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ISSN 2195-3171

Adventszeit, 2011

Andacht im Advent 2011, verfasst von Ulrich Nembach

Wir singen das Lied von Georg Weisel:

Macht hoch die Tür,  die Tor macht weit;

Es kommt der Herr der Herrlichkeit,  ein König aller Königreich,

ein Heiland aller Welt zugleich,  der Heil und Leben mit sich bringt;

derhalben jauchzt, mit Freuden singt:

Gelobet sei mein Gott, mein Schöpfer reich von Rat.

                                                                                         (Ps. 24,7)

 Liebe Freundinnen und Freunde!

 „Alle Jahre wieder...“ so heißt es in der Einladung zum heutigen Abend. Damit ist gemeint: dieses Jahr treffen wir uns wieder wie vor einem Jahr und dem davor usw. „Alle Jahre wieder“ beinhaltet noch mehr. Diese Wörter sind der Anfang eines Liedes: „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind.“ Das Lied meint Weihnachten. Wenn wir uns heute, im Advent unter diesem Motto in der Kirche treffen, haben wir die Vorbereitung auf Weihnachten im Blick. Zwar ist die Adventszeit zu einer eigenen, besonderen Zeit geworden mit dem Weihnachtsmarkt oder dem Plätzchen-Backen, wie es in der Einladung heißt, ich lade Sie aber ein mit mir die andere, die ursprüngliche Seite der Adventsfeier zu bedenken, zu erleben.

Vorbereitung auf Weihnachten – wie macht frau/man das? Schauen wir uns Menschen in der Weihnachtsgeschichte an. Es gibt dort eine Gruppe, der es ähnlich erging, wie es uns heute ergeht. Zwar erlebten sie nicht Weihnachten bereits vor einem Jahr wie wir, aber sie haben vor ihrer Begegnung mit dem Christuskind bereits von ihm gehört. Es war ihnen sogar in großartiger, einmaliger Art und Weise mitgeteilt worden. Ich meine die Hirten. „Der Engel des Herrn“ war zu ihnen gekommen. Er hatte ihnen draußen bei der Arbeit, der Bewachung der Schafe, mitgeteilt, dass Christus geboren ist. Er hatte ihnen auch gleich eine Wegbeschreibung und Erkennungszeichen mitgegeben, um sich in dem kleinen, total überfüllten Ort Bethlehem zurecht zu finden. Damit war es nun an ihnen, sich auf den Weg zu machen. Doch da geschieht etwas Neues. Die Folgen der Geburt dieses Kindes werden genannt, ja gesungen, und dazu tritt ein ganzer Chor an. Engel erscheinen und singen, was die Geburt des Kindes bedeutet. Das, was sie singen, möchte ich mit Ihnen als Vorbereitung auf Weihnachten bedenken. Die Hirten erfahren so, was die Geburt bedeutet, bevor sie das Kind selbst sehen.

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen.“

„Ehre sei Gott“

mit diesen Worten beginnt der Gesang. Eine Vorrede fehlt. Ein Vorspiel wie in unseren Gottesdiensten und wie auch heute Abend fehlt. Die Ehre    Gottes ist so wichtig, dass jede Vorrede Zeitverschwendung wäre  und sich im Grund erübrigt. Die Engel singen. Der Engel, der die Nachricht überbrachte, sprach. Die Musik kann das Reden überhöhen. Musik versetzt unser ganzes Hirn in Bewegung, ja den ganzen Körper. Verschiedene Teile unseres Hirns werden aktiv bei Musik, wie Neurobiologen herausgefunden haben. Ja, Musik versetzt unseren ganzen Körper in Aktion, wie wir selbst feststellen können, wenn wir uns dabei ertappen, den Rhythmus mit dem Fuß mitzuspielen, selbst wenn wir nur Hörer sind.

Die Musik, der Gesang des himmlischen Chores der Engel dient dem Lobe Gottes.

Wie stark auch die Musik hier auf Erden das Lob Gottes herausstellen kann, erleben wir etwa in Bachs Weihnachtoratorium. Gleich die ersten Takte mit Trommelwirbel und all den anderen Instrumenten Lob Gott, unterstreicht, ja überhöht den Chorgesang. Wir hören darum das Weihnachtsoratorium immer wieder, alle Jahre wieder. Unsere Kirchen sind voll, obwohl sie an den Sonntagen nur halb besetzt sind, manchmal noch spärlicher. Bei der Musik ist das anders. Sie trifft uns. Hier, bei den Hirten dient sie dem Lobe Gottes.

Lassen Sie uns auch singen. Lassen Sie sich wachrütteln, anstecken von dem Gesang.

Lassen Sie uns darum singen von dem  Lied von Philipp Nicolai Vers 3.

Gloria sei dir gesungen mit Menschen und mit Engelzungen,

mit Harfen und mit Zimbeln schön.

Von zwölf Perlen sind die Tore an deiner Stadt (1);

Wir steh´n im Chore der Engel hoch um deinen Thron.

Kein Aug` hat je gespürt, kein Ohr hat mehr gehört solche Freude.

Des jauchzen wir und singen dir das Halleluja für und für.

