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ISSN 2195-3171

Predigtreihe: Monatliche Liedpredigten zur Lutherdekade, 2012

Februar 2012, verfasst von Karsten Matthis

 

Wie schön leuchtet der Morgenstern,

 

Wie schön leuchtet der Morgenstern! Hab` doch kein andres Lied so gern!

Mit Tränen füllt sich jedes Mal mein Auge, spiel` ich den Choral."

Mit diesen Versen von Julius Sturm (1816-1896), Pfarrer und Volksdichter im thüringischen Köstritz, beginnt ein volkstümliches Gedicht über den Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern". Sturm erzählt die Geschichte vom alten Dorfschulmeister und dem Husaren, der eines Tages mit gezücktem Säbel Einlass in die Kirche begehrt. Schnellen Schrittes drängt der Husar zur Orgel und befiehlt dem alten Dorfschulmeister, den Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern" zu spielen. Der Lehrer setzt mit einem Vorspiel ein, der bärbeißige Soldat unterbricht ihn und fordert ihn auf, nicht zu klimpern, sondern gleich den Choral zu spielen. Sie singen gemeinsam Strophe für Strophe des Liedes und dabei bricht der Husar in Tränen aus. Er erzählt, dass er sich freiwillig für die Nachtwache an der Front gemeldet hatte und seine drei Söhne ebenfalls im Dienst des preußischen Heeres ihn an die Front begleiteten. Als die Einschläge der Kanonen der Habsburger immer näher kamen, wurde es ihm um seine Söhne Angst und Bang. Er betet, dass die gegnerischen Truppen mit ihren Kanonen nicht noch näher heranrücken. Als der Husar den hellen Morgenstern erblickte, wusste er, dass die Wache nun bald vorüber war. Da fiel ihm das Kirchenlied „Wie schön leuchtet der Morgenstern" ein und ihm wurde klar, dass sein Gebet erhört wurde. Unbedingt wollte er den Choral in einer Kirche hören und singen, um Gott zu danken. So wird der Choral auch zum Lieblingslied des Dorfschulmeisters und dieser spielt das Ephiphaniaslied Philipp Nicolais seit jener Begegnung ohne Vorspiel.

Die Popularität des Chorals war nicht nur zur Zeiten des Schlesischen Krieges, in welchem die Episode spielt, groß, sondern sie ist bis heute ungebrochen. In vielen Sprachen wurde der Text von Philipp Nicolai übersetzt, so ins Englische mit dem Titel „How brightly shines the Morning Star" und der Choral fand ebenfalls Eingang ins Liedgut der skandinavischen Kirchen.

Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der Choral ins katholische Gotteslob aufgenommen. So zählt das Lied zu den weit verbreiteten ökumenischen Kirchenliedern zur Advents- und Epiphaniaszeit. Nicht von ungefähr wird „Wie schön leuchtet der Morgenstern" als eines der populärsten Christuslieder bezeichnet.

Liebe Gemeinde, warum hat über Jahrhunderte hinweg der Choral die Herzen der Menschen erreicht? Sicherlich ist die Melodie eingängig und leicht für Gemeinden zu singen. Vor allem aber hat der Text immer wieder Menschen inspiriert und ihre religiösen Fantasien angeregt.

Schauen wir in den Text: Das Lied quillt vor Bildern nur so über. Der Text malt sich wie eine barocke Kirche mit reichem Schmuckwerk und malerischer Ausgestaltung vor unseren Augen, welche ein festliches Gefühl bei uns auslösen.

Der lutherische Theologe Philipp Nicolai war selbst ein strenger Konfessionalist seiner Zeit. Er grenzte sich scharf sowohl vom Katholizismus als auch vom Calvinismus ab. Seine dogmatische Strenge hat ihn aber nicht davon abgehalten, einen überaus gefühlvollen Liedtext zu schreiben, der vor ungewöhnlichen Passagen und überraschenden Vergleichen nicht zurückschreckte.

Einerseits nimmt der Liedtext die traditionellen biblischen Motive auf und sieht in Jesus das lebensspendende himmlische Manna. Die Strophen des Liedes erinnern an die Erscheinung Jesu in der Welt, an sein Wort und seinen Geist, welche die Welt hell gemacht haben. Nicolai lässt den Hörer das Abendmahl erahnen und spricht vom Leib und Blut Christi, welche die Menschen erquickt (Strophe 4). Jesus ist dem Gläubigen im Abendmahl ganz nah, ja er umarmt ihn und führt ihn zum Tisch.

Andererseits kreiert Philipp Nicolai ungewöhnliche Bilder und geht über die biblischen Überlieferungen hinaus. Der Dichter spricht von Christus als dem Bräutigam und sieht den Gläubigen als seine Braut (Strophe 5). Damals ein ungewöhnlicher Vergleich und für viele Kirchenleute gar theologisch anstößig und befremdlich.

