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ISSN 2195-3171

Konfirmation, 2011

Predigt zur Konfirmation 2011 zu Hebräer 10, 39, verfasst von Olaf Waßmuth

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

seit einigen Jahren machen wir unser traditionelles Konfirmationsfoto [abgebildet auf dem Liedblatt zur Konfirmation] auf der Treppe vor der Kirche. Mir gefällt das gut - denn dieser besondere Ort hat eine starke Symbolkraft: Hier geht es aufwärts. Hier geht man Schritt für Schritt. Und im Hintergrund, quasi auf „höchster Stufe", da lockt unsere Kirchentür, da wird man eingeladen in unsere wunderbar weite und helle Lüttringhauser Kirche.

Die Konfirmation ist zwar nicht gleich die Himmelsleiter - aber sie ist doch Eure „Treppe" in die volle Gemeinschaft unserer Gemeinde. Auch sonst ist die Konfirmation eine wichtige Stufe auf Eurem Weg in ein erwachsenes Leben. Ihr werdet groß - und das, hoffentlich, nicht nur in Zentimetern.

In diesem Jahr kam mir noch ein anderer Gedanke, als ich unser Gruppenbild sah. „Alle stehen auf dem Treppchen" - dachte ich, also: Alle haben gewonnen. Und auch wenn Mara und Alina ganz oben rausgucken und Robin seinen Fuß in unnachahmlicher Lässigkeit an den unteren Bildrand hält, gibt es da doch keinen Unterschied: Alle stehen auf dem Treppchen - alle haben gewonnen.

Wieso gewonnen? War denn der Konfirmandenunterricht eine Art Wettkampf? Werden heute Preise vergeben für treuen Gottesdienstbesuch, für sicheres Auswendiglernen, für aktives Mitsingen oder besonders kluge Fragen?

Manchmal hat es ja so den Anschein, als würde bei der Konfirmation etwas „prämiert": mit Geldprämien für das Sparkonto oder den Teenager-Großeinkauf, mit Geschenken vom Ipod bis zum Schminkköfferchen. Das alles sei Euch von Herzen gegönnt. Aber gewonnen habt Ihr - etwas anderes.

Was das ist, davon redet der Bibelvers, den ich für die heutige Predigt ausgesucht habe. Ich habe ihn auch deshalb ausgesucht, weil er in den vergangenen fünf Jahren - für mich selbst verblüffend - einer der drei beliebtesten Konfirmationssprüche war. Auch zwei von Euch haben diesen Vers gewählt.

Er steht im Neuen Testament, im Hebräerbrief:

Wir aber gehören nicht zu denen, die zurückweichen und verloren gehen, sondern zu denen, die glauben und das Leben gewinnen" (Hebräer 10,39, Einheitsübersetzung).

Das ist ein irritierend selbstbewusster und geradezu stolzer Vers. Wir gehören nicht zu den Losern! Ich verstehe, warum dieser Vers für viele junge Leute attraktiv klingt. Auf der falschen Seite stehen - wer will das schon! Man muss allerdings dazu sagen, was für eine Art von Selbstbewusstsein das hier ist:

Der Bibelvers stammt aus einer Zeit, in der Christsein gefährlich war. Damals waren die Christen noch eine kleine religiöse Minderheit im Römischen Reich. Sich auf ihre Seite zu stellen und bewusst dazuzugehören, erforderte viel Mut. Manche, die vom christlichen Glauben durchaus angezogen waren und die Gottesdienste besuchten, hatten diesen Mut nicht. Sie „wichen zurück", sie „gingen verloren", wenn der Druck zu stark wurde. Unbequemlichkeiten im Alltag, im schlimmsten Fall sogar Verfolgung und Tod drohten den Christen.

Gott sei Dank ist diese Zeit vorbei.

Doch inzwischen ist auch die Zeit vorbei, in der es einfach zum guten Ton gehörte, in der Kirche zu sein. Die Konfirmation ist nicht mehr das selbstverständliche Tor zum Erwachsenenleben. Wer sich heute konfirmieren lässt, der schwimmt nicht mehr einfach im Strom mit, sondern der fällt eine Entscheidung, für die es wieder mehr Mut braucht als früher. Das gilt erst recht für ein persönliches Glaubensbekenntnis. Wer heute öffentlich sagt: Ich vertraue auf Gott - der läuft Gefahr, sich lächerlich zu machen und zum Spinner erklärt zu werden.

Wer will schon „Spinner" sein? Keiner - oder vielleicht doch? Was, wenn die Spinner die Gewinner sind?

Genau das hat die deutsche Rockband Revolverheld in einem Song behauptet. Vor einem Jahr haben wir in unserem Konfi-Projekt „Glaube und Popmusik" über dieses Lied gesprochen. Einer von unseren drei Dominiks hatte es mitgebracht - sein Lieblingslied, jedenfalls vor einem Jahr. „Spinner" von Revolverheld erzählt von Menschen, die nicht tun, was alle tun, sondern sich den Mut zu etwas Eigenem bewahren. Wir hören uns das Lied mal an - mitlesen könnt Ihr und können Sie den Text auf dem grünen Blatt.

MUSIK: Spinner von Revolverheld

Er ist allein in seinem Zimmer,
steht vor dem Spiegel
und singt seine Lieder.

