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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: 1. Korinther 13, 2011

1. Korinther 13, 1-3, verfasst von Michael Ebener

 

Du bist mein dreizehntes Kapitel

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus

und die Liebe Gottes

und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Ein Kompliment ist eine Kunst!

Du bist mein dreizehntes Kapitel!

Da ist Esprit gefragt, Witz, Gefühl, um die Verbundenheit zum anderen so recht ins Wort zu fassen. Damit Komplimente zielsicher landen, gehört Eleganz dazu und geistige Geschmeidigkeit, denn das Ganze ist nicht ohne Risiko!

Einer entzückenden Dame zu sagen: „Du bist mein wundervoller Butterkuchen", wäre wohl die poetische Umsetzung eines ehrlichen Gefühls, trotzdem das Ende aller Hoffnung, denn zum Nachsatz: „So duftig, so locker, so süß", würde es kaum kommen.

Zudem tragen manche Komplimente einen Beigeschmack: Sie sind so jenseits aller Wirklichkeit, dass der oder die Angesprochene sofort die Schmeichelei erkennt! Aber selbst solches Kompliment wirkt gemütsaufhellend und hat schon manch trüben Tag gerettet, denn Komplimente haben es leicht: Wir sind zu gern bereit anzunehmen, dass sich all das Gute, Schöne, Wahre, das wir in uns selbst erkennen, auch in den Augen eines Nächsten spiegelt.

Umso schlimmer, wenn man im Kompliment nicht baden darf: „Herzlichen Dank, Herr Pastor, wie treffend Sie das heute wieder ausgedrückt haben mit den Flügeln und der Morgenröte - da geht einem der wirklich Himmel auf!" Und sprödes Berufsethos zwingt einen zu sagen: „Danken Sie nicht mir - danken Sie Gott!"

Heute Morgen, meine Damen, meine Herren, in Beziehung lebend oder solo, noch sehr jung und aller Anleitung bedürftig, oder schon erfahren, trotzdem weiter wissbegierig - heute Morgen möchte ich Ihnen und Euch allen ein wirklich elegantes, originelles, gefühlvolles Kompliment zur Erprobung im Alltag vorlegen.

Das wird dann nachher eine Freude an diesem schönen Sonn(en)tag!

Dieses Kompliment ist sowohl dem Geliebten gegenüber gut zu sagen, Mann oder Frau, der Partnerin, dem Partner, älter oder jünger, unter Liebespaaren und Eheleuten - das muss kein Gegensatz sein! - als auch jedem anderen Mitmenschen gegenüber, für den Sie und Ihr ein echtes, tiefes Gefühl empfindet. Man muss aber mit diesem Kompliment ein bisschen geizen: Wenn man es zu oft zu zu vielen sagt, nutzt es sich ab. Ein gelungenes Kompliment hat etwas Exklusives: Ich kann es nur bestimmten Menschen sagen!

Versuchen Sie es beim nächsten Mal, wo Sie diesem Menschen, den Sie meinen, in die Augen schauen, wo Zeit und Nähe ist - wo Ihr an diesem Menschen seid: In den Urlaubstagen mit dem Kind, beim Spaziergang mit der Enkelin, beim Tee mit der besten Freundin, beim Gute-Nacht-, Guten-Morgen-, Abschieds- oder Ankunftskuss, am Jahres- oder Hochzeitstag, am besten ganz ohne äußeren Grund! Und keine Sorge: Im schlimmsten Fall schaut das Gegenüber etwas ratlos. Richtig daneben geht es nie!

Sagen Sie, sagt einfach: „Du bist mein dreizehntes Kapitel!"

Sagen Sie, sagt: „Du bist mein dreizehntes Kapitel - ohne Dich wär‘ ich kein Mensch, denn dann hätte ich die Liebe nicht!"

Das „Hohelied der Liebe"

Und nun schauen manche wirklich ratlos: „Von was für einem dreizehnten Kapitel redet der, von welchem Buch - und was, bitte, ist daran romantisch: Worte, Seiten?"

Andere unter uns ahnen, welches dreizehnte Kapitel gemeint sein könnte, weil sie vermutlich mit seinem Finale auf dem Weg durchs Leben sind, als Konfirmationsspruch, als Trauvers. Und es kommen die Worte - und dann vielleicht auch bei den anderen! - , mit denen dieses dreizehnte Kapitel endet, und dann macht das mit dem Kompliment auf einmal Sinn und kriegt sogar die Kurve ins Romantische: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die Größte unter ihnen I. Kor 13,13 - Du bist mein dreizehntes Kapitel!

