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ISSN 2195-3171

Konfirmation, 2012

Konfirmationspredigt Psalm 86,11, verfasst von Angela Rinn

Ps 86,11

Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde,

Vaya con dios, geh mit Gott, so heißt ein wunderbarer Film. Drei Männer suchen ihren Weg, ihren Weg mit Gott. Es sind Mönche, die daran glauben, dass man durch Singen einen direkten Kontakt zu Gott bekommt. Und sie singen auch wirklich wunderbar, zunächst zu viert, da ist ihr Abt noch bei ihnen, in ihrem Zuhause, einem Kloster in Deutschland. Aber als der Abt plötzlich einen Herzanfall bekommt, wird alles anders. Vor seinem Tod beauftragt er die drei anderen, mit dem Heiligen Buch des Klosters ins Mutterkloster nach Italien zu gehen. Und er schenkt dem Jüngsten, der als Waise im Kloster aufgewachsen ist, eine Stimmgabel mit einem Kreuz. Dann stirbt er.

Die drei machen sich auf den Weg, es ist der Weg nach Italien, zugleich aber auch der Weg zu ihrer eigenen Persönlichkeit. Führe mich in Versuchung, heißt der merkwürdige Untertitel des Films, und in der Tat wird jeder der drei Männer seiner ganz persönlichen Versuchung begegnen. Das ist wichtig und gut so, denn die Auseinandersetzung mit der Versuchung gehört zum Weg mit und zu Gott.

Die drei ziehen los und haben keine Ahnung von der Welt, nach all den Jahren im Kloster. Ohne ein junges Mädchen, das sie in ihrem Auto mitnimmt, wären sie kaum vorangekommen, das Mädchen ohne die drei allerdings auch nicht. Nach ersten gemeinsam überstandenen Abenteuern wünscht sich der erste Mönch, ein Bauer aus Leidenschaft, auf dem Hof seiner Mutter vorbeizuschauen. Spätestens als er ganz begeistert mit dem Traktor auf dem Hof herumkurvt und dabei die Wäscheleine mitnimmt ist ganz klar - der bleibt bei Muttern. Zumal die dann sein Lieblingsessen auf den Tisch stellt. Was hättet Ihr an seiner Stelle gemacht? Wärt ihr geblieben? Und Sie, als Eltern? Wie geht es einem, wenn das eigene Kind nach Jahren wieder vor der Tür steht? Lässt man es ziehen, nach einem gemütlichen Kaffee? Irgendwie habe ich die Mutter sehr gut verstehen können. Zumal sie nicht mehr die Jüngste ist, dazu die ganze Arbeit auf dem Hof... So bleibt der Mönch, seine Mutter wäscht auch die Kutte zu heiß, also, klare, eingelaufene  Verhältnisse. Die zwei anderen ziehen weiter.

Sie stranden in Karlsruhe auf dem Hauptbahnhof, weil sie mit den Zügen nicht so richtig zurechtkommen. Und in Karlsruhe wird der ältere von seinem alten Mitbruder aus dem Jesuitenorden aufgesammelt, den er um des singenden Ordens willen verlassen hatte, denn Jesuiten haben es nicht so mit dem Singen. Früher waren beide erbitterte Konkurrenten, und wie das mit Konkurrenten so ist - sie kennen sich sehr genau. Der Jesuit weiß gut, was seinen ehemaligen Bruder in Versuchung führen kann: Eine ganze Musikbibliothek inklusive Mitarbeitern bekommt er zur Verfügung gestellt. Natürlich gibt es dabei ein Hintergedanken: Der Mann will an das Heilige Buch. Ich weiß nicht, ob Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, eine alte Musikbibliothek in den siebten Himmel versetzen könnte, ich glaube es eher weniger. Aber auch für Euch gibt es eine ganz besondere Versuchung, die Euch den Atem rauben würde. Ein Auftritt bei Germanys next Topmodel vielleicht? Oder ein Nachmittag mit Orlando Bloom? Eine Einladung zu Deiner Lieblingsband, die sich unbedingt wünscht, dass gerade Du bei ihnen mitsingst oder spielst? Eine Reise nach Australien oder ein eigenes Pferd? Für jeden gibt es diese Versuchung. Auch für die Erwachsenen. Ein Kaffee mit George Clooney. Oder der Lottogewinn.