(1)    Offb. 21,21

„... und Friede auf Erden bei den Menschen“ –

so heißt es im zweiten Teil des Gesanges der Engel.

Wir haben uns angewöhnt, Frieden als die Abwesenheit von Krieg zu verstehen. Wenn die Kanonen schweigen, herrscht Friede, meinen wir. Herrscht wirklich dann Frieden? Die Vereinten Nationen sagen, dass ein Bürgerkrieg in Syrien droht. Gleichzeitig sprechen sie von über 4.000 Toten, und es werden jeden Tag mehr. Ist das Friede? Und bei uns? Es wird in Schulen und an Arbeitsplätzen gemobbt, ist das Frieden? Ein Jahrzehnt lang wurde kreuz und quer in unserem Land gemordet. Ist das Friede?

Darum geht es im Gesang der Engel um mehr, wesentlich mehr, wenn sie vom Frieden singen. Sie fügen hinzu:

Friede auf Erden den Menschen ein Wohlgefallen.

Schon damals, als die Engel vor den Hirten das Lob Gottes sangen und vom Frieden, herrscht Unfriede in Palästina. Das Land war von den Römern besetzt. Sie übten ihre Macht brutal aus. Schnell fanden sich Menschen im Gefängnis wieder. Schnell wurde jemand hingerichtet. Der Friede von dem die Engel sangen, war darum ein ganz anderer Friede. Es war ein Friede, der den Menschen Wohlgefallen bereitet.

Einen so schönen Frieden können wir uns kaum vorstellen. Und wenn, dann wohl nur für die Menschen, die Gott wohl gefallen, die er schätzt, weil sie seinen Willen tun. Viele Theologen übersetzen darum den zu Grunde liegenden griechischen Text anders. Sie sagen:

Friede den Menschen seines Wohlgefallens,

nämlich Gottes Wohlgefallens. So steht es auch in der revidierten, überarbeiteten Luther-Übersetzung von 1984. Die Überarbeitung von 1912 sprach noch:

und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.

Die unterschiedlichen Übersetzungen haben weitreichende Folgen. Um welche Menschen geht es? Geht es nur um Frieden für Einige, für die, die Gott wohl gefallen. Ja, um was für einen Frieden geht es? Wir wissen doch nicht, was eigentlich Friede ist!

Wenn Sie nun fragen, wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Übersetzungen, so muss ich auf 2 Punkte hinweisen. Der griechische Text ist schwer zu übersetzen. Darum haben sich schon bald Bibelleser gefragt, wie der Text zu verstehen sei. Sie suchten nach einer Antwort und fanden sie in der Theologie. Im Neuen Testament wie auch schon im Alten Testament ist immer wieder die Rede davon, dass es gute und weniger gute Menschen gibt. Dass darum manche Gott gefallen und manche nicht. Die nach dem Sinn des Textes fragenden Bibelleser kamen darum schon früh auf die Idee, der Friede auf Erden, von dem die Engel singen, kann nur ein Friede sein für Menschen, die Gott wohl gefallen. Diese Gedanken, Überlegungen können wir noch heute, nach 2000 Jahren nachvollziehen. Die damaligen Bibelleser haben nämlich ihre Korrektur am Rand des Textes vermerkt.

Diese Korrektur ist verständlich, weil eben der Text kaum zu übersetzen ist und weil die deshalb notwendige Antwort eine theologisch gut begründete sein sollte. Nur frage ich mich, ob die Antwort richtig ist, die den Frieden nur für Gott wohlgefällige Menschen reklamiert. Ich denke, dass Gott uns Menschen, Ihnen und mir, uns Frieden schenken will. Warum sonst sandte er seinen Sohn in diese Welt, in diese Welt des Unfriedens?

Damit stellt sich aber die Frage:

 

Wie sollen wir Weihnachten feiern, uns im Advent auf dieses Weihnachten vorbereiten?

Ich denke. Über Weihnachten nachzudenken, ist der 1. Schritt der Vorbereitung. Der Schritt ist nicht leicht. Ich habe bei der Vorbereitung dieser Andacht lang nachgedacht.  Ich habe mit Freunden und Kollegen diskutiert.

Darum frage und bitte ich Sie nun und abschließend:

wie Sie sich jetzt im Advent auf den Einvernehmen, Wohlwollen schaffenden weihnachtlichen Frieden vorbereiten? Und wie Sie Gott loben werden?

Die Hirten unterbrachen  ihre Arbeit. Diese Unterbrechung, d.h. die Schafe ohne Aufsicht zu lassen, konnte für sie schlimme Folgen haben wegen des damaligen Arbeitsrechtes. Halten wir inne, unterbrechen wir unsere Arbeit einschließlich des Plätzchen-Backens?

Amen

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft,

bewahre eure Herzen und Sinne. Amen

 

Wir singen vom Adventslied von Paul Gerhardt Vers 1.

Wie soll ich dich empfangen und wie begeg´n ich dir,

o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?

O Jesu, Jesu setze mir selbst die Fackel bei,

damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.

 

 

 

 

 

 

 



Prof.Dr.Dr. Ulrich Nembach
Göttingen
E-Mail: Ulrich.Nembach@theologie.uni-goettingen.de

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