Und vielleicht stellt sich von daher auch die Erinnerung an den Mittelteil ein - das ganze „Hohelied der Liebe" aus dem ersten Korintherbrief des Paulus in seiner Pracht: Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles 1. Kor 13, 4-7 - oft gehört, gern geglaubt: Du bist mein dreizehntes Kapitel!

Und dann ist auch der Anfang da, den wir seltener hören, der das Ganze aber gründet und auf den ich heute Morgen besonderes Augenmerk lenken möchte: Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete ..., so fängt Paulus an, erste Korinther dreizehn: Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.

Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.

Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze. I. Kor 13,1-3

Dreimal „und hätte die Liebe nicht" ...

Hab‘ ich ja - so viel davon: Du bist mein dreizehntes Kapitel!

Spätsommersonnenstrahlen

Selten ist uns Paulus so nah - selten ist das, was er sagt und was er schreibt, so poetisch, so schön! In diesem dreizehnten Kapitel kann man sich aalen wie in Spätsommersonnenstrahlen.

Die Worte tun der Seele gut, sie tun Beziehungen gut, sie sind Leitbild und Fundament: „So soll es sein unter uns - unter uns beiden, unter uns allen, zwischen Mensch und Mensch, und Gott und Mensch. So soll es ein! Endlich. Wieder."

Wir leiden so oft im Leben unter aufhörender Liebe, kranken an einer Liebe, die einmal da war und die wir nun nicht mehr spüren - zu ihr, zu ihm, zu Gott. Manchmal ist der Mensch, den wir lieben, lange tot und wir sehen im Spiegel unserer Erinnerung nur noch ein dunkles Bild unserer einstigen Liebe.

Die Liebe bleibt", sagt, tröstet Paulus im dreizehnten Kapitel: „Die Liebe bleibt, von Angesicht zu Angesicht, sie ist die größte. Schöpft Hoffnung, habt Glauben!"

Aber Paulus ist kein Poet - zumindest kein absichtlicher!

Und er ist kein religiöser Schriftsteller, der unsere Sehnsüchte bedienen will. Paulus ist Gemeindeaufbauer - kein Satz von ihm in der Heiligen Schrift, der nicht dieses Ziel hätte!

Deshalb holpert es ein wenig, wenn wir hier „Liebe" hören und sofort an „Liebe" denken. Die Worte sind nicht für die Trauung geschrieben! Paulus hat die Schwestern und Brüder der Gemeinde von Korinth vor Augen - über ihnen lässt er Liebe leuchten.

Aber die Liebe führt uns ja manches Mal in komplizierte Verhältnisse, und ist doch eigentlich ganz schlicht: Wer liebt, weiß, dass er das tut, und wer geliebt wird, auch! Wenn es „Liebe" ist, dann ist es „Liebe", denn es gibt nur eine, die aber in vielerlei Gestalt. Und dann mag sie herauswachsen aus erotischem Ungestüm; sie mag sich entwickeln aus dem geschwisterlichen Bezug in der Gemeinschaft, in der Gemeinde; sie mag sich ausbreiten zum solidarischen Mitfühlen aller Kreatur nach.

Zeitfenster zur Ewigkeit

Wir Menschen haben nur ein kleines Zeitfenster zur Ewigkeit, und dass wir in dieser kleinen Zeit Liebe haben - Liebe haben können! - , gibt dem Ganzen Sinn, denn ohne Liebe wären wir nichts, nichts nütze!

Paulus schreibt uns drei Worte auf dieses Zeitfenster zur Ewigkeit - er schreibt drei Worte auf die Scheibe und lässt diese drei Worte von Liebe durchleuchten. Auf der Scheibe schimmert nun etwas von dem Großartigen, was wir in der christlichen Gemeinde, in der Nachfolge Jesu Christi erleben können. Das ist so, weil Paulus in diesem Moment an die Gemeinde denkt! Es wäre aber noch Platz auf unserem Fenster zur Ewigkeit. Auch wenn es klein ist, könnten andere Worte dort stehen - immer, überall, in jedem Zusammenhang würde gelten: Ohne Liebe nichts, nichts nütze!

Wir haben nur ein kleines Zeitfenster zur Ewigkeit.

Auf der Scheibe steht: Das Reden - - - Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.

Damit wir Menschen zum Glauben kommen an uns selbst, an andere und an Gott, brauchen wir das Wort, das uns in Liebe anredet.

Gott hat das getan, als er sein Wort Mensch werden ließ in Jesus. Er hat darum nicht viele weitere Worte gemacht; er hat sein Wort einfach unter uns gelassen, und hat es leben und lieben lassen, sterben und auferstehen.

Es sind so viele Worte in dieser Welt, gesprochen mit Menschen- und mit Engelzungen, und meist spüren wir, ob sie von Liebe getragen sind. Ich kann das, was ich sage, schnell zum tönenden Erz und zur klingenden Schelle machen, wenn mein Wort nicht gedeckt ist durch das, was ich empfinde und lebe.