Wenn Menschen klug sind, wollen sie ihrer Versuchung ins Auge schauen. Jesus hat das auch getan, in der Wüste. Nur so lernt man sich kennen und weiß, wer man wirklich ist. Und darauf kommt es sehr an.

Denn: Ist der intellektuelle Mönch tatsächlich in der Bibliothek glücklich? Sein jüngerer Mitbruder ist es nicht, ihm fehlt bei den Jesuiten das Singen und er spürt, dass er fehl am Platz ist. So flieht er aus dem Haus der Jesuiten und nimmt das Heilige Buch mit. Er ruft die junge Frau an, die den Mönchen auf der Reise schon einmal geholfen hat. Das ist dann seine Versuchung, denn sie hat sich in ihn verliebt. Die beiden schlafen miteinander, aber er geht und verlässt sie. Ob er die Stimmgabel mit dem Kreuz bewusst bei ihr gelassen oder sie vergessen hat - was meint Ihr?

Ja, und der Bauer? Da war die Mutter klüger als der Sohn. Sie hat nämlich gemerkt, dass ihrem Sohn trotz Lieblingsspeise und Traktor etwas Entscheidendes fehlt - der gemeinsame Gesang mit seinen Brüdern. Sie, die Mutter, ist es, die ihn losschickt: „Suche deine Brüder!“ Ich wünsche Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, dass eure Eltern ebenso klug sind wie diese Mutter. Und so liebevoll. Leicht ist es nämlich nicht, das eigene Kind loszulassen. Die Mutter spürt, dass ihr Sohn, wenn sie ihn weiter festhält, unglücklich wird. So lässt sie ihn los, ja, fordert ihn auf, zu erkennen, wer er wirklich ist und was sein Weg ist. „Vaya con dios, geh mit Gott“ - das sagt sie zu ihm. Und schickt ihn weg.

 

Können Sie das, liebe Eltern? Noch ist es ja nicht so weit, und doch: Heute ist klar, dass der Tag nicht fern ist, an dem gerade diese Herausforderung auf Sie zukommt: Zu spüren, was Ihren Kindern gut tut, und sie auf die Reise zu schicken. Möglicherweise kennen Sie das ja aus eigener Erfahrung: Wie gut es tut, wenn die eigenen Eltern einen freigeben. Auch dann, wenn sie genau sehen, dass ein Kind gerade eine falsche Entscheidung trifft. Aber was heißt schon genau: Falsch! Das zeigt dieser wunderschöne Film ja auch, dass die Umwege unbedingt dazugehören! Wenn der Bauer sich nicht, zunächst, für seinen Bauernhof und seine Mutter entschieden hätte, dann hätte er nicht sehr bewusst diese Entscheidung revidieren können. Wer jeder Lebensmöglichkeit ausweicht, der verpasst am Ende sein Leben! Im Rückblick kann man oft sehr genau sehen: Es kam gerade auf diesen Umweg an. Haben Sie das schon einmal gespürt? Und wer hat Ihnen auf diesen Umwegen geholfen. Wer hat Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, auf Euren Wegen bisher geholfen?

Euer Weg ist, glücklicherweise, kein einsamer Weg. Vaya con Dios. Geh mit Gott! Ihr geht mit Gott. Das ist der tiefe Sinn dieses Konfirmationsgottesdienstes, dass er Euch den Segen Gottes auf Eurem Lebensweg zuspricht, einem Weg, den Ihr von nun an immer eigenständiger, mit Euren, ganz persönlichen Umwegen gehen werdet.

