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ISSN 2195-3171

Konfirmation, 2012

Eine alte Frau schreibt einen Brief, Lukas 11,5-13, verfasst von Manfred Gerke

Liebe Gemeinde,

eine alte arme Frau schreibt einen Brief an Gott: „Lieber Gott, Du weißt, es geht mir sehr schlecht. Bitte, sei doch so gut und schick mir 100 Euro.“ Der Brief landet versehentlich beim Finanzamt. Die Beamten haben Mitlied mit der Frau, sammeln für sie, und es kommen immerhin 70 Euro zusammen. Die Frau freut sich natürlich über das Geld und schreibt sofort zurück: „Lieber Gott, vielen Dank, für die 100 Euro. Aber beim nächsten Mal schick den Brief nicht übers Finanzamt. Die Lumpen haben mir doch glatt 30 Euro abgezogen!“ – Ziemlich einfältig, diese Frau, mag mancher denken. Doch was mir gefällt: Sie wendet sich an Gott. Sie schreibt ihm einen Brief, schildert ihr Problem. Und sie vertraut darauf, dass Gott sie nicht hängen lässt.

Beten ist in

Genau das ist Beten. Nun denken viele: Beten ist out. Weil fast niemand offen zugibt, dass er manchmal betet. Beten wird oft als Firlefanz gesehen: Hilft ja doch nicht! Reine Zeitverschwendung. Wer soll das hören?

Doch inzwischen ändert sich was. Einige Prominente und Top-Sportler sind selbstbewusst genug, über ihre Gebete zu sprechen. Für Britney Spears, Michael Schuhmacher, Shakira, den Fußballer Jürgen Klopp, Marius Müller-Westernhagen, Ottmar Hitzfeld, Xavier Naidoo und viele andere gehört Beten zum Alltag. – Ja, zum Beispiel Jürgen Klopp. Der ist nicht nur total engagiert in Sachen Fußball. Manche nennen ihn auch verrückt. Der ist auch begeistert von Gott. „Auch wenn ich manchmal tagsüber so viel zu tun habe, dass ich beim Abendgebet einschlafe“, sagte er einem Reporter, „auf alle Fälle beende ich jeden Tag mit einem Gebet. Grundsätzlich gibt es in meinem Leben unglaublich viele Gründe, mich im Minutentakt bei Gott zu bedanken.“

Reden mit einem Freund

Beten ist eine großartige Sache. Ich kann mich an Gott wenden, an den Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, der hinter allem steht. Und ich darf mit ihm reden wie mit einem Freund. Das jedenfalls sagt Jesus. Und er erzählt dazu eine kleine Geschichte. Da kommt mitten in der Nacht Besuch. Kein Dieb. Sondern ein Freund steht vor der Tür. Groß ist die Freude. Schnell sind Kerzen angezündet. Etwas zu trinken hergeholt. Doch, Schreck lass nach: Kein Brot mehr im Haus, nichts.

Heimlich geht er zum Nachbarn, auch ein guter Freund – und klopft an die Tür, zuerst leise, dann, als sich nichts rührt, lauter. Er hört einen ärgerlichen Seufzer. „Ich bin’s, Ruben. Ich habe Besuch bekommen – und nichts zu essen. Bitte, leih mir drei Brote.“ Noch ein Seufzer. Anders als heute bestand das Haus aus nur einem großen Raum. Dort ist die Schlafstelle mit Eltern und Kindern. Unmöglich, sich zu erheben, ohne die anderen wach zu machen. Unmöglich, das Brot zu finden, ohne Licht zu entzünden. Unmöglich, den Riegel der Tür zurückzuschieben, ohne Lärm zu veranstalten.

Doch draußen steht Ruben, sein Freund und Nachbar, und wartet, lässt nicht locker. Und so erhebt er sich endlich und gibt ihm, was er braucht. Genauso darf ich mich an Gott wenden – wie an einen Freund, sogar mitten in der Nacht, unverschämt, bedrängend, ihm alles anvertrauen. Er weist mich nicht ab. Im Gegenteil. Er gibt wie ein Vater. Es ist doch völlig undenkbar, dass ein Kind seinen Vater um Brot bittet – und der reicht ihm einen harten Stein. Oder um einen Fisch – und der gibt ihm eine Schlange. Oder um ein Ei – und der reicht ihm einen Skorpion.