Sie hat Jahre lang geschrieben
an die Firmen ihrer Stadt,
doch es kam nie was wieder.

Er will eigentlich schon immer
die ganze Welt bereisen,
spart alles, was er hat.

Sie spielt tausend kleine Rollen
und will nach Hollywood,
hat das alles hier so satt.

Lass dein altes Leben hinter dir
und geh durch diese neue Tür!

Das geht raus an alle Spinner,
denn sie sind die Gewinner.
Wir kennen keine Limits
ab heute - für immer.

Das geht raus an alle Spinner,
weil alles ohne Sinn wär
ohne Spinner wie dich und mich.......

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

„Spinner" das sind in diesem Lied Menschen, die sich einen großen Traum leisten - und beharrlich dranbleiben an diesem Traum. Es sind Menschen, denen es egal ist, was die anderen denken, weil sie überzeugt sind von dem, was sie tun. Diese „Spinner" halten fest an ihrem Glauben und kippen nicht um.

Seid Ihr bereit, „Spinner" zu werden?

Dann seid Ihr bei der Konfirmation richtig.

Denn die Konfirmation will aus Euch - auch wenn es gerade ganz anders aussieht! - keine gestriegelten und genormten Typen in Anzug und Kleidchen machen. Sie will euch nicht einsortieren in den großen Strom dessen, was „man tut" oder was alle machen. Sie will Euer Leben auf die Spur des „Spinners" Jesus von Nazareth bringen.

Keiner hat auf dieser Welt bisher einen größeren und verrückteren Traum geträumt als dieser Jesus. Und er hat diesen Traum nicht für sich allein geträumt, sondern für andere und mit anderen. Er hat sie eingeladen, diesen Traum zu teilen und mit ihm „zu spinnen".

Die Seligpreisungen aus der Bergpredigt, die wir vorhin als Schriftlesung gehört haben, geben uns einen Eindruck davon, was die Hoffnung Jesu ist.

Eine Welt, in der die Schwachen und Kranken glücklich sind. In der die Traurigen getröstet werden. In der das Besitzen und Noch-mehr-haben-Wollen keine Rolle mehr spielt. Eine Welt, in der man sich über alle Gräben hinweg die Hände reicht und das Gemeinsame sucht, nicht das Trennende. Eine Welt, in der nicht Leistung zählt und Angst herrscht, sondern in der das Vertrauen auf Gott alle Angst vertreibt. Eine Welt in der die Liebe siegt - selbst über den Tod.

Für diesen Traum steht Jesus mit seiner eigenen Person ein, wie es kein anderer kann. Zu Ostern haben wir gefeiert, dass der Spinner Jesus am Ende der Gewinner ist - er, der die Tür aufbricht in ein neues Leben. Zweitausend Jahre später werden immer noch Spinner gesucht, die mit Jesus an seinem Traum dranbleiben, die ihn nicht achselzuckend aufgeben oder müde belächeln.

Seid Ihr bereit, diesen Traum mitzuträumen?

Stimmt Ihr ein in das stolze Bekenntnis aus dem Hebräerbrief:

Wir aber gehören nicht zu denen, die zurückweichen und verloren gehen, sondern zu denen, die glauben und das Leben gewinnen" - ?

Ihr könnt nur gewinnen! Aber was?

Es geht nicht um Geld und Geschenke. Es geht um das wichtigste, was es gibt, was auch Ihr Euch, davon bin ich fest überzeugt, mehr wünscht als alles andere: ein Leben, das Sinn hat, das sich zu leben lohnt - und das am Ende vor Gott bestehen kann. In manchen Übersetzungen heißt dieses erfüllte Leben „ewiges Leben" - doch damit ist keineswegs bloß das Leben nach dem Tod gemeint.

Gott lädt uns ein, heute, in dieser Welt mit ihm zu leben, zu träumen und zu spinnen. Er reicht uns durch Jesus seine Hand, damit wir nicht verloren gehen in der Zeit, die uns auf der Erde geschenkt wird.

Man kann nämlich durchaus „verloren gehen":

Man geht verloren in einem Leben, in dem man immer nur tut, was andere grad von einem verlangen.

Man geht verloren in einem Leben, in dem einem die eigenen Wünsche und Bedürfnisse den Blick auf den Nächsten verstellen.

Man geht verloren in einem Leben, in dem man sich mit Ablenkungen so zudröhnt, dass man die Stimme Gottes nicht mehr hört.

Wir aber gehören zu denen, die glauben und das Leben gewinnen".

Durch Euer Ja heute bei der Konfirmation gehört Ihr zu den „Spinnern", die sich mit Jesus von Nazareth verbunden wissen und seinen Traum teilen.

Durch den Segen, der Euch heute bei der Konfirmation zugesprochen wird, gehört Ihr gleichzeitig zu den Gewinnern: Ihr dürft darauf vertrauen, dass Gott Euch nicht verloren gibt. Ihr dürft darauf vertrauen, dass Gott für jeden von Euch, gleich welche Begabungen und Fähigkeiten Ihr habt, ein reiches und erfülltes und unverwechselbares Leben bereithält.

Ja, es ist wahr: Ihr könnt heute nur gewinnen. Amen.



Pfarrer Dr. Olaf Waßmuth
Remscheid-Lüttringhausen
E-Mail: olaf.wassmuth@web.de

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