Ihr müsst Euren Weg gehen und niemand, auch nicht Eure liebsten und nächsten Menschen, wissen, welche Umwege und Wege tatsächlich die richtigen für Euch sind. Ihr habt auf Eurem Lebensweg die Aufgabe, Eure ganz persönliche Versuchung zu entdecken, um so zu Eurem Weg zu finden. Das kann keiner für Euch tun. Es ist Eure Aufgabe! Um noch einmal auf die Stimmgabel zurückzukommen: Es ist Eure Aufgabe, den Ton Eures Lebens zu finden. Euren ganz persönlichen Ton. Deshalb habe ich auch eine Stimmgabel auf das Blatt mit Eurem Namen kopieren lassen.

Sein ganz persönlicher Ton, der wird bei dem intellektuellen Mönch dann geweckt, als seine beiden Brüder ein Lied anstimmen und es ihn letztlich hinreißt, er einfach mitsingen muss. Mich hat diese Szene am tiefsten berührt, vielleicht, weil ich auch so gerne singe und tatsächlich finde, dass ein Mensch, singend, einen ganz direkten Weg zu Gott finden kann.

Der intellektuelle Mönch spürt singend, dass er in seiner Musikbibibliothek bei den Jesuiten am falschen Platz ist.  Von außen hätte man das nicht so sagen können, er war ja auch glücklich in der Bibliothek, das war eine Herausforderung für ihn, da war auch viel von ihm. Aber etwas Entscheidendes fehlte. Die anderen haben ihm geholfen, das zu entdecken.

Auch das ist eine tiefe Weisheit: Was mein Weg ist, das muss ich für mich alleine herausfinden, aber ich kann es nicht alleine herausfinden. Ich brauche die klaren, liebevollen, weitsichtigen Augen anderer. Ich finde: Auch die liebevolle Nähe Gottes. Was mir deshalb hilft, ist das Gebet. Man kann übrigens auch singend beten, viele Kirchenlieder sind solche Gebete. Man kann aber auch in eine Kirche gehen, oder ins eigene Zimmer, und ganz still, für sich beten: Gott, lass mich den richtigen Weg für mich erkennen. Und Gott hört jedes Gebet, ganz gewiss. Er wird Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, die Umwege nicht ersparen, weil sie wichtig für Euch sind. Auch harte Tage und leidvolle Erfahrungen werdet Ihr haben, doch alleine werdet Ihr nie sein. Vaya con dios: Geh mit Gott, weil Gott tatsächlich mitgeht!

Schließlich kommen die drei Mönche im Kloster in Italien an, und zwei von ihnen sind damit richtig glücklich. Nur der dritte, der Jüngste, nicht. Er singt zwar wunderschön mit den anderen, doch sein Herz ist nicht mehr ganz dabei.     

 

Eines Tages kommt die junge Frau, mit der er geschlafen hat, und lässt ihn selbst entscheiden, was er will. Und er entscheidet sich - für sie. Er lässt die Stimmgabel im Kloster, er braucht sie nicht mehr. Er hat den Ton seines Lebens jetzt gefunden.

Es ist der Ton der Liebe.

Das ist übrigens bei jedem und jeder von uns so: Unser Lebenston ist ein Ton der Liebe. Und wenn wir unseren Weg entdecken, dann entdecken wir auch die Liebe und merken, wie lieb uns Gott hat.

 

Manchmal dauert es lange, bis Menschen das entdecken. Ich hoffe und bete für Euch und wünsche es mir, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, dass Ihr heute in Eurem Gottesdienst eine Ahnung von dieser Liebe habt, dieser Liebe Gottes, die Euch umgibt und mit euch euren Lebensweg gehen will.

Gleich werdet ihr gesegnet. Und für jeden von euch heißt es dann: Vaya con dios! Geh mit Gott.

 

Und sein Friede, der höher ist  als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.

Amen.



Pfarrerin Dr. Angela Rinn
Mainz
E-Mail: AngelaRinn@t-online.de

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