Immer drastischer werden die Beispiele. Nein, so gemein ist kein Vater, unvorstellbar. Der hat doch keinen Spaß daran, dass sich sein Kind die Zähne ausbeißt, von einer Schlange vergiftet oder von einem Skorpion getötet wird. Um wie viel mehr wird Gott uns wie ein guter Vater das geben, was wir zum Leben brauchen, was uns fördert, aufbaut, weiterhilft. Beten – eine einmalige Sache. Ich kann mich an Gott wenden wie an einen guten Freund und von ihm empfangen – wie von einem lieben Vater.

„Schenk mir ein Wunder“

Zum Beten hat auch einer was zu sagen, dem man das eigentlich gar nicht zutraut. Bernd Heinrich Graf, der Graf, Sänger der Erfolgsband „Unheilig“. Ich gebe gern zu, dass ich ihn bisher kaum zur Kenntnis genommen habe. Schon sein Äußeres stieß mich eher ab: Schwarze Klamotten, Glatzkopf, Gothic-Gehabe, der Name „Unheilig“. Doch schon der Song „Geboren, um zu leben“ wurde ein echter Hit, sprach viele an, erreichte Platz 1 der deutschen Verkaufscharts. Und auch sein Album „Große Freiheit“ ist voll eingeschlagen. Darauf ist auch als Bonustitel der Song „Schenk mir ein Wunder“. Hören wir einfach mal zu. Unheilig: „Schenk mir ein Wunder“

Der Text ist mehr als ein Selbstgespräch. „Ich würde gern die Welt verstehen, ohne Angst nach sehen.“ Er spricht ganz offen seine Wünsche, Sorgen und Ängsten aus. Und dann kommt der Refrain: „Schenk mir ein Wunder, sag mir, dass es sie noch gibt…“ Mit wem spricht er? Sicherlich nicht mit dem Publikum. Auch nicht mit den anderen Bandmitgliedern. Ich kann das nur als Gebet verstehen.

Dafür spricht auch eine Pressenotiz. Dicke Überschrift: „Unheilig“-Boss betet gegen Lampenfieber. „Der Graf“, Sänger der mit drei Echos ausgezeichneten Erfolgsband „Unheilig“, ist frommer als gedacht. „Vor jedem Auftritt habe ich starkes Lampenfieber, Angst, vor das Publikum zu treten. Dann bete ich. Nicht mit Kniefall – sondern  in einem stillen Gespräch, in dem ich um Kraft bitte. Gott kann es nicht regeln, aber er ist bei mir. Mit dem Gefühl gehe ich auf die Bühne, die Leute applaudieren, und die Angst ist vorbei.“

Und hier in unserem Song: „Schenk mir ein Wunder.“ Sicher, Jesus hat sich immer gewehrt, wenn Leute von ihm ein Wunder forderten, ihn missbrauchen wollten als Zauberer oder Showmaster. Doch darum geht es hier nicht. Das wäre für ihn ja das Wunder: ohne Angst nach vorn zu sehen, ohne Furcht blind vertrauen, jede Lüge überstehen, meine Träume leben. All diese Wünsche und Hoffnungen spricht er aus. Und mit diesen Bitten kann und soll ich zu Jesus kommen, mich an Gott wenden wie an einen Freund. Er fordert uns doch ausdrücklich auf: „Bittet, so wird euch gegeben. Suchet, so werdet ihr finden. Klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Ja, das alles sollen wir ihm sagen – wie einem Freund. Und erfahren, dass er uns die Hände füllt – wie ein Vater seinem Kind.

Gott hat „Nein“ gesagt

Heißt das aber, dass Gott alle unsere Bitten und Wünsche erfüllt? Wie ein Automat, in dem wir oben den Wunsch reinstecken und unten die Erfüllung rausziehen. Gott, der tolle Wünscheerfüller? – Die kleine Ruth lässt ihre Lieblingspuppe aus Porzellan fallen. Sie zerbricht in tausend Stücke. Sie wirft sich aufs Bett und weint. „Nicht wahr, lieber Gott, du machst sie doch wieder heil?“ Ihr älterer Bruder hat an der Tür gelauscht und spottet: „Meinst du wirklich, Gott wird das tun?“ „Ich weiß es“, schluchzt Ruth. Abends sieht ihr Bruder die Scherben noch einmal an und fragt, ob Gott denn schon geantwortet habe. „Klar“, entgegnet Ruth zufrieden, „Gott hat ‚Nein’ gesagt.“

