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ISSN 2195-3171

kirchenjahreszeitlich, 2011

Johannistag, verfasst von Thomas Bautz

Predigt zu Johannes 3,22-30, verfasst von Thomas Bautz

22 Hierauf begab sich Jesus mit seinen Jüngern in die Landschaft Judäa, und dort verweilte er mit ihnen und taufte mit ihnen.[1] 23 Aber auch Johannes war (damals noch) als Täufer zu Änon in der Nähe von Salim tätig, weil es dort reichlich Wasser gab; und die Leute kamen dorthin und ließen sich taufen; 24 Johannes war nämlich damals noch nicht ins Gefängnis geworfen. 25 Da kam es denn zu einem Streite von seiten der Jünger des Johannes mit einem Juden über die Reinigung (durch die Taufe); 26 und sie kamen zu Johannes und berichteten ihm: »Rabbi (Lehrer), der Mann, der jenseits des Jordans bei dir war und für den du mit deinem Zeugnis eingetreten bist, denke nur: der tauft (jetzt auch), und alle laufen ihm zu.« 27 Da gab Johannes ihnen zur Antwort: »Kein Mensch kann sich etwas nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel her gegeben ist. 28 Ihr selbst könnt mir bezeugen, daß ich gesagt habe: ›Ich bin nicht Christus (der Messias), sondern bin nur als sein Vorläufer gesandt.‹ 29 Wer die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dabeisteht und ihm zuhört, freut sich von Herzen über den Jubelruf des Bräutigams. Diese meine Freude ist nun vollkommen geworden. 30 Er muß wachsen, ich dagegen muß abnehmen. [GN: Sein Einfluss muss wachsen, meiner muss abnehmen.]

 

Liebe Gemeinde!

 

Johannes den Täufer gebührend zu ehren, entspricht einer Tradition, die bereits auf Mt, Lk, Mk [Synoptiker] und auch auf das Johannesevangelium [JohEv] zurückgeht. Aber welche Rolle spielte er? Wie wurde seine Persönlichkeit beurteilt? Was zeichnete ihn als Prediger, als Propheten, als Lehrer (Rabbi!) aus? Welche Art „Taufe" verkündigte und praktizierte er? Warum hatte er viele Jünger (Schüler)?

 

Und vor allem: In welcher Beziehung stand der Täufer zu Jesus von Nazareth? Gehörte Jesus womöglich eine Zeit lang auch zur Jüngerschaft des Johannes? Warum hatte sich Jesus von Johannes taufen lassen, und welche Bedeutung hatte diese Taufe für ihn?

 

Die Fachliteratur zeigt, dass es große Schwierigkeiten gibt, hinter den Quellen dem historischen Johannes dem Täufer auf die Spur zu kommen; ähnlich kompliziert ist es bekanntermaßen, den historischen Jesus unter den dick aufgetragenen und vielfältigen Übermalungen verschiedener Traditionen aufzuspüren.[2] Die Evangelien sind keine Biographien. Der Überlieferungsprozess hat das Bild des Täufers „mindestens so stark verzeichnet" wie dasjenige seines Schülers und Täuflings Jesus, „freilich mit der gegenteiligen Tendenz" [Böcher 174].

 

Einige Traditionsstränge bestreiten Johannes und seiner Taufe bestimmte Geltungsansprüche, Kräfte und Bedeutungen, um ihre dogmatischen Lehrmeinungen über Jesus als den Christus einzutragen. „Johannes wird Jesus mehrfach antithetisch gegenübergestellt."[3] Leider Gottes verstärken einige Ausleger ihrerseits auch noch das schiefe Bild, indem sie zum einen die Bedeutung der Wassertaufe des Johannes gegenüber der Geisttaufe Jesu mindern und zum anderen die Gegenüberstellung Täufer und Jesus zugunsten des Nazareners als Konkurrenz, mitunter sogar als Gegnerschaft darstellen.[4]

 

Im Gegenteil dürfen wir davon ausgehen, dass die Verbindung zwischen Johannes und Jesus von gegenseitiger Wertschätzung bestimmt war.[5] Zwar ist das JohEv in der Beurteilung des Johannes zurückhaltender, als wir es bei den synoptischen Evangelien vorfinden. Denn dort lässt sich - trotz verworrener und teilweise einander widersprechender Überlieferungen - unbestreitbar herauslesen, dass Jesus von Nazareth in Johannes dem Täufer keineswegs nur einen Vorläufer, einen Künder oder Wegbereiter sah.

