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ISSN 2195-3171

Konfirmation, 2012

Konfirmation am Sonntag Jubilate in Kirke Saaby, Dänemark Johannes, 14 1-11, verfasst von Poul Joakkim Stender

Heute haben wir die große Freude, im Gottesdienst zwei Jungen zu konfirmieren. Alex und Jonas. Sie sitzen auf ihren Stühlen und sind schon ganz erwartungsvoll. Ich bin mir völlig sicher, dass sie in ihrem Inneren auch sehr nervös sind, weil sie heute der Mittelpunkt eines großen Festes sind. Wenn ich die erwartungsvolle Ausstrahlung in den Gesichtern der beiden Jungen sehe, muss ich mich wundern, dass so viele Dänen ihr Leben darauf verwenden, „langzeit-enttäuscht" zu sein.

Ein Jammern und Klagen findet statt in unserer Gesellschaft. Das kleine Wort „aber" hört man immer wieder. Neulich sagte ich zu einem Bekannten: „Welch wundervolles Frühjahr!" Und er antwortete: „Ja, aber das dauert nicht lange. Sonntag regnet's." Der Mann hatte recht. Es regnet heute, an diesem Sonntag. Da ist ununterbrochen dieses „aber", als würde man es nicht wagen, sich der Freude hinzugeben, wie es die beiden Konfirmanden heute tun. Ich bin sicher, lieber Alex und lieber Jonas, dass ihr heute sagen werdet, dass es ein fantastischer Tag ist, und zwar ohne dass ihr hinzufügt: „Aber das kann sich ja ganz plötzlich ändern." Gestern habe ich hier in der Kirche ein Paar getraut. Und wie gewöhnlich fragte ich die beiden, ob sie ihr Leben in guten wie in bösen Tagen miteinander teilen wollen. Und dann kam mir der Gedanke, dass wir vielleicht eine neue Frage in das Trauungsritual einfügen sollten, so dass ich das Brautpaar nicht nur fragen würde, ob sie einander in guten wie in bösen Tagen haben und lieben wollen. Die letzte Frage sollte lauten: „Wollt ihr dafür kämpfen, Leerlauf in eurer Ehe zu vermeiden?" Es gibt bald keine dänische Stadt mehr, die kein Schild hat mit der Information, dass Kraftwagen dort nicht im Leerlauf halten dürfen. Leerlauf ist in Dänemark verboten. Wegen Umweltverschmutzung. Was aber geschieht bei dem Leerlauf, der sich im Leben oder in der Ehe oder im eigenen Körper oder Kopf einstellen kann? So etwas kann man nicht geradezu verbieten, man kann keinen Strafzettel geben für den Leerlauf von Leuten. Wohl aber kann man darauf aufmerksam machen, dass Leerlauf im Leben, Leerlauf in der Ehe, Leerlauf im Verhältnis zu Gott ungeheuer schädlich ist. Wenn ich das Evangelium des heutigen Sonntags höre, dann kann ich es nicht anders hören denn als eine Aufforderung, nicht ängstlich zu sein.

Gottes Sohn, Jesus Christus, ist bei uns. Er hat uns nicht verlassen. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Darum gibt es keinerlei Grund, dass sich unsere Herzen entsetzen. Die Freude ist in Wirklichkeit eine Pflicht des Christen. Der große Theologe und Philosoph K.E. Løgstrup spricht geradezu von einer Verpflichtung zur Freude. Ich will heute hier nicht als einer auftreten, der den beiden Konfirmanden gute Ratschläge erteilt. Ich glaube, ihr beiden, Alex und Jonas, werdet wie alle anderen Konfirmanden im Lauf des Tages mit vielen guten Ratschlägen überschüttet werden. Nein, ich will euch und euren Eltern und mir selbst und allen Anderen, die heute hier in der Kirche sind, sagen, dass wir verpflichtet sind, uns zu freuen. Gott ist zu uns gekommen, und er lässt uns nicht im Stich. Und wenn wir uns nicht über das Leben, das er uns geschenkt hat, über den Weg, auf dem zu gehen, er uns gegeben hat, über die Wahrheit, die er in sich selbst offenbar hat, - wenn wir uns darüber nicht freuen können, dann laufen wir in einem Leerlauf, aus dem wir uns befreien müssen. Wie der Leerlauf bei Autos kann unser eigener Leerlauf schädlich für unsere Umgebung sein.

Vor einigen Tagen sprach ich auf einem Kongress vor Sexologen. Eines der Themen war Schuld und Scham. Und das waren Gefühle, die die Sexologen nicht leiden mochten. „Schuld und Scham zerstören die Freude," sagten sie. Ich erlaubte mir, darauf aufmerksam zu machen, dass wir nun nicht so traurig zu sein brauchen, wenn wir hin und wieder Schuld und Scham fühlen. Es handelt sich nämlich um ein Gefühl, das sich auf unsere Mitmenschen bezieht. Wir merken, dass wir jemandem etwas schuldig sind oder dass wir uns über etwas schämen, das wir anderen angetan haben. Ein solches Gefühl zeigt, dass wir nicht der Mittelpunkt der Welt sind, sondern dass es Menschen in unserer Umgebung gibt, denen gegenüber wir verpflichtet sind.

Lieber Alex und lieber Jonas, eure Pflicht im Leben - und das ist eine Pflicht, die auch eure Eltern und wir anderen haben - besteht darin, froh zu sein. Wenn Jesus heute sagt: „Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!", dann ist das keine hübsche Aufforderung. Es ist etwas, wozu wir uns Mühe geben müssen, damit wir Lust zu Gott und Lust zum Leben und Lust zueinander bekommen. Das schließt nicht aus, dass man hin und wieder in unserem Leben schwarz sehen kann. Vielleicht, weil man eine Schuld oder Scham fühlt. Aber auch die Schuld und die Scham und das schlechte Gewissen ist, wie gesagt, etwas, worüber wir uns freuen müssen, dass Gott es uns gegeben hat. Denn die Stimme in unserem Inneren sagt uns, dass wir in der Gemeinschaft mit anderen Menschen leben, denen gegenüber wir eine Pflicht haben, ihnen Freude zu bereiten, wie wir selbst gern voller Freude sein wollen. Wie der Theologe und Philosoph Løgstrup sagt: "Wir sind auf die Freude verpflichtet."

So wollen wir uns denn freuen und die „Langzeit-Enttäuschung" vermeiden, die die Gesellschaft noch in höherem Maße als die Langzeitarbeitslosigkeit plagt. Wir wollen dafür kämpfen, in unserem Leben und in unseren Beziehungen Leerlauf zu vermeiden. Wir wollen versuchen, dass kleine „aber" zum Schweigen zu bringen, dass das Schöne und Gute, das Gott uns gegeben hat, immer abschwächt! Kurz: Unsere Herzen sollen sich nicht entsetzen. Gott ist bei uns!

Amen

 



Pastor Poul Joakkim Stender
4060 Kirke Saaby og Kisserup Sogn på Midtsjælland
E-Mail: pjs@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dr. Dietrich Harbsmeier


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