Gott sagt manchmal „Nein“. Nicht um uns zu ärgern. Sondern um uns zu schützen. Stellt Euch vor, wir sind auf unserer Freizeit in Möllenbeck, Postenspiel ist angesagt. Es geht in den Wald. Lange Hose, sagen die Mitarbeiter, und feste Schuhe anziehen. Und dann jammert einer: „Aber das ist doch so warm. Warum können wir nicht kurze Hose und Sandelen…“ Nein, ist nicht. Nicht um zu nerven. Sondern als Schutz gegen Zecken, um besser laufen zu können usw.

Ein Gebet

Und so sagt Gott manchmal auch „Nein“, nein zu unseren Bitten und Wünschen. Nicht um uns zu drangsalieren. Sondern um uns zu schützen. Auch wenn wir es im Moment nicht verstehen. Übrigens, in unseren Bibelgesprächen hatten wir im vergangenen Jahr ein schönes Gebet besprochen:
Ich bat Gott um Stärke, aber er machte mich schwach,
damit ich Bescheidenheit und Demut lernte.
Ich erbat seine Hilfe, um große Taten zu vollbringen,
aber er machte mich kleinmütig, damit ich gute Taten vollbrächte.
Ich bat um Reichtum, um glücklich zu werden.
Er machte mich arm, damit ich weise würde.
Ich bat um alle Dinge, damit ich das Leben genießen könne.
Er gab mir das Leben, damit ich alle Dinge genießen könne.

Ich erhielt nichts von dem, was ich erbat –
aber alles, was gut für mich war.
Gegen mich selbst wurden meine Gebete erhört.
Ich bin unter allen Menschen ein gesegneter Mensch.

Es bleibt dabei: Beten ist eine einmalige Sache. Ich kann Gott bitten wie einen Freund und empfange von ihm wie von einem Vater. „Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel seinen Geist geben denen, die ihn bitten.“ Vielleicht sieht das mancher als Einschränkung, dass hier alles auf den Heiligen Geist hinausläuft. Ist es nicht. Im Gegenteil. Der Heilige Geist ist das Zeichen der neuen Welt Gottes, seines Reiches. Der Heilige Geist ist Gottes Kraft, die in uns wirkt, heute schon wirkt, uns offene Augen schenkt für das, was wir empfangen, für seine Nähe und Liebe.

Ich denke noch einmal an die alte arme Frau, die einen Brief an den lieben Gott schreibt – und vom Finanzamt Geld bekam, für sie: abgezogen bekam. Nein, unser Gott ist nicht geizig. Er zieht uns nichts ab wie das Finanzamt. Er beschenkt uns reich. Das, liebe Jugendliche, könnt und sollt Ihr ausprobieren. Den Mut wünsche ich Euch. Geht zu Gott wie zu einem Freund und sagt ihm, was euch bewegt. Und ihr werdet erfahren, wie er beschenkt – wie ein guter Vater.

Im Minutentakt Gott danken

Als Krieger des Lichts seid Ihr im Schaukasten dargestellt. Wer das noch nicht gesehen hat, sollte sich nach dem Gottesdienst das noch anschauen. Paulo Coelho beginnt sein Buch vom „Krieger des Lichts“ mit dem Satz: „Ein Krieger des Lichts vergisst niemals, dankbar zu sein.“ Wie sagte noch Jürgen Klopp? „Grundsätzlich gibt es in meinem Leben unglaublich viele Gründe, mich im Minutentakt bei Gott zu bedanken.“ Und das wollen wir jetzt auch und stimmen an Lied 334,1-4.



Pastor und Präses Manfred Gerke
Stapelmoor
E-Mail: Gerke.Manfred@t-online.de

Zusätzliche Medien:
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Bemerkung:
1. Der Predigttext wurde zuvor in der Lesung vorgetragen.
2. Der Song von Unheilig befindet sich auf der CD „Große Freiheit“, erschienen bei Universal Mu-sic. Der Text ist auf verschiedenen Seiten im Internet leicht abzurufen.



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