 

Jesus respektierte den Täufer zumindest eine Zeit lang als seinen Lehrer (Rabbi) und ließ sich von ihm zur Vergebung seiner Sünden taufen. Er sah sich als einen der vielen, die in Israel - aufgrund der Verkündigung des letzten Propheten (Johannes) - umkehren und ihr Leben ändern wollten, um dem nah geglaubten Gericht Gottes zu entgehen.[6]

 

Bei den Synoptikern wird - auch durch Hinweise im Munde Jesu - der Täufer mit Elija identifiziert. Da Johannes selbst ein prophetisches Selbstverständnis hatte, liegt die Elija-Typologie nahe. Es ist durchaus möglich, dass schon der Täufer eines der von den Synoptikern angeführten Schriftzitate auf sich bzw. auf seinen Auftrag bezog - nämlich Gottes Kommen in der Wüste vorzubereiten[7] (Jes 40,3):

 

Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg,

macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott!

 

Nun haben Johannes und Jesus etwas Entscheidendes gemeinsam, was nämlich ihren Auftrag zum Predigen betrifft (Mt 3,1f; 4,17): „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbei-gekommen!" - „Ändert euer Leben! Gott will jetzt seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden!"

Johannes tauft mit Wasser zur Buße („damit ihr euer Leben ändert"); über Jesus sagt er, dass dieser mit heiligem Geist und mit Feuer („des Gerichts") taufen wird (Mt 3,11).

Nun symbolisiert die Wassertaufe eine rituelle Reinigung - ähnlich wie das Feuer (des Gerichts) eine Läuterung bedeutet. Bei der Taufe schwingt aber auch der Gedanke der Wiedergeburt aus dem Wasser mit, wie er bereits im Alten Ägypten vertreten wurde.

 

In der Täufer- wie in der Jesusbewegung bis in den ersten christlichen Gemeinden werden Menschen bei der Taufe untergetaucht, was auch der Bedeutung des griechischen Wortes „baptizein" entspricht; das Substantiv dazu heißt „baptisma", wovon sich das entsprechende Wort im Englischen ableitet. Die symbolische Bedeutung des Untertauchens liegt auf der Hand: Der ganze Mensch wird gereinigt, wenn nicht sogar erneuert.

 

Ganz profan: Wer fühlt sich nicht nach einem wohltuenden Bad manchmal „wie neu geboren"?!

 

Eine andere Frage ist, wie beständig die Auswirkung der „Wassertaufe zur Buße" ist. Offenbar erahnt Johannes ihre Begrenztheit oder eingeschränkte Wirksamkeit. Jedenfalls verweist er nachdrücklich auf die Taufe, die Jesus „mit heiligem Geist und Feuer (des Gerichts)" vollziehen wird.

Ich muss dabei an die Begegnung zwischen Jesus und Nikodemus denken, die der Evangelist Johannes erzählt (Joh 3,1ff) - zwei Antworten Jesu während des Dialogs:

„Amen, Amen, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen. [...] Amen, Amen, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen" (3,3.5).

 

Verwandt scheint mir auch eine Aussage im Rahmen der Begegnung zwischen Jesus und der Samaritanerin, von der das JohEv (Joh 4,1ff) erzählt (4,24):

 

„Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten".

 

Freilich: „Der Geist weht, wo er will; [...] du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist" (Joh 3,8).

 

Dieses Geborenwerden aus Wasser und Geist ist wohl die tiefgründigste Erneuerung, die ein Mensch von innen her erleben kann; sie vollzieht sich nicht auf einmal, sondern ist ein lebens-langer Prozess. Diese Erfahrung beinhaltet auch die Gewissheit, dass ein Mensch sich von Gott bedingungslos angenommen wissen darf. Wer darauf vertraut, dass Gott barmherzig ist und aus Liebe Vergebung schenkt, darf erfahren, was es heißt, „Kind Gottes" zu werden.

In gewissermaßen einzigartiger Weise erlebt Jesus eine solche Wiedergeburt - gerade weil er sich von Johannes taufen lässt: „[...] Das ist es, was wir jetzt zu tun haben, damit alles geschieht, was Gott will" (Mt 3,15).