Nicolai hat sein Lied als Liebeslied geschrieben, denn in Strophe 2 heißt es wie in einem Liebeslied: „Ei meine Perl, du werte Kron..." Von einem wahrhaft innigen Verhältnis erzählt der Dichter über die Verbindung von Christus und dem Christen.

Jede Zeile des Liedes wirkt umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, in welcher furchtbaren Lage sich Nicolai befand. Tagtäglich trug er in seinem Kirchspiel Menschen zu Grabe, welche von der Pest hinweg gerafft wurden. Nicolai mag angesichts apokalyptischer Verhältnisse im westfälischen Unna, in welcher er seinen Pfarrdienst tat, oft Bilder aus der Offenbarung vor Augen gehabt haben: Christus als das A und O, der Anfang und das Ende. Die Freundenkrone, die dem einst überreicht wird, der treu bis in den Tod und trotz aller Anfeindungen geglaubt hat.

Liebe Gemeinde, das tragende Bild des Liedes ist der helle Morgenstern als das Symbol der Hoffnung. Der Morgenstern kündigt in der dunklen Winternacht den kommenden Tag an. Der Morgenstern trägt in die winterliche Dunkelheit ein orientierendes Licht. Wer den Morgenstern wie der verzweifelte Husar am Horizont erblickt, weiß, dass der Morgen der Hoffnung anbricht.

Als Hoffnungsbringer ist das Kind in der Krippe schon von der frühen Christenheit als Morgenstern herbeigesehnt worden. Es bringt das Licht der Erlösung in die kalte Winternacht.

So lässt der Seher Johannes Christus sagen: „Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Morgenstern" (Apk. 22,16). Die alttestamentlichen Weissagungen und die Bekenntnisse der ersten Christen nimmt Nicolai meisterhaft auf und gestalten den Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern" zum dem populären Epiphaniaslied der Kirchen.

Neben dieser theologischen Leistung Nicolais, der Verbildlichung biblischer Texte, beruht jedoch die ungeheure Popularität des Liedes darauf, dass Strophe für Strophe als Gespräch des Christen mit Christus angelegt ist. Ein vertrauensvolles Gespräch zwischen Glaubenden und Erlöser, dem hellen Morgenstern.

In den Liedstrophen nimmt der helle Morgenstern den Menschen in Besitz, dies ist viel mehr als die oft abstrakte Rede vom Angenommensein bei Gott. Das Lied greift in vielen barocken Bildern die Hoffnung auf den Messias auf. Wer den Morgenstern in sein Herz schließt, so Nicolai, der lässt sich von den Gefühlen der Freundlichkeit, Schönheit und der Herrlichkeit des Christus überwältigen.

Diese vom Text und der Melodie ausgelösten Gefühle machen die Popularität des Liedes aus. Das Lied entfaltet bei vielen Menschen so eine Dynamik, dass Resignation und Kleingläubigkeit verdrängt werden.

Mag sein, dass viele Christenmenschen heut zutage das Bild vom übervollen Herzen als Kitsch empfinden. Dennoch steckt in dem Liedtext etwas Unverzichtbares, das Grundvertrauen zwischen Christen und Christus. Christus will die Herzen der Menschen erreichen, nicht nur sie oberflächlich berühren. Der Glaube will das Innerste des Menschen erschließen, ihn so im Guten gefangen nehmen, dass er sein Herz an Christus hängt.

Wer glaubend diesen Morgenstern in seinem Herzen trägt, von dem hat Christus Besitz ergriffen. Dies ist Botschaft des Liedes aus der Feder Nicolais. Wer wünscht sich nicht einen solchen Glauben mit einem kindlichen Urvertrauen und mit der starken Hoffnung auf eine helle Zukunft, getragen vom Evangelium.

Im 2. Petrusbrief heißt es, dass der Morgenstern in den Herzen der Menschen aufgehen soll (2. Petr. 1,19). Und dies meint doch nichts anderes, als auf das Kind in der Krippe, den Zehnjährigen im Tempel, dem Verkünder der Bergpredigt, dem Gefolterten und Auferstandenen inständig zu vertrauen.

Liebe Gemeinde, der helle Morgenstern strahlt nicht nur auf unsere Gegenwart aus, sondern weist in die Zukunft: Mit Weihnachten ist das Heil in unsere Welt gekommen, aber die Vollendung steht noch aus. Unser Verstand kann sich die Vollendung des Heils, die Wiederkehr des Messias, nicht vorstellen, aber die vom Morgenstern berührten Herzen wissen davon.

Danke, guter Gott, dass du den Morgenstern so hell scheinen lässt.

Amen



Dipl. Theol. Karsten Matthis
53343 Wachtberg
E-Mail: Karsten.matthis@gmx.de

Zusätzliche Medien:
Text und Melodie Philipp Nicolai 1599


Bemerkung:
Anmerkung: Das Gedicht von Julius Sturm: „Wie schön leuchtet der Morgenstern. Des alten Dorfschulmeisters liebstes Lied" findet sich bei: http://meister.igl.uni-freiburg.de/gedichte/stu_j03.html






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