Wenn ich mich meinem Kind nicht zuwende, das am Zimmer klopft, und es anranze, weil es stört in dem Moment, dann wird die Hehre und Schwere meiner Gedanken es nicht retten. Dann wäre auch eine Rede, eine Predigt über die Liebe zu Gott und den Menschen nur Radau. Die Scheibe wäre blind - kein Ausblick zur Ewigkeit!

Wir haben nur ein kleines Zeitfenster zur Ewigkeit.

Auf der Scheibe steht: Das Erkennen - - - Wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.

Wäre Gott nicht auch Geheimnis, wäre Glaube ein Wissen!

Es ließe sich dann lernen, mit Glauben die Berge zu versetzen. Wir wären alle große Wundertäter, aber unsere Welt wäre restlos in der Hand der Materialisten. Was ich so kenne, durchschaue, beherrsche, wäre irgendwann langweilig.

Das darf unter Liebenden nicht sein!

Die Liebe braucht den Zauber, sie muss zwar offenbar werden, aber immer wieder, nie auf Dauer. Sie lebt von der Spannung: schon jetzt - noch nicht.

So, wie ich meine Geliebte nicht ein für alle Mal lernen kann, nur liebe, ihr vertraue, immer wieder, neu, so kann ich auch Gott nicht lernen, nur lieben, ihm vertrauen, immer wieder, neu - auf Zukunft hin.

Wie schön, dass es in der hebräischen Bibel heißt: Sie erkannten einander, wenn gemeint ist, dass zwei Menschen sich in Liebe so nahe kommen, wie es nur sein kann!

Wir haben nur ein kleines Zeitfenster zur Ewigkeit.

Auf der Scheibe steht: Das Hingeben - - - Wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.

Wir leben dieser Tage um den 11. September.

Vor zehn Jahren hat der Welt das Herz stillgestanden und wir haben mit gebannten Augen angesehen, was flammender Glaube mit den technischen Möglichkeiten der Moderne anrichtet, wenn er zwar voller Hingabe, aber ohne Liebe ist.

An diesem Tag ist etwas zerbrochen.

Wir werden noch in Jahrhunderten davon sprechen, auch wenn es davor und danach größere Leidensorte gegeben hat als die New Yorker twin towers. Für unser Zeitalter hat hier der Glaube seine Unschuld verloren und das trifft uns Glaubende alle - in Kirchen, Moscheen, Synagogen und Tempeln.

Derselbe Glaube, der zum Schönsten gehört, was einem Menschen geschenkt sein kann, neigt dazu, sich zu radikalisieren, wenn er grenzenlos wird.

Vor dieser Gefahr ist kein Glaube und kein Glaubender gefeit - nicht Christ, nicht Muslim, nicht Jude, nicht Hindu! Wo es um das Letztgültige geht und um das einzig Wahre, können wir mitfortgerissen werden und sind dann bereit, alle Habe hin zu geben und unseren Leib und unser Leben für den Glauben an den einen Gott, die gerechte Sache, für Partei, Nation, Wohlstand, Freiheit, Ehre und Vaterland.

Es gibt aber auf dieser Welt nur ein Letztgültiges und ein einzig Wahres, und das ist die Liebe, die alles andere begrenzt, auch jeden - jeden! - Glauben. Die Liebe mag von mir fordern, Habe und Leib hinzugeben, aber niemals - niemals! - fordert sie von mir die Habe, den Leib eines anderen!

Drei Worte stehen auf der Scheibe unseres Fensters zur Ewigkeit - unsere Rede, unsere Erkenntnis, unsere Hingabe von Liebe erleuchtet ...

Ein Kompliment ist eine Kunst

An diesem schönen Sonn(en)tag sitze ich nun mit Gott auf einer Bank.

Das Licht durchdringt alles, hier drinnen in der Kirche, draußen im Foyer - bescheint alles, hier im großen Garten, dort im Park unter den alten Bäumen, da zwischen Blumenbeeten.

Wir zwei sitzen da wie lang Vertraute, die miteinander schweigen können.

Freund", sagt Gott dann irgendwann, „du bist mein dreizehntes Kapitel. Ohne dich wär‘ nichts was nütze und ich wüsste nicht, wohin mit meiner Liebe."

Ein Kompliment ist eine Kunst.

Und ich würd‘ grad‘ so sprechen: „Herr, auch du bist mein dreizehntes Kapitel - ohne Dich wär‘ ich kein Mensch, wär‘ alles nichts, nichts nütze. Denn dann hätte ich die Liebe nicht!"

Amen.



Pastor Michael Ebener
Göttingen
E-Mail: michael.ebener@refo-goettingen.de

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