 

Zweifellos hat sich Jesus von Johannes taufen lassen (Mk 1,9-11 par.); im JohEv allerdings wird dies nicht erwähnt. Auch die Begabung Jesu mit dem Geist gehört zur ältesten Überlieferung. Jesus maß seinem Lehrer (Rabbi) endzeitliche Bedeutung als Prediger zu und betrachtete ihn als wiedergekommenen Elija an.[8]

 

Ich finde es auffällig, dass der Täufer im gesamten NT nur einmal (Joh 3,26) als Rabbi (Lehrer) - und zwar von seinen eigenen Schülern (Jüngern) angesprochen wird. Ansonsten ist diese Anrede Jesus von Nazareth vorbehalten, oder Jesus warnt vor Missbrauch dieses „Titels".

 

Die verschiedenen Überlieferungen zur Figur des Täufers haben eine lange Wirkungsgeschichte, die sich natürlich auch auf die bildende Kunst ausgewirkt hat. Ich möchte nur zwei Beispiele anführen, worin sich die Künstler dem Motiv Johannes der Täufer als Prediger widmeten.[9]

 

Als Prophet, charismatischer Führer, Rabbi und Prediger war der Täufer historisch gesehen dem Rabbi aus Nazareth eine Zeit lang durchaus ebenbürtig; beiden ging es entscheidend um die Verkündigung der (nahenden) Herrschaft Gottes. Sie hatten nicht direkt politische Ambitionen, aber - wie schon die alten Propheten Israels - sie vertraten vehement eine gesellschafts-, sozial- und wirtschaftskritische Botschaft. Beide geistlichen Führer bezahlten ihre uneingeschränkte Liebe zu Gott und zu den Menschen mit ihrem Leben - beide grausam hingerichtet.

 

Später wurden charismatische Führer wie Mahatma Ghandi und Martin Luther King ermordet.

Aber ihr geistiges Erbe spricht weiter zu uns und kann uns noch lebenswichtiges lehren.

AMEN.



[1]    Cf. Margarita Heller: „Er offenbarte seine Herrlichkeit". Kommentar zu Johannes 1-4 (2010), 288ff: 289.

[2]    Cf. Otto Böcher: Art. Johannes der Täufer, TRE 17 (1987), 172-181: 174ff (Die Quellen und ihre Tendenzen; Rekonstruktion des historischen Täufers).

[3]    Gerd Theissen/ Annette Merz: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch (21997), 191 (ff).

[4]    Cf. Roland Schütz: Johannes der Täufer (1967), 93-97 (ff).

[5]    Cf. Thomas Bautz: Predigt zu Matthäus 3,13-17 (1. Sonntag nach Epiphanias, 11.01.2009).

[6]    Cf. Theissen/ Merz 193.

[7]    Cf. Theissen/ Merz 192.

[8]    Cf. Böcher 177.

[9]    Siehe die im Anhang dokumentierten (aber nicht interpretierten) Darstellungen; weitere Beispiele finden sich bei Friedrich-August von Metzsch: Johannes der Täufer. Seine Geschichte und seine Darstellung in der Kunst (1989).

 

 

 

 

Johannes predigt. Detail der Bronzetür von Andrea Pisano, 1330/36. Florenz, Südportal des Baptisteriums [10].

 

 

Predigt Johannes des Täufers von Rembrandt, Leinwand auf Holz, 1634/36. Berlin, Staatl. Museen Preuß. Kulturbesitz, Gemäldegalerie [11].

10 Friedrich-August von Metzsch: Johannes der Täufer. Seine Geschichte und seine Darstellung in der Kunst (1989), 56 (Abb. 45); Bildkopie: http://prometheus.uni-koeln.de [Das verteilte digitale Bildarchiv für Forschung und Lehre - Kunsthistorisches Institut der Universität zu Köln; private Nutzung gegen geringen Jahresbeitrag], Suche unter „Johannes der Täufer predigt" (Bildliste: Nr. 9).

11 Metzsch 65 (Abb. 54); Bildkopie: „prometheus", Suche unter „Predigt Johannes des Täufers" (Bildliste: Nr. 2).

 



Thomas Bautz

E-Mail: thomas.bautz@ekir.de

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