, an was stirbt dann der Alte? An Christi Tod in mir. Ich sage zu meinem alten Adam: Ich gehöre dir nicht! Prinzipiell! Und wenn du alter Mensch in mir noch so zappelst, noch so dich aufregst, noch so dich aufspielst, du bist verurteilt, bist geliefert - Christi Tod gilt allein.

IV.

Das andere gilt noch mehr: Die Taufe bringt Christi Auferstehung in mein Leben hinein. „Denn was er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für allemal, was er aber lebt, das lebt er Gott." Die Herrlichkeit, die Gott ausgeschüttet hat auf den geschundenen Christus, währt in Ewigkeit und wird den Getauften zuteil. Statt des alten Menschen, des alten Adam, wird das neue Ich, der neue Mensch.

Der Sozialismus, der Kommunismus - sie meinten und meinen, durch eine veränderte Gesellschaftsordnung den neuen Menschen schaffen zu können. Doch aus sich selbst und seiner Leistungsfähigkeit holt der Mensch immer nur sich selbst heraus. Aus uns selbst holen wir immer nur uns selbst. Als neues Ich aber bietet sich uns Christus, der immer Lebendige, an. Er will auferstehen in uns: „So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln." Dieses neuen Lebens Ich ist das Christus-Ich, das er in der Taufe in uns hinein senkt. Wo mein altes Ich herrscht, soll Christus werden. Das ist der Leitsatz der Christen. Und haben sie sich darauf eingelassen, dann gilt der Satz des Paulus, den er einmal an anderer Stelle (Gal 2,20) gesagt hat: „So lebe nun nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir."

V.

Freilich ist das ein längerer, unter Umständen ein langer, bisweilen sicher auch ein kurzer Prozess. Das Christus-Ich kann in einer plötzlichen Bekehrung, aber auch unter Schmerzen und Rückschlägen in einem Menschen entstehen. Der alte Mensch treibt häufig noch sein Wesen oder, besser gesagt, Unwesen in uns. Und so haben wir manche Kämpfe auszustehen. Denn es wohnen, ach, zwei Seelen in unserer Brust. Der unbelehrbare Mister Anthropus sozusagen - und das Ich Christi.

Wir geben unseren Kindern viel mit: Zeit, Ort, Elternhaus, Anlagen, Bildung. Sie werden in eine Welt hineingeboren, die ihnen viel an Schönheit und Chancen bietet. Aber sie finden immer auch schon eine Welt vor, die vorgeprägt ist von den Fehlleistungen anderer. Kinder kommen unschuldig auf die Welt, aber sie finden immer schon eine Welt voller Schuld vor. Die soll sie nicht bestimmen. Und darum ist es gut, dass schon Kinder getauft werden. Sie werden ihre Kämpfe ausstehen müssen. Aber wer sein Kind taufen lässt, gibt ihm die Hoffnung und den Glauben mit, dass der Kampf zu bestehen ist, denn das Ziel ist klar: „So lebe nun nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir."

(„Ein Kind ist angekommen. Wir alle freu'n uns sehr. Gott selber gab dies Leben. Er bleibt des Kindes Herr. ... Gott nimmt das Kind beim Taufen in die Gemeinde auf. In Jesu Christi Namen beginnt sein Lebenslauf.")

Und so bewahre der Friede Gottes, welcher höher ist denn all unsere Vernunft, unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn. Amen.



Pfarrer Dr Dieter Splinter
Karlsruhe
E-Mail: dieter.splinter@googlemail.com

Bemerkung:
Das Zitat am Ende der Predigt kann in einem Gottesdienst, in dem ein Kind getauft wird, eingefügt werden. Es stammt aus EG 590, Verse 1 und 5, Regionalteil für die Evangelische Landeskirche in Baden und für die protestantischen Kirchen in Elsass/Lothringen.
Wesentliche Anregungen verdankt die Predigt Rudolf Bösinger, Die Handschrift des Heils, Lahr 1967, S. 203-206.


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